DFB-Pokal RWE - Hamburger SV
DFB-Pokal-Achtelfinale – Von Appetit bis zu Verletzungssorgen
Es
könnte alles so perfekt sein. RWE steht nach
Siegen gegen Serienerstrundengegner FC Energie Cottbus
und den krisengeschüttelten 1. FC Kaiserslautern
im DFB-Pokal-Achtelfinale. Ein ausverkauftes Stadion,
dazu Flutlicht und die legendäre Pokalatmosphäre
an der Hafenstraße. RWE-Herz, was willst du
mehr? Es könnte bereits zu diesem frühen
Zeitpunkt das Highlight des Jahres werden, wenn, ja
wenn nicht dieser unbegreifliche Fluch der Verletzungen
über Essen schweben würde.
Langsam steigt der rot-weisse Puls ins Unermessliche.
Fast vorbei ist die viel zu lange Winterpause und
auf Rot-Weiss Essen wartet gleich zu Jahresbeginn
ein fußballerischer Leckerbissen. Es ist Pokalzeit,
etwas, was in Essen jedes Mal für besondere Stimmung
sorgt! Erst recht, wenn ein namhafter Verein wie der
Hamburger SV seine Visitenkarte abgibt.
In der Saison 1995/1996 war RWE letztmalig der Sprung
unter die besten 16 Teams des DFB-Pokals gelungen.
Damals, wer erinnert sich nicht gerne daran, unterlag
man nach einem sensationellen Spiel Bayer Leverkusen
mit 5:8 im Elfmeterschießen. Dabei lag RWE gegen
die Bayer-Stars um Rudi Völler, Ulf Kirsten,
Paulo Sergio und Bernd Schuster bereits mit 2:4 zurück,
schaffte dann aber doch noch das 4:4 und damit die
Verlängerung. Erst das Elfmeterschießen
brachte den Bundesligisten dann ins Viertelfinale.
Zwei Jahre zuvor, 1993/1994, warf man im Achtelfinale
auf dem Weg zum Endspiel in Berlin den MSV Duisburg
in einem ähnlich hochklassigen Spiel mit 4:2
aus dem Pokal. Die Vergangenheit zeigt also, unter
vier Toren gibt sich RWE in einem Pokal-Achtelfinale
nicht zufrieden.
Doch
ein Blick in den Kader und vor allem auf die Verletztenliste
zeigt unbarmherzig, dass vier Tore im diesjährigen
Achtelfinale mehr als utopisch sind. Mit Abwehrchef
Daniel Sereinig und den Offensivspielern Markus Kurth
und Rolf-Christel Guie-Mien verletzten sich in den
letzten Wochen drei weitere absolute Leistungsträger.
Das Verletzungspech, das sich nun schon seit Jahren
wie ein roter Faden durch die Saisons zieht, hat in
Essen also wieder einmal zugeschlagen und degradiert
das erhoffte Fußballfest fast schon zu so etwas
wie ein Vorbereitungsspiel mit einkalkulierter Niederlage.
Verständlich die Aussagen von Heiko Bonan, der
den Pokal nur als verdiente Zugabe betitelt und darauf
hinweist, dass die Konzentration einzig und alleine
auf die Vorbereitung der Ligaspiele gerichtet wird.
Was soll er auch anderes sagen angesichts einer Verletztenliste,
deren Namen alleine bereits eine hochkarätige
Elf zusammenbringt.
Ein wenig Hoffnung macht es da, dass Neuzugang Jonathan
„Jo“ Joseph-Augustin in seinen bisherigen
Testspieleinsätzen einen ganz starken Eindruck
hinterlassen hat und aktuell mit Paul Jans –
bei dem erst noch abgewartet werden muss, ob er bis
Mittwoch spielberechtigt sein wird - auch im Sturm
noch einmal nachgelegt wurde. Dennoch wird Trainer
Heiko Bonan nicht allzu viel Spielraum haben bei der
Startaufstellung und den möglichen Auswechslungen.
