Die Saison – Wenn keiner will, warum nicht Ahlen?

Insgesamt zehn Teams belegten im Laufe der Saison einen der beiden Aufstiegsplätze, darunter sogar der HSV, der am Ende keinen Qualifikationsrang für die dritte Liga erreichte. 13-mal wechselte dabei der Tabellenführer. Erst im letzten Drittel der Saison wurde der erste Platz zuerst von Oberhausen und schließlich von Rot-Weiß Ahlen belegt, die beide schließlich auch den Aufstieg schafften.

Während der ganzen Spielzeit rangelten sich die ersten zehn Teams der Liga um den Zweitligaaufstieg. Doch die durchwachsenen Leistungen ließen nie einen klaren Favoriten erkennen. Einige der Mannschaften kämpften gleichzeitig um den Zweitligaaufstieg und gegen den Abstieg in die Viertklassigkeit. Man hatte den Eindruck, dass niemand so recht wollte oder konnte.

In der zweiten Hälfte der Hinrunde tummelte sich sogar RWE unter diesen ambitionierten Teams, ohne aber ernsthaften Anspruch auf die Tabellenspitze zu erheben. Wie in den beiden Aufstiegsspielzeiten zuvor (2003/04 und 2005/06) lagen unsere Rot-Weißen hinter den Aufstiegsplätzen zurück, mit Platz sieben optisch sogar deutlicher. Aber der Rückstand von drei Punkten war geringer als in den beiden glücklichen Aufstiegsjahren. Deswegen bestand zu diesem Zeitpunkt Hoffnung, es doch noch einmal in die zweite Liga schaffen zu können, zumal man das Beispiel des FC St. Pauli aus dem Vorjahr vor Augen hatte, der die Tabelle von hinten aufrollte.

Es kam anders. „Wenn ihr alle nicht wollt“, fragte sich Rot-Weiß Ahlen, „warum dann nicht wir?“ Im Winter noch nicht einmal für die dritte Liga qualifiziert, marschierte man schnurstracks durch die Tabelle und setzte sich in den letzten neun Wochen dort oben fest. Verdient, meint der Statistiker, denn diesen Platz beanspruchte Ahlen zuletzt eindrucksvoll mit hohen Siegen und 73 erzielten Treffern.

Der Saisonverlauf des zweiten Aufsteigers war anfangs durchwachsener. Aber Oberhausen trumpfte immer stark auf, so dass am Ende deutlich wird, der 4-1 Auftaktsieg bei RWE war keine Überraschung, sondern eine Duftmarke die den ganzen Saisonverlauf prägen sollte und dessen Ende schon vorab zeichnete. Glückwunsch, RWO!


Die Liga – Eine Oper voller Phantome

Bekanntlich hat das Phantom der Oper im Musical zwei Gesichtshälften, eine ansehnliche und eine entstellte, von einer Maske verborgen. Der Statistiker macht sich auf die Suche nach Doppelgesichtigkeit in der Liga und wird fündig.

Doch auf den ersten Blick ist alles klar und eindeutig. Die Weichen schienen schon am Ende der Hinrunde im Wesentlichen gestellt. Acht der ersten zehn Teams der Abschlusstabelle befanden sich bereits im Herbst in dieser Tabellenregion. Die beiden Ausnahmen: Rot-Weiß Ahlen und Eintracht Braunschweig. Kurios, dass die Löwen nur an einem einzigen von 38 Spieltagen einen Qualifikationsrang für die dritte Liga belegten – am letzten. Dafür verabschiedeten sich aus der Herbstkonstellation der neuen eingleisigen Liga Borussia Dortmund und … Rot-Weiss Essen.

Wo sind da die Phantome? Bei genauerem Hinsehen entdeckt man sie, wenn man unterschiedliche Tabellen miteinander vergleicht. Als erstes ist hier Rot-Weiß Ahlen zu nennen. Die Hinrunde schlossen sie mit 27 Punkten auf Rang 11, allerdings nur fünf Punkte hinter Platz eins, ab. Die Rückrundentabelle führen sie mit 40 Punkten und einem souveränem Vorsprung vor dem Zweiten Rot-Weiß Oberhausen an, was ihnen in der Summe auch die Meisterschaft brachte.

