Ein Ort der Ruhe und Besinnlichkeit
Marienfeld hat keine Partymeile, keine Discos,
noch nicht einmal mehrere Kneipen (um genau zu sein,
eine einzige). Das war jedoch egal, waren der Tross
um die rot-weißen Spieler auch nicht zum
Feiern gekommen. Training stand im Vordergrund, und
das täglich zweimal. Der Schweiß floss
in Strömen, es wurde viel gearbeitet. Das Hotel
Klosterpforte, der ganze Stolz Marienfelds, war für
vier Tage Gastgeber von Rot-Weiss Essen.
Im Schatten des ehemaligen Zisterzienser-Kloster in
Marienfeld liegt die luxuriöse und weitläufige
Hotelanlage. Wo im vergangenen Sommer der WM-Kader
von Portugal nächtigte und sich auf die Spiele
vorbereitete, arbeiteten nun unsere Rot-Weißen.
Dies nicht nur hochkonzentriert, nein, vor allem auch
hoch motiviert und mit viel Spaß und Einsatz
bei der Sache. Schon eine halbe Stunde vor den Trainingseinheiten
schlenderten die Spieler zum riesigen Rasenplatz,
welcher sich in exzellentem Zustand befand. Man merkte
deutlich, niemand wollte der letzte sein, jeder zuerst
auf dem Rasen. Gleiches Bild auch nach dem Training:
Die Kicker wollten gar nicht mehr vom Platz runter
und verlustierten sich beim Lattenschießen oder
„Weitschuss-Gartenstuhl-Umschießen“.
Es wurde viel gelacht, die Laune war großartig
und die Stimmung im Allgemeinen war laut Heiko Bonan
„erschreckend positiv“. Das trifft es genau.
Wer aber nun vorschnell denkt, dass es sich bei diesem
Trainingslager lediglich um eine Comedy-Veranstaltung
gehandelt hat, der liegt verdammt
falsch. Bei den Trainingseinheiten ging es dann voll
zur Sache, und es wurde laut im - ansonsten so ruhigen
- Marienfeld. Selbst die Pferde auf der nahe gelegenen
Koppel schreckten auf und staunten nicht schlecht
ob der 23 Mannen, die sich gegenseitig anbrüllten,
motivierten und sich über jede gelungene Aktion
diebisch freuten. Im Mittelpunkt der Übungen
stand oft der Ball. „5 gegen 2“ beim Warmmachen,
gefolgt von taktischem „Ball und Gegner“
laufen lassen. Torschuss- und Flankentraining wechselten
sich in jeglich denkbarer Form munter ab. Der Wettbewerbsgedanke
Gruppe Eins gegen Gruppe Zwei sorgte für zusätzliche
Motivation. Siegermentalität über den Spaß
an der Freude im Vordergrund.
Zwischen den Einheiten auf dem grünen Geläuf
schlugen die Akteure die Zeit mit Daddeln an der Playstation
oder auch mit Texas Hold'Em tot. Besprechungen im
Taktikraum gehörten zum Alltag genauso dazu wie
Massagen der geschundenen Knochen. Die beiden Physiotherapeuten
hatten alle Hände voll zu tun, ebenso wie Betreuer
Marcel Müller, der eine Ladung Wäsche nach
der anderen
durch die Waschmaschine feuerte.
Groß war bei mir die Skepsis, als ich in den
vergangenen Wochen die Neuverpflichtungen, welche
ja nun mal den Großteil des Kaders ausmachen,
betrachtete. Nach diesen vier Tagen intensiver Trainingsbeobachtungen,
stelle ich aber fest: Die Chemie stimmt. Klar, Training(slager)
und Wettkampf sind zwei Paar Schuhe, aber Bauschschmerzen,
habe ich nach diesen vier Tagen keine mehr. Selbst
die Statue des Spökenkiekers im Herzen Harsewinkels,
die Gemeinde zu der Marienfeld gehört, ließ
nach genauer Betrachtung und Zureden keine rot-weißen
Weltuntergangsszenarien verlauten.
Betrachte ich die Realität und denke ich beim
Schreiben dieser Zeilen an die vier Tage Trainingslager,
bleibt festzustellen, dass in dieser Saison alles
drin ist. „Erst Leistung, dann Anspruch!“,
sagen Heiko Bonan und Olaf Janßen und haben
damit natürlich recht. Ich sage, RWE ist schon
voll dabei, die Leistung zu erbringen, um sie später
in der Meisterschaft abzurufen. Ich persönlich
habe ein gutes Gefühl, was mich dazu bringt,
den Prophezeiern der Abstiegs- und Durchreiche“-Apokalypse
zu entgegnen: „Wir werden mit dem Abstieg nichts
zu tun haben!“
(tz)