Die Löwen sind los!
Langeweile herrschte im Essener Reich. Dem unbeugsamen
gallischen Dorf war schon lange der Zaubertrank ausgegangen,
und auch die Perser tief im Süden verhielten
sich ruhig. Kurzum: Das Volk
wurde mürrisch. Und wenn das Volk unruhig wird,
dann hilft nur eines: Spiele!
Gesagt, getan. Bevor der Pöbel allzu laut wurde
verkündete der Kaiser, dass die Arena aus der
langen Sommerpause erwachen solle. Der Senat stimmte
nach hitziger Diskussion zu, und so wurden Boten hinaus
in alle Ecken des Reiches geschickt, um zu verkünden,
dass Kämpfer aller Dörfer nach Essen kommen
sollen, um sich dort mit den besten Gladiatoren zu
messen. Wo auch immer die Boten hinkamen, sie lösten
Jubel aus. Bald war die Kunde im ganzen Reich bekannt,
und es fanden sich auch schnell 18 Dörfer, die
ihre Krieger aussandten.
Um ein wenig Ordnung in die Spiele zu bringen, empfahl
der Senat, doch zuerst gegen die direkten Nachbardörfer
anzutreten, dann hätten die Völker aus den
anderen Teilen des Reiches mehr Zeit, die teils beschwerliche
Reise zu Fuß oder auf Ochsen zurückzulegen.
Der Kaiser war begeistert, und so wurden nach und
nach Spiele gegen die Germanen aus der Umgebung abgehalten:
Zuerst kamen Kämpfer aus Oberhausum, danach trat
man gegen die Krieger aus Düsseldorfum an. Es
folgten Kleinahlum und anschließend Dortmum.
Leider waren die hochgepriesenen Essener Gladiatoren
noch nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte, so dass
sie gegen die verschiendenen Stämme einige Verluste
zu beklagen hatten und nicht einmal siegreich die
Arena verließen. Die Stimmung auf den Rängen
kippte.
So konnte es nicht weitergehen, und der Kaiser suchte
fieberhaft nach einer Lösung. Vielleicht half
es, wenn man sich andere Gegner als die Germanen suchen
würde. Nordmänner mussten her! Von diesen
kriegerischen Barbaren hatte er schon viel gehört,
sie sollten durch seine rot-weißen Kämpfer
besiegt werden, damit diese neuen Mut fanden. Doch
gleich im allerersten Kampf gegen die Normannen aus
Emden blieb der Erfolg erneut aus. Der Mob im Kolosseum
kochte. Immer nur Niederlagen für die Hauptstadt
des Kaiserreiches, das ging so nicht weiter. Für
die nächste Schlacht wurden einfache mit Wolfsfelle
gekleidete Burgritter engagiert. Und siehe da, es
klappte. Die rot-weißen Gladiatoren machten
mit ihnen kurzen Prozess. Doch der Pöbel
war noch nicht zufrieden, er wünschte sich andere
als immer nur menschliche Gegner. Löwen sollten
es sein!
Löwen, dachte der Kaiser, wären eine gute
Abwechslung und zudem eine perfekte Vorbereitung auf
die wilden Sachsen, gegen die man in den kommenden
Wochen antreten wird. Also stimmte er der Forderung
des Volkes zu. Allerdings durften die Löwen auch
nicht zu gefährlich sein, sonst droht die nächste
Schlappe. Also suchte der Kaiser nach möglichst
zahnlosen Löwen und fand diese auch.
Und so steht am morgigen Mittwoch Abend eines der
besonderen Spiele in Essen statt. Mitabsteiger Braunschweig
stellt sich an der Hafenstraße vor. Und man
muss tatsächlich von zahnlosen Löwen sprechen,
denn war der Saisonstart für RWE schon nicht
berauschend, so ist er gegenüber dem der Braunschweiger
doch als ziemlich gelungen zu werten. Ein einziger
Punkt aus fünf Spielen (BS war bereits spielfrei)
und bereits stolze 14 Gegentore sind das Resultat
eines katastrophalen Fehlstarts in die Liga. Dabei
war Braunschweig neben Essen für die meisten
Regionalliga-Trainer einer der Aufstiegsfavoriten.
Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man
denkt. Davon können gerade wir Essener ebenfalls
ein Lied von singen.
Das große Manko der Braunschweiger scheint vor
allem die zweite Halbzeit zu sein. Wäre jeweils
nach 45 Minuten abgepfiffen worden, hätten die
Löwen jetzt bereits 10 Punkte auf dem Konto bei
einer Tordifferenz von 5:2. Doch in Hälfte Zwei
folgt Spiel für Spiel der Einbruch. Braunschweig
ging in vier der fünf Spiele in Führung.
Jeweils zweimal (1:0 und 2:1) in Wolfsburg und Erfurt,
gegen Babelsberg, gar 2:0 gegen Union Berlin, doch
in all diesen Spielen reichte es insgesamt nur zu
einem einzigen Punkt. Dies muss dringend korrigiert
werden, sonst droht der jetzt schon verloren gegangene
Anschluss zu Platz 10 bald schon völlig außer
Sichtweite zu geraten.
Anders
RWE. Nach dem Dreier in Wolfsburg und vor allem der
Verpflichtung von Markus Kurth sehnen die Fans den
ersten Heimsieg herbei. Dieser ist umso wichtiger,
als dass man nicht weiterhin der Musik hinterherhinken
möchte. Der Verein war in den letzten Tagen in
der Pflicht. Es hieß, Kritiker verstummen zu
lassen, den Essener Pöbel zu beruhigen. Die Verpflichtung
von Markus Kurth war der richtige Schachzug dazu.
Ein Zeichen von Sponsoren, dass sie den Verein nicht
im Stich lassen wie von vielen so gesehen. Ein Zeichen
an die Fans, die bisher zusehen mussten, wie namhafte
Stürmer sich der Konkurrenz anschlossen, anstatt
nach Essen zu wechseln. Wasser auf die Wunden der
leidenden RWE-Seele.
Markus Kurth wurde verpflichtet, um die jungen Spieler
zu führen. In Duisburg machte er bisher den Eindruck
eines duften Kumpels, der im Strafraum oft dort steht,
wo ein Stürmer eben stehen muss. Einer, an dem
die jungen Spieler sich aufrichten können, einer
mit Torriecher. Zudem wird Stijn Haeldermans vielleicht
zurückkehren, Sören Brandy ist wieder fit
und auch Stefan Lorenz macht Fortschritte. Für
diesen kommt die Partie allerdings noch zu früh,
er wird ebenso wie sein gesperrter Bruder Michael
fehlen.
Auf Seiten der Gäste werden zwei alte Bekannte
auflaufen. Während Dennis Brinkmann bereits 2003
RWE verließ und nach der Station Aachen in Braunschweig
landete, wechselte Holger Wehlage im Sommer von RWE
zur Hamburger Straße. Auf seinen Empfang darf
man gespannt sein, gehörte er doch nicht zu den
Schlechtesten der letzten Saison. Ein Sieg würde
die drei Punkte aus Wolfsburg vergolden, vorerst zumindest.
Platz 10, welcher erstmal als Ziel ins Auge gefasst
werden sollte, wäre damit in greifbarer Nähe,
der Kontakt zum Mittelfeld wäre wiederhergestellt.
Es ist also ein richtungweisendes Spiel, sowohl für
Essen als auch für Braunschweig.
Und so lasset die Posaunen laut erklingen, bringt
das Kolosseum zum Erzittern, denn die Löwen warten
auf unsere tapferen Gladiatoren!
(tj)
Bilder: 2. Bundesliga 2006/07 Rot-Weiss Essen -
Eintracht Braunschweig 2:0
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