Addiert man beide Ranglisten nicht zur Saisonabschlusstabelle, sondern arbeitet sie vergleichend ineinander, dann entdeckt man noch andere doppelgesichtige Teams. Wir fragen, in welchem Maße die Mannschaften in der Rückrunde ihre eigene Punktausbeute aus der Vorrunde verbesserten oder verschlechterten. Siehe da, an der Spitze dieser Übersicht taucht Energie Cottbus auf. Sie verbesserten ihre Hinrundenbilanz um ganze 17 Punkte. Das klingt in ihrem Fall einfach, weil sie im Herbst wenige Punkte hatten. Und doch … waren es nicht die Cottbusser, die in der Rückrunde stark auftraten und so manchem ambitionierten Club eine schallende Ohrfeige verpassten? Erst RWE wagte es, in der Lausitz auch zurück zu schlagen. Verfolgt werden die Cottbusser von Eintracht Braunschweig (15 Punkte Bilanzverbesserung), Ahlen (13) und Magdeburg (7). Am Ende dieser Tabelle stehen auf Platz 16 RWE (-7 Punkte), verfolgt vom HSV (-9), von Kickers Emden (-10) und Borussia Dortmund (-12).

Fast alle Mannschaften liefen mit zwei unterschiedlichen Halbzeitgesichtern durch die Spielzeit. Kurios, dass den meisten von ihnen in der zweiten Halbzeit die Luft ausging. Nur sechs Teams holten nach dem Pausentee gegenüber den ersten 45 Minuten ein positives Ergebnis heraus. Die Kellerkinder sogar am effektivsten: Babelsberg und Wolfsburg (je +14), Dortmund (+12); Ahlen (+4), Verl (+2), Oberhausen (+1). RWE (-5) ging es dabei gar nicht so schlecht. Und doch ein Indiz dafür, wo und wann mal wieder der Klassenerhalt vergeigt wurde. Am Spielende. Die meisten Essener Gegentore (15) fielen in der letzten Viertelstunde. Das Ende dieser Tabelle zieren Kickers Emden (-12) und Eintracht Braunschweig (-13). Warum musste der BTSV ausgerechnet gegen RWE eine Ausnahme seines Trends machen?

Heimvorteil, wo bist du? Dass Mannschaften mit Zuschauerunterstützung und auf gewohntem Terrain stärker sind, als in der Fremde, ist seit jeher die Regel, und es wundert nicht, dass die Punktestände bei allen Teams Differenzen aufweisen. Interessant wird es erst, wenn Mannschaften auswärts stärker sind, als daheim. Es sind nur vier, denen dieses Kunststück gelang. Union Berlin sammelte in der Fremde vier Punkte mehr als daheim, Babelsberg und Verl je zwei. Und wer ist der Vierte im Bunde? … Na, wer schon?! Rot-Weiss Essen – auswärts 26, zuhause 25 Punkte. Darüber wird später noch zu sprechen sein.


Die Fairness – Gute (erfolgreiche) Teams foulen nicht!

Diese Behauptung stellt der Statistiker schon seit Jahren auf. Eindeutig beweisen kann er sie auch diesmal nicht. Doch das Schatzkästchen gesammelter Daten liefert Anhaltspunkte, die diese These unterstreichen.

Fairste Mannschaft mit 70 „Unfairnesspunkten“ (1 Punkt für Gelb, 3 Punkte für Gelbrot und 5 Punkte für Rot) ist der Aufsteiger Rot-Weiß Oberhausen. Auch Meister Ahlen ist mit 78 Punkten auf Platz fünf eine sehr faire Mannschaft. Am Tabellenende befinden unter anderen der VfL Wolfsburg (119) und SV Babelsberg 03 (107).

Dass der Ligadritte Fortuna Düsseldorf (110 Punkte), Rot-Weiß Erfurt (112) und der Wuppertaler SV (103) zu den Tretertruppen gehören, scheint die These zu widerlegen. Doch langsam! Wir müssen aufpassen, in die Zahlen nicht hinein zu interpretieren, was man herauslesen will. Aber am Beispiel der Düsseldorfer und auch der Wuppertaler ist zu sehen, dass der gute Tabellenplatz nicht unbedingt auch von einer guten Mannschaft zeugt. Die Leistungen beider Teams waren doch im Saisonverlauf sehr schwankend und unstabil. Krampfhaften Siegen mit Würgecharakter folgten deftige Schlappen. Nein, zu Oberhausen und Ahlen ist bei diesen beiden Mannschaften schon ein Qualitätsunterschied auszumachen.
Eine dritte Beobachtung zur Bestätigung unsrer These liefert unser Verein. Die Essener führten die Fairplaytabelle in der ersten Saisonhälfte lange Zeit an. Als mit Beginn der Rückrunde der Erfolg ausblieb, sanken auch hier die Jungs von der Hafenstraße langsam immer tiefer. Mit 86 Strafpunkten belegen sie Platz acht – nicht sonderlich unfair, nein! Und doch auch ein Hinweis zur Unterstützung der These.

Wie entsteht Unfairness? Es könnte ja sein, dass die Spielweise des Gegners die eigene Unfairness provoziert. Nein, das tut sie nicht. In sehr vielen Fällen hatten die unfairen Mannschaften faire Gegner und faire Mannschaften mussten sich mit unfairen messen. In anderen Fällen ist das Verhältnis ausgeglichen. Auffallend hohes Treterniveau hatten die Partien gegen die Kloppertruppen von Wuppertal und Erfurt. Bei ihnen langten auch die Gegner ordentlich hin.

