Anspruch und Wirklichkeit –
zwei Begriffe, die in Essen nicht harmonieren wollen


„The same procedure as every year“, „jährlich grüßt das Murmeltier“, „quo vadis, RWE?“ – die Liga und die Mannschaft wechseln von Jahr zu Jahr, die Phrasen, Fragen und Erkenntnisse bleiben aber dieselben. Die große Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist inzwischen die einzige Konstante im Vereinsleben. So auch in dieser Saison, an dessen Ende nach der präsaisonalen Zielvorstellung von Verein und Fans endlich mal wieder Aufstiegsjubel über die Hafenstraße hinaus vernommen werden sollte.

Tatsächlich aber droht in der Rückrunde der Tiefpunkt der Nachkriegsgeschichte von RWE, nämlich viertklassiges Mittelmaß. In naher Zukunft wird man vielleicht auch mal zufrieden sein müssen, wenn RWE nach einem Rückstand den Teilzeitfußballern aus Lotte oder Worms noch einen Punkt abtrotzen kann. Wenn die Wirklichkeit nicht zum Anspruch passt, dann muss eben der Anspruch der Wirklichkeit angepasst werden!

Doch zuvor bleibt die alljährliche Frage, welche Gründe für das erneute Déjá-vu-Erlebnis verantwortlich sind. Dabei ist das Wirkungsgefüge wie immer komplex und aus der Perspektive eines Fans sicher nicht in allen Facetten einseh- und beurteilbar. Die folgende Analyse erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit und geht nur auf das ein, was sich aus den Geschehnissen auf dem Platz und in den Medien ableiten lässt.


Einige statistische Fakten:

RWE weist nach 18 Spielen acht Siege, fünf Unentschieden und fünf Niederlagen auf. Nur in acht Spielen konnte man mit 1:0 in Führung gehen, neun Mal lag man dagegen mit 0:1 im Hintertreffen. Von diesen neun Spielen konnte nur ein Spiel noch siegreich gestaltet werden (Mönchengladbach). Mit 22 Gegentoren steht RWE im Mittelfeld der Liga – das ist die statistische Bilanz eines Durchschnittteams. Lediglich die Marke von 38 selbst erzielten Treffern ist aufstiegsreif, allein 20 Tore gehen dabei auf das Konto von Sascha Mölders.

RWE bekam nach einer Führung häufig dann Probleme, wenn nicht direkt ein weiterer Treffer nachgelegt wurde. Bei überzeugenden Siegen führte zumeist ein Doppelpack zum Einbrechen des Gegners (Lotte, Schalke, Worms, Elversberg, Mönchengladbach).

Kein Spiel wurde im Kaiserslautern-Stil gewonnen, indem man einen knappen Vorsprung oder ein zufriedenstellendes Remis (Münster) über die Zeit rettete. Nur beim 2:1 gegen Verl fiel die erneute Führung spät genug, um sie verteidigen zu können. Zuletzt gab man gegen Leverkusen, Kleve und Dortmund eine knappe Führung wieder aus der Hand.

Gerne wurde nach diversen sieglosen Spielen darauf hingewiesen, dass es sehr schwierig sei, gegen kompakt sehende Gegner zu Chancen und Toren zu kommen. Allerdings zeigten unter anderem die Spiele gegen Leverkusen, Münster oder Dortmund, dass man mit mitspielenden Gegnern kein bisschen besser klarkommt.

Die Liga:

Die Regionalliga West setzt sich aus Mannschaften zusammen, die in der vergangenen Saison drittklassig oder in der Spitzengruppe der Oberligen gespielt haben. Von vornherein war also klar, dass diese Liga im Leistungsniveau nicht mehr mit den alten Oberligen zu vergleichen ist. Brauchte man früher nach einem Abstieg aus der Regionalliga ein Team, das nicht schlechter aufgestellt sein durfte als die Abstiegsmannschaft, um die Oberliga wieder nach oben hin zu verlassen, so muss man in dieser Saison im Grunde schon stärker als im Vorjahr aufgestellt sein, um aus der nun viertklassigen Regionalliga wieder herauszukommen; eine extrem schwierige Aufgabe, wenn nur ein Aufstiegsplatz und ein Bruchteil des Etats aus der dritten Liga zur Verfügung stehen. Es ist kein Zufall, dass mit Kaiserslautern und Dortmund zwei Zweitvertretungen zur Winterpause ganz oben stehen.

