Klassischer Fehlstart
Davon, dass in der kommenden Saison in Essen wieder
einmal nur magere Regionalliga-Kost serviert werden
würde, war vor dem Anpfiff zum Spiel gegen RWO
am ersten Spieltag der Saison nicht viel zu merken.
Über 15.000 Zuschauer strömten zur Hafenstraße,
ausserdem hatte man gegen Rot-Weiß Oberhausen
vor gar nicht all zu langer Zeit noch in der Zweiten
Bundesliga gespielt. Und auch wenn Begegnungen gegen
Nachbarn wie Bochum, Duisburg oder sogar Wuppertal,
von Dortmund oder Schalke mal ganz zu schweigen, sicherlich
reizvoller als Spiele gegen die Oberhausener sind,
so ist RWE-RWO doch ein traditionsreiches Revierderby.
Obwohl mit Stefan Lorenz und Stijn Haeldermans die
zwei vermeintlich besten Rot-Weissen Spieler verletzungsbedingt
fehlten und Sturm-Hoffnungsträger Lindbaek wegen
Trainingsrückstandes nichtmals im Kader stand,
herrschte im Essener Lager doch wieder so etwas wie
Zweitliga-Stimmung vor.
Das sollte sich nach dem Abpfiff geändert haben.
Schaute man jetzt in die Gesichter auf den Rängen,
sah das eher nach Depression als nach Freude auf die
restlichen Spieltage der Saison aus.
Die RWO-Fans dürften hingegen bis zum Rückspiel
auf Wolke Sieben schweben.
Sie konnten mitansehen, wie ihre Mannschaft ihr persönliches
Schalke bis auf die Knochen blamieren konnte. Doch
was war in den 90 Minuten passiert?
Nach eher durchwachsenem Spielbeginn begannen die
echten Rot-Weissen langsam die Kontrolle zu übernehmen.
Aus dem defensiven Mittelfeld angetrieben rollten
endlich vermehrt Angriffe Richtung Gästetor.
Doch leider blieb es bei der groben Richtung, klare
Torchancen wurden nicht erspielt. So war es auch wenig
verwunderlich, dass Rückkehrer Tim Gorschlüter
mit einem Distanzschuss die bis dahin beste Möglichkeit
des Spiels hatte.
Eine weitere gute Torgelegenheit ergab sich erst nach
einer halben Stunde, als Rolf-Christel Guie-Mien ca.
20m vor dem Oberhausener Tor an den Ball kam, an den
gegnerischen Verteidigern vorbeizog und wenig später
doch recht resolut vom Gästetorwart Christoph
Semmler im Strafraum zu Fall gebracht wurde.
Der Elfmeterpfiff des wie immer viel zu kleinlichen
und sich mit großen Gesten selbst produzierenden
Peter
Gagelmann blieb jedoch aus und Guie-Mien musste erst
einmal behandelt werden. Bis dahin präsentierte
sich der Deutsch-Kongolese lauffreudig und anspielbereit
und versuchte, das Spiel mit seinen genauen Pässen
zu lenken. Doch diese Pässe gingen meistens in
die Breite und nicht in die Tiefe, so dass auch sie
keine Torgefahr erzeugen konnten. Zwar konnte Guie-Mien
nach einigen Minuten weiterspielen, doch das Foul
an ihm sollte trotzdem so etwas wie der Wendepunkt
des Spiels werden.
Kurz nach der Szene in ihrem Strafraum konnten die
Oberhausener den Ball im Mittelfeld erobern und mit
einem langen Pass ihren Mittelstürmer Lüttmann
auf dem linken Flügel einsetzen. Dieser konnte
ungestört auf den Markus Kaya flanken, der zum
überraschenden 0:1 einschob. Dieses Tor zeigte
erstmals die Probleme in der Essener Defensive auf.
Auf der rechten Essener Abwehrseite war Lüttmann
völlig frei und hatte alle Zeit der Welt, sich
umzusehen und den in den Strafraum laufenden und von
Sereinig und Lorenz unbehelligten Kaya punktgenau
anzuspielen. Der einrückende Brandy versuchte
zwar noch zu retten, kam aber deutlich zu spät.
So ging es für die neuformierte Essener Mannschaft
trotz durchaus ordentlicher Ansätze mit einem
Rückstand in die erste Halbzeitpause der Saison.
Der Beginn der zweiten Hälfte ähnelte dann
weiten Teilen der Ersten. RWE ließ in Ballbesitz
den Ball gut durchs Mittelfeld laufen und schien RWO
im Griff zu haben, doch zwingende Gelegenheiten wurden
nicht erspielt. Die langen Bälle der Oberhausener
Hintermannschaft wurden immer planloser und unsicherer,
doch auch hieraus konnte RWE kein Kapital schlagen.
Auch durch Standardsituationen entstand wenig Torgefahr,
obwohl es vermehrt Eckbälle und Freistöße
aus guter Position gegeben hatte.
Und
so kam es wie es kommen musste: RWO nutzte einmal
den sich bietenden Platz zum Kontern und kam über
links Richtung Strafraum. Wer dachte, Kaya wäre
beim 0:1 schon so frei wie möglich gewesen, wurde
eines besseren belehrt: Die Essener orientierten sich
am ballführenden Spieler und vergaßen dabei
Lüttmann, so dass dieser nur angespielt werden
musste und alle Zeit der Welt hatte, den Ball an Pirson
vorbei zu schieben.
