Von zahmen Teufeln und einem wunderschönen
Pokalabend
Was für ein Pokalabend! Selten sah man in
den vergangenen Monaten solch zufriedene Gesichter,
die den Weg nach Hause antraten. Noch auf dem Weg
zum Auto oder Bus hörte man die Jubelgesänge
rund um die Hafenstraße. Völlig verdient
besiegte Rot-Weiss Essen eine desolate Mannschaft
aus Kaiserslautern mit 2:1.
Heiko Bonan veränderte seine Mannschaft gegenüber
dem siegreichen Wochenende bei den Amateuren des
HSV nicht. Dem entsprechend setzte er taktisch auf
das gewohnte 3-4-3, eine Aufstellung, die Offensivfußball
verspricht, auch, oder gerade erst recht, gegen einen
angeschlagenen Zweitligisten. Sein Gegenüber,
der enorm in der Kritik stehende Kjetil Rekdal, sucht
scheinbar noch nach seiner Stammformation. Trotz des
erfolgreichen Wochenendes veränderte der Trainer
des FCK seine siegreiche Mannschaft gleich auf vier
Positionen.
13818 gut aufgelegte Zuschauer im gefüllten Georg-Melches-Stadion,
darunter die Ex-Rot-Weissen Otto Rehagel, Rene Renno
und Bjarne Goldbaek auf der Tribüne, warteten
gespannt auf den Anpfiff des Unparteiischen Markus
Wingenbach. Von Beginn an herrschte diese lang vermisste,
knisternde Flutlichtatmosphäre, die sich schnell
auf das Publikum übertrug und für eine prächtige
Stimmung sorgte.
Schon in den ersten Sekunden deutete sich die Marschrichtung
der kommenden 90 Minuten an. Guie-Mien flankte von
links auf den im Strafraum postierten Kurth, der leitete
den Ball per Kopf weiter an Sören Brandy. Doch
bevor dieser zum Schuss ansetzen konnte, spitzelte
Fabian Schönheim den Ball zur Ecke. Doch auch
diese brachte gleich wieder Gefahr. Der erneut überragende
Tim Gorschlüter schlug den Ball in den Strafraum,
ein abgefälschter Schuss von Sören Brandy
lenkte den Ball eben genau wieder auf Gorschlüter,
der nicht lange fackelte. Sein Schuss verfehlte nur
knapp den Kasten.
Von Beginn an spielten die Hausherren engagiert und
hellwach. Die Teufel fanden selbst nach diesem ersten
Ausrufezeichen nicht ins Spiel. Bemüht, aber
behäbig und viel zu umständlich wirkten
die ersten Angriffsversuche, die folgerichtig in der
gut stehenden Essener Abwehrmauer ihr Ende fanden.
Daniel Sereinig sortierte seine Mannen mit Übersicht
und Angriffsversuche wurden schon häufig im Mittelfeld
im Keim erstickt. Überfallartig schalteten die
Essener dann stets schnell von Abwehr auf Angriff
um und brachten die Abwehr der roten Teufel ein ums
andere Mal in Verlegenheit.
Richtig
von den Sitzen riss es die Zuschauer dann in der 26.
Minute. Die Lauterer, zu weit aufgerückt, verloren
einmal mehr den Ball in der Vorwärtsbewegung.
Dann kam der Auftritt des starken Sören Brandy.
Er setzte sich auf der linken Seite durch, drang in
den Strafraum ein und nutzte die erstarrte Faszination
der Lauterer Abwehr, um seinen Lauf mit einem flachen
Schuss in das rechte Eck des Gehäuses von Tobias
Sippel zu beenden. 1:0, die Hafenstraße bebte!
Auch nach der Führung blieben die Angriffsbemühungen
der Lauterer harmlos. Die Torschüsse von Patrice
Bernier und Emeka Opara konnte Masuch ohne große
Mühe entschärfen. Die Essener präsentierten
sich dagegen voller Spielwitz. Das schnelle und ansehnliche
Kurzpassspiel fand beinahe immer einen Abnehmer und
so erarbeitete man sich auch eine spielerische Überlegenheit,
die so nicht zu erwarten war. Der Ball lief gefällig
durch die rot-weissen Reihen, ohne dass störende
Teufel dazwischen feuern konnten.