Die drastische Kürzung der Regionalliga-Fernsehgelder zur kommenden Saison wird diesen Teams erneut in die Karten spielen, denn während viele Mannschaften ihre Etats werden herunterfahren müssen, ändert sich bei den eh schon vom TV-Pott unabhängig arbeitenden Amateurteams nichts. Sofern es der Profimannschaft gut geht und der Vorstand es zulässt, können sie unter den gleichen Etatbedingungen weiterarbeiten und von den üppigen durch die Profimannschaft eingefahren Fernsehgeldern profitieren. Wenn in dieser Saison Kaiserslautern aufsteigt, dann wird in der kommenden Saison mit hoher Wahrscheinlichkeit Dortmund, Köln, Gladbach oder ein anderes Amateurteam das Rennen machen. Es sei denn, bei irgendeinem Verein hat man ein extrem glückliches Händchen mit günstigen, aber trotzdem herausragenden Neuzugängen. Schwer zu glauben, dass Essen dazu gehören wird.

Ein Abstieg ist nie gut, aber lange gab es keinen schlechteren Zeitpunkt für einen Abgang in die Viertklassigkeit als in der abgelaufenen Regionalligasaison. Einen Fünfjahresplan für die Rückkehr in die zweite Liga sollte man vielleicht erst dann aufstellen, wenn der erste Schritt, der Aufstieg in die Dritte Liga, vollzogen wurde. DAS ist aufgrund der sportlichen Konstellation inklusive des Amateurteamproblems die eigentliche Herkulesaufgabe, deren Bewältigung eventuell viel Glück und Geduld erfordern wird.

Die Mannschaft:

RWE konnte fünf Spieler aus dem letztjährigen Regionalligastamm halten (Lorenz-Brüder, Kotula, Kurth, Czyszczon). Sieben Spieler wurden neu verpflichtet (Mölders, Pagano, Kühne, Mainka, Türkeri, Maczkowiak, Bührer). Die weiteren Plätze wurden mit Spielern aus dem eigenen Nachwuchs (A-Jugend, U23) aufgefüllt. Bei diesem großen Aderlass war von vornherein klar: Wenn der Wiederaufstieg gelingen soll, dann müssen die erfahrenen externen Neuzugänge voll einschlagen!

Der Saisonstart war auch dementsprechend verheißungsvoll. Im Laufe der Hinrunde ergaben sich allerdings große Defizite im spielerischen Bereich (insbesondere im Mittelfeld), später auch in der lange Zeit sehr sicheren Hintermannschaft. Pagano und Kühne lassen zu selten ihre Fähigkeiten aufblitzen, was beiden Spielern zwischenzeitlich einen (kurzfristigen) Bankplatz einbrachte. Zwar schafften bis auf Türkeri alle Neuzugänge den Sprung in die Stammelf, aber zum Teil eher wegen fehlender ernsthafter Konkurrenz als durch die eigene starke Leistung.
Insgesamt konnten die folgenden Neuzugänge die Erwartungen:

- übertreffen: Mölders
- erfüllen: Maczkowiak, Bührer, Mainka
- nicht erfüllen: Kühne, Pagano, Türkeri

Unter den gerade erwähnten treu gebliebenen Spielern gehören die Lorenz-Brüder fast schon zum Essener Inventar. Gerade von ihnen, die vor zwei Jahren noch Stammspieler unter Lorenz-Günter Köstner in der zweiten Liga waren, erwartete man, dass sie eine tragende Rolle in der Mannschaft übernehmen. Während Kapitän Stefan Lorenz lange Zeit diese Rolle zufrieden stellend erfüllte, hatte Michael Lorenz von Beginn an mehr mit seiner eigenen Leistung zu kämpfen als dass er die anderen Spieler mitreißen und führen konnte. Eine am fünften Spieltag in Köln zugezogene Verletzung warf ihn zusätzlich zurück.

Markus Kurth ist nach wie vor ein Vorbild an Einsatz, ist aber ebenso deutlich über seinen Zenit hinaus wie Jozef Kotula. Während Kurth noch eine wichtige Rolle als Freiraumreißer für Mölders spielt und hin und wieder selbst trifft, kann Kotula dem Essener Spiel jedoch in keiner Weise seinen Stempel aufdrücken. Trotzdem blieb er Stammspieler, denn wenn Kotula auf der Bank Platz nehmen musste, konnte kein Nachwuchsspieler überzeugen. Zuletzt wurde Aydin in Kleve nach nur 35 Minuten und einer indiskutablen Leistung wieder gegen Kotula ausgewechselt.
Der letzte im Bunde, Czyszczon, spielt das, was man schon aus der Vorsaison von ihm gewohnt war: einen zuverlässigen, soliden Part.
Insgesamt konnten also die folgenden „Alteingesessenen“ die Erwartungen:

