Und jährlich grüßt die Energie!
Stell dir vor, du sitzt im Sessel. Im Flimmerkasten
vor dir laufen bunte Bilder. Eben zieht eine Glücksfee
weiße Kugeln abwechselnd aus zwei Töpfen.
Die Atmosphäre ist spannungsgeladen, obwohl es
bereits nach 23 Uhr ist. Müdigkeit erfüllt
dich, aber diesen Moment willst du unbedingt noch
mitbekommen. Das Bett muss warten. Um diese eine Kugel
geht es dir. Wann kommt sie endlich? Mühsam wird
jede Kugel geöffnet. Darin befindet sich ein
Zettel mit einem Namen. Immer
wenn eine Kugel geöffnet wurde, wird der Name
laut vorgelesen.
Wieder zieht die Glücksfee eine Kugel. Wieder
nichts. Kann doch gar nicht sein. Dann endlich ist
es soweit: Laut wird verkündet:
„Rot-Weiss Essen“
Jetzt! Endlich! Mit einem Mal bist du hellwach. Du
zitterst. Du überlegst, welche Namen noch alles
in dem anderen Topf sind, aus dem nun die nächste
Kugel gezogen wird. Schalke ist noch drin! Und die
Bayern! Die Kugel wird geöffnet. Du greifst mit
zittrigen Händen zum Bier, bereit zum großen
Jubelschrei. Da ist der Zettel. Was steht drauf? Dreh
das Ding doch endlich um, machs nicht so spannend!
„Energie Cottbus“
Ringringringringringring. Der Wecker klingelt. Du
wachst auf. Welches Jahr ist heute? 2007? 2006? Oder
2005? Oder von allem ein bisschen?
War das alles nur ein Traum? Du blickst verwirrt im
Zimmer umher. Das Bier in der Hand, der gleiche Sessel
auf dem du eben schon gesessen hast. Der Schleier
vor deinen Augen legt sich und du realisierst: Nein,
nicht schon wieder Cottbus!
Es gibt so Dinge und Personen, die wird man einfach
nicht los. Cottbus und auch Francis Kioyo gehören
dazu. Offensichtlich hat es ihm in Essen doch ganz
gut gefallen, sonst würde er nicht Jahr
für Jahr an seine ehemalige Wirkungsstätte
zurückkehren. Klar, die Hafenstraße wird
ja auch wieder brennen, die Emotionen überkochen.
Vor solch einer Kulisse spielt man doch immer wieder
gerne.
Aber, seien wir ehrlich, nicht Kioyo alleine war schuld
für das Desaster vor ein paar Jahren. Als er
damals – bei 1860 München aufgrund des verschossenen
Elfmeters bei den Fans in Ungnade gefallen –
an der Hafenstraße auf seinen Ex-Verein traf,
gab es eine große Geste der Gästefans.
Auf einem Plakat stand: Kioyo – NOT guilty! Eine
Geste, die ich für nachahmenswert halte. Vielleicht
nicht in der gleichen Form, doch würde ich mich
freuen, wenn man ihm den Respekt entgegen bringt,
den er als Fußballer verdient hat. Es geht nicht
darum, einzelne Energie-Spieler niederzumachen, sondern
das eigene Team nach vorne zu puschen.
Doch genug der Moralpredigt! Samstag ist Pokalzeit.
Und der Tag der endgültigen Entscheidung. 1:1
steht es im Duell Rot-Weiss Essen gegen Energie Cottbus.
Die Zeit ist gekommen, den wahren Sieger zu küren.
Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass der Sieger
aus dem Ruhrpott kommt. Schon 2005 musste erst ein
Elfmeterschießen herhalten. Damals kam der Glücklichere
weiter, Cottbus. 2006 dann war RWE überlegen,
zog verdient durch einen Flugkopfball von Stefan Lorenz
zwei Minuten nach seiner Einwechslung in die zweite
Runde ein. Ein Klassenunterschied war in beiden Partien
nicht zu sehen. Warum sollte es dieses Jahr anders
sein?
Gut, Cottbus möchte sich für die schwache
Vorstellung revanchieren, aber das alleine wird nicht
reichen. Zumal sie personell angeschlagen sind. Neben
Kapitän Timo Rost, der gesperrt ist, wird auch
Ervin Skela ausfallen. Zwei wichtige Spieler der Energie.
Dazu muss Cottbus erst noch beweisen, ob sie die Abgänge
der torgefährlichsten Spieler der letzten Saison
– Radu und Munteanu – ansatzweise gleichwertig
ersetzt haben. Kioyo als gesetzte Sturmspitze spricht
eher nicht dafür.
Aber
auch RWE hat mit Ausfällen zu kämpfen. Neben
Stefan Lorenz, der einen Rückschlag erlitt, wird
weiterhin Stijn Haeldermans ausfallen. Damit fehlen
auch RWE zwei wichtige Stützen. Unentschieden
eben. Das Tor wird wie angekündigt Daniel Masuch
hüten. Erst nach dem Pokalspiel will Heiko Bonan
sich auf seine neue Nummer eins festlegen. Im Sturm
wird wohl Neuzugang Andre Schei Lindbaek sein Debüt
geben, er wird jedoch zunächst nur auf der Bank
Platz nehmen. Mitja Schäfer könnte eine
Alternative im Mittelfeld sein, die Abwehr des Oberhausen-Spiels
wird wohl eine zweite Chance bekommen.
Alles spricht für eine ausgeglichene Partie,
die Chancen stehen 50:50. Da kann es schon entscheidend
sein, dass aus Cottbus mal wieder nicht viele Fans
anreisen werden. 10.500 Zuschauer waren es 2005, fast
11.500 in 2006. Und auch wenn es dem einen oder anderen
nach dem 1:4-Debakel gegen Oberhausen schwer fallen
wird, mit der nötigen Unterstützung wird
es wieder ein klasse Pokalnachmittag mit einem schönen
rot-weißen Ende. Und wir alle kennen dann auch
schon den Gegner in der zweiten Runde. Wollen wir
wetten?
Voraussichtliche Aufstellungen:
Rot-Weiss Essen: Masuch – Erfen, Sereinig,
Czyszczon – M. Lorenz, Klinger, Gorschlüter,
M. Schäfer – Guie-Mien, Güvenisik –
Wagner
Energie Cottbus: Piplica – Szelesi, da
Silva, Mitreski, Cvitanovic – Bassila, Kukielka
– Rivic, D. Sörensen, Aloneftis – Kioyo
Schiedsrichter: Michael Kempter (Sauldorf)
(tj)
Bilder: DFB-Pokal 1. Hauptrunde Saison 2006/07
Rot-Weiss Essen - Energie Cottbus 1:0
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