Vieles wird also darauf ankommen, dass Daniel Masuch
gewohnt sicher das Tor hütet und „Jo“
sofort die Rolle als Abwehrchef annehmen kann. Im
Testspiel gegen Offenbach zumindest sah dies bereits
ganz gut aus.
Zwei wichtige Aufstellungsfragen wird Heiko Bonan
zudem noch zu klären haben: Stellt er Hamburgs
Spielmacher Rafael van der Vaart einen direkten Gegenspieler
zur Seite und agiert RWE wie gewohnt offensiv mit
einem Stoßstürmer und zwei offensiven Flügeln
dahinter? Vor allem
Ersteres muss gut durchdacht sein. Van der Vaart spielt
diese Saison und vor allem auch in den letzten Wintertestspielen
einen überragenden Fußball, zuletzt am
Samstag glänzte er gegen Landesligist Egenbüttel
(11:0) gleich mit vier Toren. Ihn zu stoppen muss
also das oberste Ziel sein.
Ebenfalls positiv für RWE ist der zurzeit stattfindende
Afrika-Cup. Mit Thimothée Atouba, Mohamed Zidan
und Collin Bejamin sind drei Spieler der Hamburger
für ihre Länder im Einsatz. Dazu fehlt Bastian
Reinhardt noch wegen Rotsperre. Wer Huub Stevens und
den HSV jedoch kennt, der weiß, dass am Mittwoch
trotzdem ein Bundesligist an der Hafenstraße
aufläuft, der bis über beide Ohren motiviert
sein wird. In seinem letzten Halbjahr als Trainer
in Hamburg hat sich Stevens, der im Sommer den Trainerposten
des PSV Eindhoven übernehmen wird, noch viel
vorgenommen. Ein Titel wäre die Krönung
für einen der besten Trainer der Bundesliga.
Bereits auf Schalke und in Köln hat er bewiesen,
dass ein Wechsel zum Saisonende nicht dazu führt,
dass sein trainiertes Team die Motivation verliert.
So führte er 2002 die Schalker noch zum DFB-Pokalsieg,
2005 den 1. FC Köln zum Aufstieg. Beides obwohl
sein jeweiliger Wechsel zum Saisonende schon lange
zuvor feststand. Auch dies zeichnet einen hervorragenden
Trainer aus! Respekt dafür!
Und noch etwas zeigt, dass Hamburg an der Hafenstraße
hochkonzentriert sein wird: Pünktlich zum Pokalspiel
wurde Stevens nach den eher nicht so glanzvollen Testspielen
gegen Aachen und Midtjylland
ziemlich laut, hielt seinem Team eine Standpauke und
meckerte auch öffentlich herum. Damit wird er
seine Spieler erst recht heiß gemacht haben
auf die hitzige Atmosphäre im Georg-Melches-Stadion.
Trotz all der Fakten, die eindeutig für den HSV
sprechen, darf jeder RWE-Fan trotzdem auch ein wenig
träumen, denn auch der HSV ist nicht unschlagbar.
Erwischt van der Vaart einen schlechten Tag oder nimmt
man ihn aus dem Spiel, ist für Rot-Weiss Essen
eine Überraschung drin. Wenn jeder noch ein bisschen
mehr gibt als sonst und die etwa 18.000 RWE-Fans unter
den 21.500 Zuschauern mächtig Gas geben, dann
können wir es schaffen! Es wäre wahrlich
keine Schande für Huub Stevens und Rafael van
der Vaart, ihr vielleicht allerletztes DFB-Pokalspiel
in Essen absolviert zu haben.
„Der Appetit kommt in Essen.“ titelte am
Wochenende das Hamburger Morgenblatt. Dazu unsere
Antwort: „Der Hunger gestillt wird aber erst
später, denn in Essen wird der Hamburger Magen
am Ende leer bleiben!“.
(tj)
Bilder: 1. und 2. Hauptrunde DFB-Pokal Saison 2007/08
(Cottbus und Kaiserslautern)