- übertreffen: niemand
- erfüllen: Kurth, Czyszczon, S. Lorenz
- nicht erfüllen: Kotula, M. Lorenz

Wenn der angepeilte Aufstieg nicht geschafft wird, tragen sicherlich die letztjährigen A-Jugend und U23- Spieler den geringsten Verantwortungsanteil. Trotzdem ist es schade (und in Bezug auf das ausgegebene Saisonziel auch kontraproduktiv), dass scheinbar noch keiner der zahlreichen Nachwuchskräfte stark genug für einen Stammplatz ist oder zumindest einen formschwachen Leistungsträger mehr als gleichwertig ersetzen kann. Lediglich Karadag, Aydin und Harrer sind dicht dran an der Stammelf und zumeist die ersten Einwechselspieler. Allerdings können auch sie in schwierigen Spielsituationen keine Bäume ausreißen, oder nach einer Einwechslung für spürbaren neuen Schwung sorgen. Dafür wurden andere Spieler verpflichtet.

Karadag kann in 1:1-Situationen durch seine Technik überzeugen, ihm fehlen jedoch Effektivität im Sinne von gelungenen Flankenbällen, ein satter Torschuss und körperliche Robustheit. Aydin hatte große Probleme als rechter Verteidiger, spielte im defensiven Mittelfeld aber zumeist solide. Harrer tritt starke Standards und wurde dafür auch vom Trainer explizit gelobt, ansonsten wirkte er aber ungelenk, als spielte er mit Blei in den Schuhen. Aus diesem Grund rotierte Harrer auch zurück auf die Bank, nachdem Michael Lorenz wieder genesen war.

Diverse andere Nachwuchskräfte kamen nur zu Kurzeinsätzen, die teilweise durch einen deutlichen Niveauabfall gekennzeichnet waren. Spieler wie Enzmann, Ritz, von der Gathen und Yavuz sind leistungsmäßig noch sehr weit von der ersten Elf entfernt und haben noch genug Probleme damit, in der Oberliga NRW oder in der Juniorenbundesliga ihre Leistungen zu stabilisieren.

Kotula und Michael Lorenz bilden also zusammen mit Kühne und Pagano eine Reihe von Stammspielern, die über die gesamte Hinrunde gesehen mehr oder weniger weit hinter den Erwartungen und eigenen Ansprüchen zurückgeblieben sind. Damit bricht eine angestrebte Substanz bzw. Qualität weg, die von den Nachwuchskickern (noch) nicht aufgefangen werden kann. Das augenblickliche Tabellenbild spiegelt dieses Dilemma entsprechend wider.

Die wirtschaftliche Situation:

Wie immer nach einem Abstieg musste der Etat drastisch reduziert werden. Die wichtige Finanzangelegenheit mit dem Gläubiger Dr. Michael Kölmel hat die Stadt inzwischen zur Chefsache erklärt und selbst die Verhandlungen übernommen. Ein Misserfolg bei diesen Verhandlungen hätte kaum abschätzbare negative Konsequenzen für RWE: Nicht nur der (vielleicht irgendwann ja tatsächlich mal Realität werdende) Stadionbau ist an einer erfolgreichen Einigung gekoppelt, sondern auch die sportliche Zukunft von RWE. Unter den derzeitigen Konditionen würde RWE mittelfristig nicht in der Regionalliga überleben können. Schon in der Vorsaison konnten die noch vom Verein mit Kölmel ausgehandelten Verträge nicht mehr bedient werden. Die Altlasten beginnen in der Viertklassigkeit richtig zu schmerzen, an einen Schuldenabbau ist nicht zu denken, wenn man sportlich eine gute Rolle spielen möchte.

Trotz der ungünstigen Voraussetzungen gehört RWE jedoch nicht zu den „Armenhäusern“ der Liga. So konnte man sich in der Bundesliga (Mölders, Kühne) bedienen und sogar Ablöse für die Leistungsträger von einem Ligakonkurrenten (Mainka und Pagano aus Verl; zuletzt auch Wunderlich aus Köln) bezahlen. Auch Torwart Maczkowiak wurde aus einem laufenden Vertrag herausgekauft. Wenn man in der Lage ist, für mehrere Spieler Ablöse zu zahlen, dann kann ein schwaches Abschneiden in dieser Saison kaum mit dem Mannschaftsetat begründet werden.