So kamen die Essener zu weiteren Chancen. Niklas Andersen,
der offensiv einige bemerkenswerte Akzente setzen
konnte, setzte sich schön durch, passte auf den
freistehenden Markus Kurth, der an der Strafraumgrenze
den Ball jedoch genau in die Arme des Torhüters
lupfte. Nur wenig später hatten die Fans schon
wieder den Torschrei auf den Lippen. Erneut war es
Tim Gorschlüter, dessen Flachschuss der FCK Keeper
noch so gerade eben um den rechten Pfosten lenken
konnte. Im Gegenzug, und kurz vor dem Pausentee, dann
die erste wirklich gefährliche Aktion der Lauterer.
Doch Esben Hansens strammen Schuss aus 25 Metern hielt
Masuch sicher fest. Nur der mangelnden Chancenverwertung
der Essener war es zu verdanken, dass die Lauterer
lediglich mit 1:0 in die Kabinen geschickt wurden.
Nach dem Wechsel zeigte sich dann das gewohnte Bild.
Die Essener immer einen Schritt schneller, immer bissiger
in den Zweikämpfen und deutlich überlegen.
Aber das Spiel hätte zu diesem Zeitpunkt auch
kippen können. Die Essener verloren den Ball
und ein langer Pass von Axel Bellinghausen fand Emeka
Opara, der allein auf das Tor von Daniel Masuch zustürmte.
In letzter Sekunde grätschte David Czyszczon
unfair im Strafraum dazwischen, Schiedsrichter Wingenbach
zeigte auf den Punkt. Doch Glück für die
Essener, da der Schiedsrichterassistent bereits vor
dieser Situation Opara im Abseits sah. Nach Beratung
mit
seinem Assistenten entschied der Mann in Schwarz auf
Freistoß für Essen.
In der 62. Minute ernteten die Rot-Weissen dann endlich
die Früchte ihrer Arbeit. Nach einem Foul an
Jozef Kotula zirkelte dieser von halblinks auf Strafraumhöhe
den Ball an den langen Pfosten, wo David Czyszczon
einköpfen konnte. 2:0, das Achtelfinale rückte
in greifbare Nähe.
FCK-Trainer Rekdal tobte an der Außenlinie und
seine Spieler schienen ihn endlich zu erhören.
In derFolge erarbeite sich Kaiserslautern zwar zunehmend
Spielanteile, aber die Essener zogen sich zurück,
verlegten sich von nun an aufs Kontern und blieben
stets gefährlich. Bonan wechselte und brachte
Mario Klinger als zusätzliche Absicherung für
den emsig arbeitenden Kotula und, ein zu diesem Zeitpunkt
noch ungefährlicher Wechsel, Rafael Kazior für
Tim Gorschlüter.
Und wie schon so oft bei Besuchen an der Hafenstraße,
blieb auch an Halloween den Besuchern der Nervenkitzel
nicht erspart. In der 81. Minute erzielte FCK Stürmer
Björn Runström mit einem sehenswerten und
für Masuch unhaltbaren Volleyschuss aus 20 Metern
den Anschlusstreffer. In der Folge wirkten die Essener
plötzlich nervös und fahrig, verloren viele
Bälle im Spielaufbau. Vor allem der eingewechselte
Rafael Kazior brachte vorne wenig Ballsicherheit,
so dass die Kugel postwendend wieder Richtung RWE-Tor
lief. Bonan reagierte und wechselte Jaroslaw Stankiewicz
für Guie-Mien ein, der sich bei seiner Auswechslung
den verdienten Applaus abholte. Eine Verlängerung
schien für den RWE-Trainer nicht in Betracht
zu kommen.
