Wundertüte

Die kompletten Umbrüche der Mannschaft häufen sich, und so hat RWE einmal mehr nahezu den gesamten Kader ausgewechselt. Eine Saisonprognose fällt schwer, da die Mannschaft nun aus so genannten „Namenlosen“ zusammengesetzt wurde, aber Tendenzen sind zu erkennen.

Der Etat entspricht ziemlich genau dem von der Regionalligasaison 2005/2006, in der Olaf Janßen zahlreiche erfahrene Kräfte aus Erster und Zweiter Liga präsentierte. Nun repräsentieren junge Spieler, die aus Regionalliga bis hin zur Verbandsliga geholt wurden, den Verein. Dass der Kader deswegen nicht schlechter sein muss, liegt auf der Hand. Mit Mario Klinger, Sören Pirson und Tim Erfen wurden hochtalentierte Spieler verpflichtet, denen vorausgesagt wird, dass sie irgendwann auch in der Bundesliga ihr Geld verdienen werden. Mit Sercan Güvenisik wurde darüber hinaus ein erfahrener und spielstarker Stürmer geholt, der in Münster gezeigt hat, dass er auch ein Torjäger ist. Für Kazior und Guié-Mien ist RWE die letzte Möglichkeit. Es bleibt zu hoffen, dass sie versuchen wollen, diese zu nutzen.

Wenn man das Team systematisch betrachtet, trifft man zuerst auf die Torwartposition. Hier ist Essen mit Daniel Masuch und Sören Pirson sehr gut besetzt. Pirson war Ersatztorwart in der Bundesligamannschaft von Borussia Dortmund und Publikumsliebling bei den Amateuren des BVB. Daniel Masuch hat vor zwei Jahren nicht zuletzt in den Spielen gegen RWE gezeigt, dass er mindestens regionalligatauglich ist.

Die Abwehr wird wahrscheinlich - wie im letzten Jahr - das Prunkstück der Mannschaft. Stefan Lorenz erfüllt seinen Vertrag in Essen und erhielt die Kapitänsbinde. Für den wechselwilligen Hysky wurde Daniel Sereinig von Schaffhausen nach Essen transferiert. Sereinig ist ein etablierter Verteidiger, der eine Kette lenken kann. Die jungen Spieler Czysczon, Andersen und der nicht mehr ganz so junge Stankiewicz sollen darüber hinaus robuste Abwehrspieler sein.

Auch im Mittelfeld erblickt der Fan alte bekannte. Michael Lorenz verlängerte seinen Vertrag, und auch Stijn Haeldermans wird ein weiteres Jahr an der Hafenstraße spielen. Gerade der Belgier wird besonders beobachtet werden, da er von Coach Köstner praktisch aussortiert wurde und nun zeigen muss, dass er dem Verein weiterhelfen möchte. Ein Haeldermans in Bestform wäre für den Verein ein Glücksfall. Ferhat Kiskanc bekommt darüber hinaus seine Chance zu zeigen, dass er konstanter spielen kann als in der Zweiten Liga, in der sich gute und schwache Spiele ständig abwechselten. Moritz Stoppelkamp kehrt aus Erfurt zurück, und auch Michael Harrer, der im letzten Jahr durch seine schwere Verletzung nicht zum Zug kam, wird angreifen. Neu hinzu kommen die erfahrenen Spieler Schäfer und Kotula, die bereits bei vielen Stationen gute Leistungen zeigten. Darüber hinaus wurden auch hier junge Spieler verpflichtet, denen großes Talent nachgesagt wird. Erfen, Klinger und Brandy sollen bei RWE reifen. Tim Gorschlüter ist das große Fragezeichen. Seine erste Saison bei RWE wird heiß diskutiert. Dabei gehen die Meinungen sehr weit auseinander. Es gibt Leute, die ihm starke Technik bescheinigen, dagegen aber auch viele Fans, die ihm alles fußballerische Können absprechen. Er wird durch Leistung überzeugen müssen.

Auch im Sturm können Parallelen zur Vorsaison gezogen werden. Es scheint, als klebe RWE bei der Offensivabteilung das Pech an den Füßen. Der Vertrag mit Löbe wurde von Vereinsseite aus gelöst. Der neuverpflichtete Jensen merkte drei Tage nach der Unterschrift, dass er doch nicht ins Ruhrgebiet ziehen wollte. Güvenisik und Guié-Mien verstärken die Außenpositionen, und mit Vincent Wagner wurde ein starker Stürmer aus der Verbandsliga verpflichtet. Da es Özbek und Calik in die Türkei zog, wurden Uzun und Said in die erste Mannschaft berufen und sollen vorsichtig an die Regionalliga herangeführt werden. Schließlich wurden kurz vor Saisonbeginn Kazior und Lindbaek verpflichtet. Während Kazior offensiv überall eingesetzt werden kann, ist Lindbaek der klassische Mittelstürmer. Von ihm wird erwartet, den abgewanderten Boskovic zu ersetzen, der in 56 Spielen 21 Mal traf.

Obwohl die Mannschaft schwer einzuschätzen ist, sollte sie die Qualifikation zur Dritten Liga schaffen. Erfahrene und junge Spieler sind auf dem Papier in einer guten Mischung vereinigt worden, und die Fans können sich nach zwei Jahren wenig attraktiven Fußballs auf offensive Partien ihrer Mannschaft freuen. Die Testspiele verlaufen zufriedenstellend, und das erste Spiel der Saison rückt immer näher. Trotz des Abstiegs zeigen die Zuschauer plötzlich ein großes Interesse am Verein, was der zahlenmäßig größte Besuch eines Auftakttrainings und der gut anlaufende Dauerkartenverkauf (Stand: 2.500 Tickets) belegen. Die Hütte wird voll sein, wenn es wieder los geht. Sollte direkt zu Beginn ein Sieg gelandet werden, spielt die junge Truppe sich schnell in die Herzen der gebeutelten Zuschauer.


Hendrik Stürznickel