Thomas Strunz:

Nach der Demission von Präsident Rolf Hempelmann und dem Kürzertreten von Nico Schäfer ist Thomas Strunz DER Mann im Verein. Und der RWE-Fan erhält das Gefühl, dass Strunz etwas bewegt (oder zumindest versucht, etwas zu bewegen). Neben neuen Wegen der Informationsweiterleitung (Strunz schreibt aktiv im RWE-Forum) und Aktionen wie „Kämpfen für Essen“ wirkte er im Gegensatz zu Rolf Hempelmann schon ständig präsent, bevor er überhaupt seinen Wohnsitz ins Ruhrgebiet verlegte. Aber auch Strunz wird wissen, dass er bei allem Engagement auch auf sportliche Erfolge durch die Mannschaft angewiesen ist. Auch ein wohldurchdachter Fünfjahresplan ist wertlos, wenn nach dem ersten Jahr der sportliche Erfolg ausbleibt und sich dadurch die wirtschaftliche Situation durch Zuschauereinbrüche, Fernsehgeldkürzungen und eventuell auch Sponsorenrückzüge weiter verschlechtert. Mittelfristige Planungen sind häufig nur dann praxistauglich, wenn man auch durch wasserdichte Verträge mit den wichtigsten Geldgebern über mehrere Jahre mittelfristig Gelder sicher hat, mit denen man planen kann.

Thomas Strunz gehört sicherlich zu den positiven Personalien der laufenden Saison! Die Frage muss allerdings erlaubt sein, ob die Entscheidung richtig war, mit einem relativ knappen Etat auch Spieler zu verpflichten, die Ablöse kosteten. Während ein Verein wie RWO in den vergangenen beiden Jahren fast ausschließlich ablösefreie und "günstige" Oberligaspieler aus der Region verpflichtete, die heute Stammspieler in der zweiten Liga sind (Falkenberg, Pappas, Schlieter, Lüttmann, Reichert, Kaya …), haben einige unserer ehemaligen Zweitligakicker sogar Probleme, in der vierten Liga zu überzeugen. Ein Ausbau der Scoutingabteilung mit fähigen Leuten, die sofort weiterhelfende und kostengünstige „Schnäppchen“ aus unteren Ligen erkennen, sollte daher ganz oben auf der Agenda stehen – insbesondere vor dem Hintergrund der weiter schrumpfenden TV-Einnahmen.

Michael Kulm:

Aufgrund der qualitativ dünnen Spielerdecke hat Kulm kaum Möglichkeiten, auf Formschwächen der (vermeintlichen) Leistungsträger zu reagieren oder taktisch zu variieren. Allen anders lautenden öffentlichen Aussagen zum Trotz dürfte auch dem Trainer klar sein, dass sich hinter der ersten Elf ein großes Leistungsloch befindet. Nur sehr selten wurde ohne (Verletzungs-)Not ein Nachwuchsspieler aufgeboten, aufgrund des großen Leistungsgefälles hinter der ersten Elf stellte sich die Mannschaft fast von selbst auf.

Gegen tief stehende Gegner wie Trier, Cloppenburg oder Lotte hatte RWE große Probleme im Spielaufbau und war stets auf den Torriecher des nie ganz auszuschaltenden Mölders angewiesen. Alles andere war in der Offensive berechenbar. Kulm hatte eine feste Stammelf, auf deren unflexibles System sich die Gegner längst eingestellt haben.

Zugegeben, die wirtschaftlichen Voraussetzungen waren nie so angespannt wie zurzeit und es ist sicherlich schwieriger, aus der vierten Liga aufzusteigen als in der dritten Liga die Klasse zu halten. Die Konkurrenz ist groß und die Anzahl der Aufsteiger ist minimal. Trotzdem hat man bessere finanziellen Möglichkeiten als beispielsweise Lotte oder Verl. Dass man nun genau mit diesen Teams in der Tabelle (fast) auf Augenhöhe steht, muss auch Kulm mitverantworten.

Wenn zudem nach 18 Spielen keine positive spielerische Entwicklung innerhalb der Mannschaft zu erkennen ist, dann ist ebenfalls der Trainer für diese Defizite mitverantwortlich. Im Laufe der Hinrunde konnten die Problemfelder im zentralen Mittelfeld nicht nur nicht behoben werden, sondern es kamen noch neue hinzu. Zuletzt wies die anfangs noch so sichere Verteidigung große Schwächen in fast allen Belangen (Stellungsspiel, Verhalten bei Standardsituationen und Konterangriffen, Trägheit, Unkonzentriertheiten beim Abspiel…) auf.

Wir haben einen soliden Trainer, der aber nichts Außergewöhnliches bewegt und aus welchen Gründen auch immer nicht die optimale Leistung aus vielen Spielern herauskitzeln kann.

