Die Liga:
Zwischen dem direkten Wiederaufstieg und der Viertklassigkeit
liegt in dieser Saison ein nur sehr schmaler Grat.
Oder anders ausgedrückt: nur neun Tabellenplätze.
Schon in der Vorsaison waren mit Düsseldorf und
Ahlen zwei Mannschaften, die Wochen zuvor noch im
Aufstiegskampf mitmischten, am Ende nur knapp dem
Abstieg entronnen. In diesem Jahr wird in einer ausgeglichenen
Liga der Überlebenskampf noch größer,
denn ab Platz 11 abwärts wird man nun den "Supergau"
miterleben dürfen. Als Tabellensechster wird
man in der Rückrunde vielleicht ein Aufstiegskandidat
sein, bei dem das Abstiegsgespenst spukt.
Vieles wird mehr denn je von einem gelungenen Saisonstart
abhängen, und hierfür stehen aus Essener
Sicht nicht alle Zeichen günstig:
Einmal mehr erhielt die Mannschaft ein nahezu komplett
neues Gesicht. Die in Bonans System ungemein wichtige
Position des Mittelstürmers konnte erst kurz
vor Saisonstart besetzt werden; zudem verpasste Stefan
Lorenz verletzungsbedingt einen Großteil der
Vorbereitung und wird im Auftaktspiel höchstwahrscheinlich
fehlen. Abstimmungsschwierigkeiten in dieser bislang
kaum eingespielten Mannschaft werden deshalb zu Beginn
kaum zu vermeiden sein.
Der neue Kader:
Nach dem Abstieg vor zwei Jahren verpflichtete die
Sportliche Leitung einen „Kracher“ nach
dem anderen. Im Sturm versprachen die „Regiobomber“
Boskovic und Löbe viele Tore, im Mittelfeld die
torgefährlichen und technisch versierten Haeldermans,
Bilgin und Wehlage viel Kreativität und im Abwehrverbund
die zweitligaerfahrenen Bemben, Nikol und Thorwart
große Stabilität – und sie erfüllten
die Erwartungen.
Im Gegensatz dazu lässt sich die Qualität
vieler Spieler in dieser Saison im Vorfeld nicht so
leicht einschätzen. Entweder, weil RWE die erste
Deutschlandstation ist (Sereinig, Lindbaek), weil
sie selten höher als Oberliga spielten (Wagner,
Czyszczon, Said, Uzun) oder weil sie in den letzten
beiden Jahren nur auf überschaubare Einsatzzahlen
kamen (Kazior, Brandy, Schäfer). Es wurde verstärkt
auf jüngere Spieler gesetzt, vermutlich auch
deshalb, weil der Mannschaftsetat etwas knapper ausfällt
als vor zwei Jahren. Insgesamt scheint man trotzdem
eine gelungene Mischung aus vielen jungen Spielern
und einigen „alten Hasen“ gefunden zu haben,
die erfrischenden Offensivfußball spielen soll,
bei der man aber aufgrund ihres Durchschnittsalters
auch auf Leistungsschwanken eingestellt sein muss.
Die Situation nach der Vorbereitung:
Alle Positionen sind doppelt besetzt, qualitativ werden
auf diversen Positionen aber schon einige Unterschiede
sichtbar. So hat sich bereits zwei Wochen vor Saisonbeginn
eine Mannschaft herauskristallisiert, die Bonans 3-4-3-System
offensiv und erfolgreich umsetzen soll. In der Verteidigung
hat „Mr. Zuverlässig“ Stefan Lorenz
als Kapitän einen Stammplatz wohl sicher, sofern
er fit ist. Sereinig ist ebenfalls als Führungsspieler
vorgesehen, er muss sich nach einer sehr durchwachsenen
Vorbereitung allerdings noch deutlich steigern. Um
die dritte Position auf der linken Abwehrseite kämpfen
Schäfer (Vorteil: Linksfuß) und Czyszczon
(Vorteil: spielte eine stärkere Vorbereitung
als Schäfer).
Im Mittelfeld wird am wiedererstarkten Haeldermans
kein Weg vorbeiführen. Dem jungen Brandy könnte
eine mittelmäßige Vorbereitung reichen,
um den letztjährigen Köstnerliebling Kiskanc,
der zur Zeit völlig enttäuscht, zu verdrängen.
Auf der rechten Außenbahn hat der schnelle Erfen
Vorteile gegenüber dem eher behäbigen Kotula,
von dem man sich sicherlich mehr Impulse versprochen
hat. Interessant und offen ist noch das Rennen um
die Position im zentral defensiven Mittelfeld neben
Haeldermans. Gorschlüter, Klinger und M. Lorenz
kämpfen um diesen Platz; nicht nur aufgrund seiner
Tore scheint Mario Klinger zur Zeit knapp die Nase
vorn zu haben.
Im Sturm ruhen alle Hoffnungen (und vor allem Erwartungen)
auf dem Norweger Lindbeak – er muss die Bälle
verwandeln, die er unter anderem von Güvenisik
oder Guie-Mien aufgelegt bekommt. Sowohl Güvenisik
als auch Guie-Mien überzeugten in der Vorbereitung
durch Laufbereitschaft und technische Fähigkeiten;
echte Goalgetter sind sie jedoch nicht. Der erst spät
verpflichtete Kazior wird vermutlich den Saisonstart
von der Bank aus erleben. Als Ersatz für Lindbaek
ist Wagner vorgesehen, der in den Vorbereitungsspielen
andeutete, trotz des großen Sprungs aus der
Verbands- in die Regionalliga nicht überfordert
zu sein. Wunderdinge darf man von ihm jedoch noch
nicht erwarten.
Vielleicht bis zum ersten Spieltag offen bleibt die
Frage nach der Nummer 1. Pirson und Masuch liefern
sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, hier hat Bonan auch
qualitativ die Qual der Wahl zwischen zwei überdurchschnittlichen
Regionalligatorhütern.
Fazit und Prognose:
Nur wenn der Saisonstart gelingt, zentrale Spieler
wie Haeldermans, Lindbaek und Sereinig die in sie
gesetzten Erwartungen voll erfüllen und einige
„Jungspunde“ wie Klinger oder Brandy konstant
gute Leistungen abrufen können, ist der direkte
Wiederaufstieg möglich. Gehen die ersten drei
Saisonspiele in die Hose, halte ich auch eine Zittersaison
nicht für ausgeschlossen, da das gesamte Umfeld
entsprechend nervös reagieren würde. Am
wahrscheinlichsten ist jedoch aus meiner Sicht das
sichere Erreichen der neuen Dritten Liga.