„Hier regiert der SCP!"

„Hier regiert der SCP!" skandierten die vielen mitgereisten Anhänger aus der Fahrradstadt nach 85 Minuten im Spiel zwischen Rot-Weiss Essen und Preußen Münster. Und sie hatten Recht: Die Münsteraner hatten den Essenern sowohl auf dem Platz, als auch auf den Rängen, deutlich gemacht, wer an diesem Tag im Georg-Melches-Stadion das Sagen hatte.

Dabei hatte das Spiel aus Essener Sicht gar nicht schlecht begonnen. Trainer Middendorp veränderte seine Mannschaft auf drei Positionen. Neben Stefan Kühne, der seine Gelb-Rot-Sperre absitzen musste, fehlten auch Kai von der Gathen und David Czyszczon, welche beide noch nicht einmal im Kader standen. In der Verteidigung liefen stattdessen Jozef Kotula und Stefan Lorenz auf, im defensiven Mittelfeld gab U23-Akteur Dirk Caspers sein Debüt für die Erste Mannschaft.

Bereits vor dem eigentlichen Spiel gab es eine Begegnung der F-Jugend von RWE mit einer Auswahl aus Münster. Die kleinen RWE-Bubis durften einen 8:2 Sieg bejubeln. Bis zum Anpfiff bei angenehmem Frühlingswetter und milden Temperaturen waren über 8.000 Zuschauer an der Hafenstraße versammelt, sogar der in dieser Saison meist verwaiste Gästeblock war voll. Beste Voraussetzungen also für einen tollen Fußballnachmittag!

Auch die Essener Spieler auf dem grünen Rasen wollten das Spiel siegreich gestalten, und nach anfänglichen Schwierigkeiten kontrollierte man auch die Begegnung, ging in die Zweikämpfe und kam sogar zu der ein oder anderen Torchance. Markus Neumayr (4. Minute/13.) und Sascha Mölders (7.) hatten gute Schusschancen, scheiterten jedoch am SCP-Keeper Buchholz. Nach 23 Minuten brachte Dennis Bührer von der rechten Seite einen Freistoß in den Strafraum der Münsteraner, und der Ball rauschte an Freund und Feind vorbei, so dass der Torwart die Kugel nur mit Mühe abwehren konnte. Der nachfolgende Kopfball durch den aufgerückten Caspers wurde vom Schiedsrichter abgepfiffen, welcher über die gesamte Länge des Spiels dadurch auffiel, dass er beinah jeden Zweikampf abpfiff und somit aufkeimenden Spielfluss im Ansatz zunichte machte.

In der 26. Spielminute ereignete sich dann die Szene, die den Spielverlauf auf den Kopf stellen sollte. Im Mittelfeld verlieren die Essener den Ball, Münster spielt schnell nach vorne, Bührer ist zu weit von seinem Gegenspieler Julian Loose entfernt und lässt ihn schießen, Maczkowiak lässt den haltbaren Ball aus spitzem Winkel rein, Münster führt - 0:1. Schon an der Körpersprache der Spieler in den roten Trikots erkannte man, dass jegliches Selbstbewusstsein und Vertrauen in die Mitspieler abhanden gekommen war. Die Abwehr um Stefan Lorenz durfte sich bei Torwart „Matze" bedanken, der mit seinen Paraden einen höheren Rückstand zur Pause verhinderte.

Wie laut Ernst Middendorp in der Kabine war, ist leider nicht bekannt. Erfolg hatte er jedenfalls nicht. Michel Harrer, der trotz seiner Auseinandersetzung im Training mit dem Coach für Jozef Kotula gekommen war, konnte der Mannschaft nicht weiterhelfen. Doch auch der Rest des Teams wirkte nun nicht nur verkrampft, sondern trottete lustlos und lethargisch dem Ball hinterher. Den absoluten Siegeswillen, der bei einem Fußballprofi eigentlich zur Grundausstattung gehören sollte, sah man keinem der elf Akteure an. Einen Ballverlust von Wunderlich, der es im zweiten Durchgang als Rechtsverteidiger versuchte, nutzen die wacheren und schnelleren Grün-Weißen eiskalt aus, den Abpraller vom Pfosten beförderte Michael Erzen hinter die Linie.

Spätestens jetzt wandelte sich die Wut auf den Rängen in schweigendes Entsetzen. Während die mitgereisten Fans aus Münster ihre Mannschaft feierten, verließen die ersten Anhänger der Heimmannschaft den Kopf schüttelnd das Stadion. Ernst Middendorp brachte noch einen dritten Stürmer, und Marcel Stiepermann kämpfte um den Ball und hatte nach 67 Minuten die beste Chance der zweiten Halbzeit, die er jedoch vergab. Der dritte Treffer der Preußen zeigte alle Schwächen der Essener auf. Im Spielaufbau nach vorne geht nix, Bührer spielt einen viel zu kurzen Rückpass auf Maczkowiak, welcher viel zu zögerlich dem Ball entgegengeht und mit seiner Grätsche sowohl Ball als auch Gegenspieler verfehlt. Marius Sowislo muss den Ball nur noch ins leere Tor einschieben (79.). In der 90. Minute erhöhte Massih Wassey nach einem perfekten Konter sogar noch auf 4:0.

Zu diesem Zeitpunkt hatten viele Fans das Stadion bereits enttäuscht verlassen. Während die Spieler und der Betreuerstab des SCP mit dem Gästeblock feierten, hatte nur Sascha Mölders den Mut, sich den Fans zu stellen. Markus Neumayr saß minutenlang auf dem Rasen, der Rest der Mannschaft verschwand in der Kabine. Selbst die Fans reagierten nicht sauer und wütend, sondern gingen einfach nach Hause. Die Mannschaft sollte dies als Anlass nehmen, ihre Arbeitseinstellung einmal gründlich zu überprüfen.

Man stellt fest, dass sich trotz des Trainerwechsels die Lage nicht geändert hat. Sobald die Mannschaft ein Gegentor kassiert, bricht sie auseinander. An konstruktives Offensivspiel ist dann nicht mehr zu denken, die Defensive beginnt zu wackeln und allen Spielern ist ihre Verunsicherung anzumerken. Die Saison ist von den Verantwortlichen bereits abgehakt worden, alles konzentriert sich auf die Saison 2009/2010. In der Winterpause kamen neue Spieler, vor zwei Wochen auch ein neuer Trainer, doch die Probleme blieben die gleichen. Wie will man da in der nächsten Spielzeit aufsteigen?

Jawattdenn-Spielerbewertung

Maczkowiak [4-]	Kotula [4-]	S. Lorenz [4-]	Zinke [4]	Bührer [5+]
Neumayr [4]	Wunderlich [4-]	Mainka [5]	Caspers [4]	Kurth [4]
Mölders [5+]	Harrer [6+]	Stieperman [o.B.]