Die Standardsituationen:

Die Qualität bei Standardsituationen macht in engen Spielen oftmals den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage, aber auch zwischen Aufstiegskandidaten und dem Ligenrest aus. Auch hier trat RWE jedoch nicht im Stile eines Spitzenteams auf. Kein Spieler ist in der Lage, einen gefährlichen direkten Freistoß zu schießen. Zumeist muss auch hier Mölders antreten, obwohl Freistöße eine seiner wenigen Fähigkeiten sind, mit denen er in dieser Liga nicht herausragt.

Zu Beginn der Saison sowie gegen Verl und Elversberg führten Freistoßflanken zu wichtigen Toren. Auf einen Eckballtreffer warten RWE-Fans seit dem Auswärtsspiel in Köln vergebens. Viele Ecken verpufften, weil der viel zu flach getretene Ball schon beim ersten Verteidiger hängen blieb. Dagegen führten recht häufig Standards zu entscheidenden Gegentoren (Kaiserslautern, Trier, Verl, Leverkusen, Dortmund).

Das ist ebenfalls ein Punkt, der RWE eher als Nicht-Favoriten kennzeichnet. Es muss allerdings möglich sein, auch ohne Harrer gescheite Ecken und Freistöße in den 16er zu treten, das ist trainierbar. Bislang scheinen jedoch keine praxistauglichen Varianten eintrainiert worden zu sein.

Fazit:

Die schwierige Kölmel-Situation, die Abhängigkeit der Offensive von einem Spieler, das permanente Leistungstief einiger Stammspieler, die fehlenden Alternativen aus der zweiten Reihe, die für jeden Gegner voraussehbare taktische und systemische Monokultur, die fehlende Effektivität bei Standardsituationen, sowie nur ein zur Verfügung stehender Aufstiegsplatz in einer starken Liga sind sicherlich Mosaikbausteine aus dem komplexen Geflecht der Kausalzusammenhänge, die die im Augenblick nicht zufrieden stellende sportliche Situation begünstigen. Im Gegensatz zu den Vorjahren kann in dieser Saison kaum mit (Verletzungs-)Pech argumentiert werden. Lediglich Mainka und M. Lorenz fielen zwischendurch länger als eine Woche aus – das liegt im grünen Bereich. Zudem spielte RWE keineswegs besser, nachdem Kulm wieder aus dem Vollen schöpfen konnte. Ganz im Gegenteil, die Negativserie von vier sieglosen Auftritten vor der Winterpause wurde in Bestbesetzung eingefahren.

Die meisten sieglosen Spiele wurden dabei zurecht nicht gewonnen. Entweder, das gesamte Spiel war durch spielerischer Ideenlosigkeit und Chancenarmut geprägt (z.B. Kaiserslautern, Trier), es wurde maximal eine Halbzeit guter Fußball geboten (z.B. Leverkusen, Dortmund) und/oder krasse individuelle Fehler führten zu Gegentoren (z.B. Leverkusen, Münster). Lediglich die Dortmund-Niederlage kann man als unglücklich bezeichnen, dagegen stand RWE aber gegen Elversberg und Lotte die Glücksgöttin zur Seite.

Ein Aufstieg am Ende der Saison käme also einem kleinen Wunder gleich. Der Kölner Wunderlich wird hoffentlich die groben Probleme im Spielaufbau mildern, aber vermutlich keinen 11-Punkte-Rückstand mehr wettmachen können.
Die Regionalliga wird man nur mittelfristig mit geduldigen Sponsoren und Leistungsträgern, einem glücklichen (und auch zielsicheren!) Händchen bei Transferaktivitäten (insbesondere bei der Suche nach „Schnäppchen“) und einem milde gestimmten Dr. Kölmel nach oben verlassen können. Von Jahr zu Jahr wird dieses Unterfangen schwieriger, denn die zusammengestrichenen Fernsehgelder spielen den davon nicht betroffenen Zweitvertretungen in die Karten.

Zumindest Dortmund sollte man in der Rückrunde im Auge behalten, wenn man auf einen Aufstiegsverzicht von Kaiserslautern spekulieren möchte. Ansonsten können diesmal frühzeitig die Weichen für einen neuen Angriff in der kommenden Saison gestellt werden. So früh hatte man seit Jahren keine Planungssicherheit mehr.

Als Fan bleibt nur die Hoffnung, dass in nicht allzu ferner Zukunft Anspruch und Wirklichkeit mal wieder in Einklang zu bringen sind. Und das hoffentlich auf einem akzeptablen Ligenniveau.