28.01.2008

DFB-Pokal RWE - Hamburger SV

 

DFB-Pokal-Achtelfinale – Von Appetit bis zu Verletzungssorgen

Es könnte alles so perfekt sein. RWE steht nach Siegen gegen Serienerstrundengegner FC Energie Cottbus und den krisengeschüttelten 1. FC Kaiserslautern im DFB-Pokal-Achtelfinale. Ein ausverkauftes Stadion, dazu Flutlicht und die legendäre Pokalatmosphäre an der Hafenstraße. RWE-Herz, was willst du mehr? Es könnte bereits zu diesem frühen Zeitpunkt das Highlight des Jahres werden, wenn, ja wenn nicht dieser unbegreifliche Fluch der Verletzungen über Essen schweben würde.

Langsam steigt der rot-weisse Puls ins Unermessliche. Fast vorbei ist die viel zu lange Winterpause und auf Rot-Weiss Essen wartet gleich zu Jahresbeginn ein fußballerischer Leckerbissen. Es ist Pokalzeit, etwas, was in Essen jedes Mal für besondere Stimmung sorgt! Erst recht, wenn ein namhafter Verein wie der Hamburger SV seine Visitenkarte abgibt.

In der Saison 1995/1996 war RWE letztmalig der Sprung unter die besten 16 Teams des DFB-Pokals gelungen. Damals, wer erinnert sich nicht gerne daran, unterlag man nach einem sensationellen Spiel Bayer Leverkusen mit 5:8 im Elfmeterschießen. Dabei lag RWE gegen die Bayer-Stars um Rudi Völler, Ulf Kirsten, Paulo Sergio und Bernd Schuster bereits mit 2:4 zurück, schaffte dann aber doch noch das 4:4 und damit die Verlängerung. Erst das Elfmeterschießen brachte den Bundesligisten dann ins Viertelfinale.

Zwei Jahre zuvor, 1993/1994, warf man im Achtelfinale auf dem Weg zum Endspiel in Berlin den MSV Duisburg in einem ähnlich hochklassigen Spiel mit 4:2 aus dem Pokal. Die Vergangenheit zeigt also, unter vier Toren gibt sich RWE in einem Pokal-Achtelfinale nicht zufrieden.

Doch ein Blick in den Kader und vor allem auf die Verletztenliste zeigt unbarmherzig, dass vier Tore im diesjährigen Achtelfinale mehr als utopisch sind. Mit Abwehrchef Daniel Sereinig und den Offensivspielern Markus Kurth und Rolf-Christel Guie-Mien verletzten sich in den letzten Wochen drei weitere absolute Leistungsträger. Das Verletzungspech, das sich nun schon seit Jahren wie ein roter Faden durch die Saisons zieht, hat in Essen also wieder einmal zugeschlagen und degradiert das erhoffte Fußballfest fast schon zu so etwas wie ein Vorbereitungsspiel mit einkalkulierter Niederlage. Verständlich die Aussagen von Heiko Bonan, der den Pokal nur als verdiente Zugabe betitelt und darauf hinweist, dass die Konzentration einzig und alleine auf die Vorbereitung der Ligaspiele gerichtet wird. Was soll er auch anderes sagen angesichts einer Verletztenliste, deren Namen alleine bereits eine hochkarätige Elf zusammenbringt.

Ein wenig Hoffnung macht es da, dass Neuzugang Jonathan „Jo“ Joseph-Augustin in seinen bisherigen Testspieleinsätzen einen ganz starken Eindruck hinterlassen hat und aktuell mit Paul Jans – bei dem erst noch abgewartet werden muss, ob er bis Mittwoch spielberechtigt sein wird - auch im Sturm noch einmal nachgelegt wurde. Dennoch wird Trainer Heiko Bonan nicht allzu viel Spielraum haben bei der Startaufstellung und den möglichen Auswechslungen. Vieles wird also darauf ankommen, dass Daniel Masuch gewohnt sicher das Tor hütet und „Jo“ sofort die Rolle als Abwehrchef annehmen kann. Im Testspiel gegen Offenbach zumindest sah dies bereits ganz gut aus.

Zwei wichtige Aufstellungsfragen wird Heiko Bonan zudem noch zu klären haben: Stellt er Hamburgs Spielmacher Rafael van der Vaart einen direkten Gegenspieler zur Seite und agiert RWE wie gewohnt offensiv mit einem Stoßstürmer und zwei offensiven Flügeln dahinter? Vor allem Ersteres muss gut durchdacht sein. Van der Vaart spielt diese Saison und vor allem auch in den letzten Wintertestspielen einen überragenden Fußball, zuletzt am Samstag glänzte er gegen Landesligist Egenbüttel (11:0) gleich mit vier Toren. Ihn zu stoppen muss also das oberste Ziel sein.

Ebenfalls positiv für RWE ist der zurzeit stattfindende Afrika-Cup. Mit Thimothée Atouba, Mohamed Zidan und Collin Bejamin sind drei Spieler der Hamburger für ihre Länder im Einsatz. Dazu fehlt Bastian Reinhardt noch wegen Rotsperre. Wer Huub Stevens und den HSV jedoch kennt, der weiß, dass am Mittwoch trotzdem ein Bundesligist an der Hafenstraße aufläuft, der bis über beide Ohren motiviert sein wird. In seinem letzten Halbjahr als Trainer in Hamburg hat sich Stevens, der im Sommer den Trainerposten des PSV Eindhoven übernehmen wird, noch viel vorgenommen. Ein Titel wäre die Krönung für einen der besten Trainer der Bundesliga. Bereits auf Schalke und in Köln hat er bewiesen, dass ein Wechsel zum Saisonende nicht dazu führt, dass sein trainiertes Team die Motivation verliert. So führte er 2002 die Schalker noch zum DFB-Pokalsieg, 2005 den 1. FC Köln zum Aufstieg. Beides obwohl sein jeweiliger Wechsel zum Saisonende schon lange zuvor feststand. Auch dies zeichnet einen hervorragenden Trainer aus! Respekt dafür!

Und noch etwas zeigt, dass Hamburg an der Hafenstraße hochkonzentriert sein wird: Pünktlich zum Pokalspiel wurde Stevens nach den eher nicht so glanzvollen Testspielen gegen Aachen und Midtjylland ziemlich laut, hielt seinem Team eine Standpauke und meckerte auch öffentlich herum. Damit wird er seine Spieler erst recht heiß gemacht haben auf die hitzige Atmosphäre im Georg-Melches-Stadion.

Trotz all der Fakten, die eindeutig für den HSV sprechen, darf jeder RWE-Fan trotzdem auch ein wenig träumen, denn auch der HSV ist nicht unschlagbar. Erwischt van der Vaart einen schlechten Tag oder nimmt man ihn aus dem Spiel, ist für Rot-Weiss Essen eine Überraschung drin. Wenn jeder noch ein bisschen mehr gibt als sonst und die etwa 18.000 RWE-Fans unter den 21.500 Zuschauern mächtig Gas geben, dann können wir es schaffen! Es wäre wahrlich keine Schande für Huub Stevens und Rafael van der Vaart, ihr vielleicht allerletztes DFB-Pokalspiel in Essen absolviert zu haben.

„Der Appetit kommt in Essen.“ titelte am Wochenende das Hamburger Morgenblatt. Dazu unsere Antwort: „Der Hunger gestillt wird aber erst später, denn in Essen wird der Hamburger Magen am Ende leer bleiben!“.


(tj)


Bilder: 1. und 2. Hauptrunde DFB-Pokal Saison 2007/08 (Cottbus und Kaiserslautern)