Doch außer dem berühmten „Langholz“
fiel den Lauterern auch in dieser Phase nicht viel
ein. Zwar segelte der Ball ein ums andere Mal gefährlich
in den Strafraum, doch fand sich nie ein geeigneter
Abnehmer. Für den letzten Aufreger des Spiels
sorgte dann FCK Torhüter Tobias Sippel, der den
allein auf das Tor zulaufenden Michael Lorenz unsanft
bremste.
Klarer Fall, eine Notbremse zieht nun einmal eine
rote Karte nach sich, da half auch das vehemente Protestieren
nicht. So sehr wie bei diesem Schiedsrichterprotest
hatte sich manch Lauterer Spieler den ganzen Abend
über nicht engagiert. Auch die Lauterer Fans
gingen zunehmend auf die Barrikaden, wohl aus Enttäuschung
und Frust über die desolate Leistung ihrer Mannschaft.
Die Situation beruhigte sich jedoch wieder schnell.
Dann
war es endlich soweit. Nach 90 Minuten und gefühlten
20 Jahren Nachspielzeit pfiff der gut leitende Schiedsrichter
Wingenbach ab. Der Jubel kannte keine Grenzen und
schon bald skandierten die Fans „Berlin, Berlin,
wir fahr’n nach Berlin!“. Höhepunkt
der Feierlichkeiten war sicherlich die von der Ost-
und Nordtribüne gemeinsam mit der Mannschaft
zelebrierte Humba.
Erstmals seit 1993 steht Rot-Weiss Essen dank einer
überragenden spielerischen und auch kämpferischen
Leistung im Achtelfinale des DFB-Pokals. Und schon
heute darf man gespannt sein, wer der Gegner am 29.
oder 30. Januar 2008 sein wird. Klangvolle Namen wie
der FC Bayern München, Borussia Dortmund, der
deutsche Meister VfB Stuttgart und natürlich
der FC Schalke 04 warten. Aber auch ein Duell gegen
einen der verbliebenen Amateurclubs, den Wuppertaler
SV oder Werder Bremen II, wäre möglich.
Wie auch immer der nächste Gegner heißen
mag, mit dieser Leistung braucht sich diese Mannschaft
vor nichts und niemanden zu verstecken.
Doch bevor man eventuell einen Champions League Teilnehmer
an der Hafenstraße begrüßt, sollte
nun zunächst die volle Konzentration der nächsten
Aufgabe gelten. Schon am Samstag ist wieder Ligaalltag
und mit Dynamo Dresden wartet auch dort keine leichte
Aufgabe. Vielleicht kann die Mannschaft die Euphorie
dieses wunderschönen Pokalabends zu den begehrten
drei Punkten tragen und vielleicht gehen wir auch
nach diesem Spiel wieder so zufrieden nach Hause wie
an diesem Pokalabend.
(sb)
.
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Rot-Weiss Essen
Masuch - Czyszczon, Sereinig, Andersen - Erfen, M.
Lorenz, Gorschlüter (78. Kazior), Kotula (75.
Klinger) - Kurth, Brandy - Guie-Mien (88. Stankiewicz)
1. FC Kaiserslautern
Sippel - S. Müller, Beda, Schönheim, Bugera
- Bernier (78. Jendrisek), Demai, Hansen (52. Bellinghausen),
Simpson - Opara (59. Reinert), Runström
Tore
1:0 Brandy (25.), 2:0 Czyszczon (62.), 2:1 Runström
(80.)
Zuschauer
13.818
Schiedsrichter
Wingenbach (Diez)
Gelbe Karten
Bugera, Beda
Rote Karten
Sippel (Kaiserslautern/90.+3) wegen Notbremse
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.... |
Spieler des Spiels
Jawattdenn Spielerbewertung
Masuch |
2-
|
Czyszczon |
2
|
Andersen |
2-
|
Sereinig |
2-
|
Erfen |
2-
|
Kotula |
2-
|
Gorschlüter |
2+
|
Brandy |
2+
|
M. Lorenz |
3+
|
Guie-Mien |
2-
|
Kurth |
3+
|
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