Kurz darauf kam es zum – sieht man einmal von
einem Schüsschen von Terranova zu Anfang des
Spiels ab – dritten ernstzunehmenden Konter der
Gäste, der erst durch ein Foul kurz vor dem Strafraum
gestoppt werden konnte. Den fälligen Freistoß
verwandelte David Müller, und der Super-Gau zum
Saisonstart war perfekt.
Die Essener Defensive drohte nun völlig auseinander
zu fallen. Sekunden nach dem Tor verhinderte nur die
Latte das vierte Gegentor durch einen Lüttmann-Kopfball.
Zu diesem Zeitpunkt begannen viele Zuschauer enttäuscht
das Stadion zu verlassen. Sie verpassten wie der in
den Sturm beorderte Michael Lorenz den Platzhirschen
Vincent Wagner und Rafael Kazior zeigte, wie diese
ihre Arbeit zu machen hätten. Einen Ball in den
RWO-Sechzehner konnte er im Fallen durchaus sehenswert
im Tor unterbringen und auf 1:3 verkürzen.
Der Schlusspunkt des Spiels war das aber noch nicht.
Ein weiterer Angriff der Gäste wurde dieses mal
im Strafraum durch einen ungeschickten Rempler von
Pirson gestoppt, und ausgerechnet der Ex-Essener Kaya
verwandelte vom Elfmeterpunkt mit seinem zweiten Tor
zum Endstand von 1:4.
Für RWO ein Traumstart in die neue Saison, für
RWE eine Debakel.
Sicherlich war der Oberhausener Sieg – vor allem
in dieser Höhe – nicht all zu verdient.
Aber er zeigte die Schwächen von Heiko Bonans
Mannschaft doch in aller Deutlichkeit auf. Die Abwehr
wackelt, und vor allem
vom als Abwehrchef verpflichteten Daniel Sereinig
muss man mehr erwarten. Aber auch Czyszczon und Lorenz
können sich mit einem Video des 0:1 durchaus
für eine führende Rolle im Hühnerstall
bewerben.
Probleme gibt es aber nicht nur in der Hintermannschaft:
In der Offensive fehlt der letzte Pass bzw. das letzte
Dribbling, weswegen sich kaum klare Torchancen für
RWE ergaben. Auf der Position im Sturm scheint Vincent
Wagner den Anforderungen der Regionalliga noch nicht
gewachsen, Rafael Kazior ist kein Mittelstürmer
und Andre Schei Lindbaek hat nach Aussagen von Heiko
Bonan noch gewaltigen Trainingsrückstand.
Alles in allem war das Spiel gegen Oberhausen ein
ernüchternder Auftritt des neuen Teams, das eigentlich
vom ersten Spieltag an das nicht immer einfache Publikum
an der Hafenstraße auf seine Seite ziehen wollte.
Im Liga-Alltag reichen gute Ansätze, die es sicherlich
- vor allem von Gorschlüter, Brandy, Erfen und
Guie-Mien – gab, nichtmals gegen einen Abstiegskandidaten,
vor allem wenn sie mit so eklatant aufgetretenen Schwächen
einhergehen. Das hat die Partie gegen Oberhausen gezeigt.
Im Pokal gegen Cottbus und in der Woche darauf beim
Auswärtsspiel in Düsseldorf wird die Mannschaft
aber noch stärker als gegen RWO gefordert werden.
Vielleicht liegt gerade in der Schwierigkeit dieser
Aufgaben die Chance zur Wiedergutmachung. Eine gute
Leistung gegen Cottbus und ein Sieg in Düsseldorf
würden das Debakel gegen RWO sicherlich erst
einmal vergessen machen.
Doch bevor es dazu kommen kann, liegt noch eine ganze
Menge Arbeit vor der Mannschaft und dem Trainerteam…
(hh)
.
|
Rot-Weiss Essen
Pirson – M. Lorenz, Sereinig, Czyszczon –
Erfen, Gorschlüter, Klinger (77. Stoppelkamp),
Brandy – Güvenisik (70. Kotula), Guie-Mien
– Wagner (53. Kazior)
Rot-Weiss Oberhausen
Semmler – Pappas, B. Reichert, Embers –
Tennagels (79. Landers), T. Reichert (53. Narewsky),
Kaya, Kruse, Müller – Terranova (87. Robben),
Lüttmann
Tore
0:1 Kaya (33.), 0:2 Lüttmann (75.), 0:3 Müller
(81.), 1:3 M. Lorenz (88.), 1:4 Kaya (90., Foulelfmeter)
Zuschauer
15.500
Schiedsrichter
Gagelmann (Bremen)
Gelbe Karten
Klinger, Stoppelkamp, Kazior, Pirson – Kruse,
Tennagels
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..... |
Spieler des Spiels
Jawattdenn Spielerbewertung
Pirson |
4+
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Czyszczon |
4+
|
Klinger |
4+
|
Sereinig |
4-
|
Erfen |
3
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Gorschlüter |
3
|
Brandy |
3-
|
M. Lorenz |
3-
|
Güvenisik |
4
|
Guie-Mien |
3-
|
Wagner |
5+
|
Kazior |
4- |
|