Heimvorteil, wo bist du? Suchen wir doch auch in diesem Themenblock nach ihm! Und tatsächlich, in der Regel spielte die Liga zuhause fairer als auswärts. Lediglich vier Teams ließen sich daheim nicht lumpen: VfB Lübeck, Borussia Dortmund, RW Ahlen und … na, wer wohl? Rot-Weiss Essen!

Zum Thema Fairness gehören auch die ausgestellten Quittungen für angewandte Unfairness – die Elfmeter. 76-mal zeigten die Unparteiischen auf den ominösen Punkt. 55 (72,3%) wurden verwandelt, 21 (27,7%) versemmelt. Auffällig: Die Gastgeber bekamen 46 Elfer zugesprochen, die Gäste nur 30.


Das Team – Eine Gratwanderung auf dem Weg zur statistischen Objektivität.

Errechnen wir die Durchschnittsnote des Teams aus den Spielerbenotungen der Printmedien über die ganze Spielzeit hinweg, erhalten wir den Wert 3,45. Das ist besser als im Zweitligaabstiegsjahr 2007 (3,55) und auch besser als im Aufstiegsjahr 2006 (3,46). Doch dieser Notenwert ist relativ und sagt nicht viel aus. Denn über einen langen Zeitraum hinweg werden sich die Noten immer irgendwie auf das statistische Mittel von 3,5 einpendeln. Da können dann zwischen supergut (3,4) und katastrophal (3,6) Welten liegen. Man mache die Probe aufs Exempel! Wenn man oft genug würfelt und den Mittelwert der geworfenen Augen zwischen eins und sechs errechnet, wird man – je länger je näher – den Wert 3,5 erhalten. Viel besser kann eine Teambenotung auch gar nicht ausfallen, denn dazu müssten alle Spieler die Note „gut“ erhalten und das in möglichst vielen Spielen. Relativierend kommt hinzu, dass diesmal die Spielernoten der jawattdenn.de Redaktion in die Bewertung einbezogen wurden. Die haben immer einen etwas subjektiven Charakter, obwohl wir die Objektivität dadurch herstellen wollten, dass wir den Durchschnittswert der Redaktionsmitglieder ermittelten. Aber man sieht seine eigene Mannschaft doch immer mit einem wohlwollenderen Auge als die vermeintlich objektiven Printmedien.

Vielleicht erhalten wir einen konkreteren Einblick, wenn wir auf die Noten der einzelnen Spieler schauen. Siehe da, auch das ist relativ. Stefan Lorenz z.B. erhielt in den wenigen absolvierten Spielen durchweg gute Noten. Deswegen könnten wir ihn aber nicht guten Gewissens als Spieler der Saison auf den Sockel heben.

Wen dann? Die Antwort fällt uns in diesem Jahr recht schwer. Unser Bewertungssystem nach Leistungspunkten, bei dem die Spielernoten in ein vergleichbares Punktsystem umgewandelt werden, erlaubt die Bewertung über die ganze Saison hinweg. Darin kommen natürlich Spieler besser weg, die häufiger gespielt haben. Die Tabelle wird in von Daniel Masuch angeführt, der die meisten Einsätze hatte und darin durchweg gute Noten erhielt. Ihm auf den Fersen ist Rolf-Christel Guié-Mien.

Der Kongolese überzeugte auch in anderen Übersichten. Er ist unser Torschützenkönig und sammelte die meisten Scorerpunkte. Er spielte ziemlich fair und erhielt nur drei gelbe Karten. In acht Spielen wurde der von den Redaktionsmitgliedern zum Spieler des Spiels gewählt und dreimal war er Spieler des Monats aufgrund der erzielten Leistungspunkte im jeweiligen Zeitraum.

Lassen wir doch die beiden einfach gleichwertig nebeneinander stehen, danken Daniel Masuch für seine Konstanz auf hohem Niveau und Rolf-Christel Guié-Mien für das Feuer, das er entfachte.


Die Zuschauer – Mitschuldig am Abstieg?

Nun, das wollen wir nicht allen Ernstes behaupten. Aber unsere gesammelten Zahlen enthalten Beobachtungen, die nachdenklich machen. Doch holen wir zunächst etwas weiter aus!

1.856.867 Zuschauer besuchten die 342 Spiele. Das sind im Schnitt 5.429. Für eine dritte Liga ist das ganz beachtlich. Vor 20 Jahren träumten noch die meisten Zweitligisten von solchen Zahlen. Allerdings – die Spanne ist groß. Zwischen dem Besuch in Braunschweig (14.886) und dem in Bremen (662) liegen Welten. Auswärts ist die Spanne nicht so groß. Auch diese Übersicht führt Braunschweig an mit 7.395 Besuchern pro Spiel. Am Tabellenende liegen die Cottbusser mit 3.927 Zuschauern.

Fangen wir doch gleich mit dem Positiven an! RWE gilt in der Fremde noch etwas. 7.323 Fans bedeuten Platz zwei in der Auswärtstabelle. Viermal waren unsere Jungs als Gast am Besucherrekord beim Gastgeber beteiligt, so häufig wie kein anderer Verein – in Bremen, in Dortmund, in Emden und in Düsseldorf. Dass es nicht noch mehr wurden, lag am spannenden Saisonfinale, z.B. mit der Partie der Erfurter in Oberhausen.

Nebenbei – Mannschaften mit schlechtem Zuschauerzuspruch in Heimspielen waren auch Auswärts nicht die Renner. Als Gast am Minusrekord der jeweiligen Gastgeber beteiligt waren RW Ahlen (4x), SC Verl (4x), Energie Cottbus (3x), VfL Wolfsburg, Hamburger SV, Werder Bremen und SV Babelsberg (je 2x).

Doch zurück zum RWE! An der guten Saisonbilanz hatte die Hafenstraße diesmal nicht in dem Maße Anteil, wie in vergangenen Spielzeiten. Die 10.000-Zuschauer-Marke wurde nur wegen der Partie gegen VfB Lübeck am letzten Spieltag übersprungen und bedeutet eine der schlechtesten Bilanzen der letzten Jahre. Platz vier hinter Braunschweig, Düsseldorf und Magdeburg. Die Fans standen nicht mehr bedingungslos hinter ihrer Mannschaft. Im Wetterbericht unterscheidet man zwischen gefühlten und gemessenen Temperaturen.

Nimmt man die Stimmung seit Saisonbeginn wahr, die sich z.B. in den verbalen Äußerungen des Forums wiederspiegelt, aber auch in den Kommentaren auf den Rängen oder an den Stammtischen, dann hat man den Eindruck, die Hafenstraße ist nicht mehr das, was sie mal war. Sachlich berechtigte und konstruktive Kritik ist eine Sache. Fans aber stehen, nachdem sie sie äußerten, bedingungslos hinter dem Team und tun ihrerseits alles für einen möglichen Erfolg. So ist das normal, aber in Essen nicht mehr.

Doch das sind nur gefühlte „Temperaturen“. Was messen die Zahlen? Da steht zunächst der schlechte Schnitt im Raum. All diese Beobachtungen müssen mit anderen statistischen Daten in Verbindung gebracht werden. Warum war RWE in der Fremde erfolgreicher als daheim? Warum belegt RWE in der Auswärtszuschauertabelle eine bessere Platzierung als zuhause? Warum spielte RWE an der Hafenstraße unfairer als auf gegnerischen Plätzen? Und … warum spielte Essen überall in Deutschland besser als in Bergeborbeck?

Ihr glaubt es nicht? Tatsächlich ist es so. Bringt man die Durchschnittsnoten jedes einzelnen Spieles in die richtige Reihenfolge, nummeriert diese Tabelle vom bestbenoteten Spiel bis zum schlechtesten und addiert dann die Nummerierung der Heim- und der Auswärtsspiele, dann hat man den Beweis. 298:368 ist das Verhältnis – die Auswärtsspiele sind um 70 Tabellenplätze besser bewertet worden.

Also sind die Fans vielleicht mitschuldig am Abstieg? Nach wie vor behaupten wir das nicht. Doch die statistischen Indizien bedeuten ja irgend etwas. Man kann fragen, was zuerst war, das Huhn oder das Ei. War die Zuschauerentwicklung eine Reaktion auf das Spiel der Mannschaft oder lief die Mannschaft von vornehereiin gegen die Mauer mangelnder Akzeptanz? Wir stellen diese Überlegung in den Raum als Anregung, ernsthaft über das eigene Verhalten und die Qualität seiner Unterstützung nachzudenken.


Ausblick

Statistiker sammeln Fakten. Ausblicke zu geben und Prognosen zu erstellen, ist in diesem Zusammenhang sehr zweifelhaft. Doch im Blick auf die neue Regionalliga und ihre Zusammensetzung können wir sicher erwarten, dass RWE Zuschauerkrösus wird, dass die Besucherzahlen an der Hafenstraße unter 10.000 liegen, und dass RWE fast bei allen Auswärtsspielen als Gast den Besucherrekord des Gastgebers verursacht.

Wie hört sich das jetzt an, was Rolf Hempelmann im Vorwort der „kurzen fuffzehn“ schrieb? „Freuen wir uns auf die neue Spielzeit!“



(Klaus Schroer)