25.11.2007

VfB Lübeck - RWE

 

Wenn schon (Regionalliga-Fußball-)Provinz …

... dann wenigstens mit Kultur. Das dachte ich mir, als ich mich mal wieder von Freunden hab breitschlagen lassen, doch noch mal nach Lübeck zu fahren. Weihnachtsmarkt und traumhaft schöne Altstadt wollte ich dort vor zwei Jahren schon besichtigen. Damals war´s ein Verkehrschaos, das mich davon abhielt, diesmal eine versperrte Hauptstraße, als der Mob der gut 50 „Stolzen Essener“, Durchschnittsalter knapp 16, von einer Hundertschaft mit Blaulicht und Sirene zum Stadion gebracht wurde. Von meinen „wir wollen unbedingt nach Lübeck“-Mitfahrern blieben letztendlich nur drei Leute übrig.

Meine Erinnerungen an Lübeck waren durchwachsen. Beim letzten Zusammentreffen an einem Freitagabend war es bitter kalt gewesen. Das Spiel endete torlos. Dazu saß ich ungünstig auf der Haupttribüne gleich vor ca. 50 kleinen Kindern, die über 90 Minuten „V-f-B-Lüüübeck“ in der Endlosschleife quiekten. Aber immerhin verfügt Lübeck über die wohl schönste Haupttribüne der Regionalliga, man hat keinen Zaun, ist herrlich nah dran und es werden Getränke gleich auf der Tribüne verkauft.

Bei der Ankunft gegen 12 Uhr stelle ich schnell fest, dass sich im Umfeld sowie am Stadion wohl nicht viel geändert hat. Der damalige Rohbau zwischen Hauptstraße und Stadion ist mittlerweile fertig und mit Graffiti wie „Scheiß Gästefans“ bereits übersät. Vor dem Gästeblock gibt’s wie vor zwei Jahren den norddeutschen Sicherheitswahn zu bestaunen. Für die gut 300 anwesenden Gäste stehen gleich mehrere Hundertschaften zur Verfügung, unter anderem die Einheit „Nordland“ mit dem Sonderkommando „Umweltschutz“. Dieses Jahr scheint man aber verstanden zu haben, dass es auch entspannt geht, gab’s doch vor zwei Jahren bereits bei der Ankunft Probleme mit der aktiven Szene. Auch das vorher angekündigte „wir machen erst eine Stunde vor dem Spiel auf“ hat sich dann angesichts der bereits anwesenden Gäste blitzschnell erledigt.

Ich mache mich gegen 13 Uhr auf zur Haupttribüne. Erstens sitze ich mit fast 30 einfach lieber und zweitens haben wir eine „Fotokarte“ vom VfB Lübeck bekommen, die ich mir problemlos auf der Geschäftsstelle abholen kann. Diese ist übrigens gespickt mit einigen Schätzen der Wimpelfreunde. Ich wusste gar nicht, dass in Vietnam auch Fußball gespielt wird. Zur „Fotokarte“, die sich dann als Tribünen-, Foto-, Innenraum, Pressezentrum- & VIP-Karte herausstellt, gibt es noch eine Papiertüte mit der Grundversorgung für Pressevertreter: ein Salami-Brötchen, ein Ei, ein Apfel, eine Mandarine, einen Müsli-Riegel und Multivitaminsaft.

Im Stadion angekommen erhalte ich auf die Frage nach einem Innenraumleibchen von einem Ordner die Info „Ich merk mir Ihr Gesicht. Sie können jetzt ohne Leibchen einfach in den Innenraum, egal wohin, das ist hier ganz locker“. Was die Pressebetreuung angeht haben wir schon einiges erlebt. Aber Lübeck sticht hier wahrlich alle anderen bisherigen Vereine aus, bei denen wir zu Gast sein durften.

Ein Rundgang durchs Stadion und ich hab die Kinder des „V-f-B-Lüüübeck“-Chor´s von vor zwei Jahren wiedergefunden. Sie nennen sich jetzt scheinbar „Ultra-Kollektiv-Lübeck“ und sind einheitlich im üblichen 50/50 zwischen „Football-Factory“ und „schwarzer Block“-Look gekleidet. Und sie pöbeln mich, ohne Gästefanutensilien, auch gleich mal ordentlich an als Fotograf im Innenraum. Da hätt’ ich mir doch eigentlich etwas mehr Dankbarkeit erwartet, haben meine Bilder doch für den ersten größeren Bericht über die Fanszene Lübeck im Magazin „Erlebnis Fußball“ bereit gestanden.

Zum Spiel schreib ich hier mal nichts, dies könnt ihr ausführlich an anderer Stelle nachlesen. Dank Innenraumzugang hatte ich die Gelegenheit, die Aktionen um den Platzverweis für Lübecks Captain hautnah verfolgen zu können. Ein Gerangel zwischen ihm und Guie-Mien ahndete das völlig überforderte Schiedsrichtergespann einseitig mit Platzverweis. Gelb für beide wäre wohl sinnvoller gewesen, was Lübecks Nummer Drei aber auch kaum geholfen hätte, da er schon verwarnt war. Dass es dann nahezu fünf Minuten dauert, bis der Spieler den Rasen verlässt, Schieds- und Linienrichter wütend beschimpft werden und Trainer Uwe Fuchs auch erst nach mehrfacher Aufforderung den Innenraum verlässt, wirkt doch schon etwas chaotisch. Da hätte ein erfahrener Schiedsrichter sicherlich noch deutlicher durchgegriffen. Der Wortschatz, den das Tribünenpublikum in Lübeck für Gästespieler mit polnischem Nachnamen oder dunkler Hautfarbe übrig hat, treibt wohl nicht nur dem Gästefan einen Schauder über den Rücken.

Der Fanblock steht in Lübeck mittlerweile nicht mehr hinter dem Tor, sondern ist in Form eines ca. 400 Mann starken Haufens auf die Haupttribüne gewandert. Auch wenn man sicherlich schon größere Mobs gesehen hat, kann der Block doch teilweise durchaus durch Kreativität im Support, einheitliches Auftreten und der Zaunbeflaggung überzeugen. Das Motto „klein aber geil“ hat hier wohl gegriffen. Und mir persönlich sind gute kleine Gruppen deutlich lieber als eine schweigende Masse, wie z. B. beim WSV. Außerdem zieht hier auch wirklich jeder mit.
Der Rest der Zuschauer beschränkt sich da eher auf das Auspfeifen der eigenen Truppe.

Nach Spielende feierten die Essener Spieler den knappen Sieg mit den mitgereisten Fans, während sich Trainer Fuchs und seine Truppe verbal und körperlich am Schiedsrichtergespann abreagierten. Als dann ein Ordner etwas beherzter zugriff, wurde er Ziel der Attacken. Trainer Uwe Fuchs war hier nicht nur für die eigenen Spieler ein denkbar schlechtes Vorbild, auch der Ultra-Block fühlte sich animiert, gleich wild Richtung Kabinengang zu stürmen. Da sollte sich ein erfahrener Trainer und Ex-Bundesligaspieler besser im Griff haben.

Die Pressekonferenz findet beim VfB im VIP-Raum statt, einem Raum gleich über der Tribüne. Die Pressevertreter stehen hierbei vorne, gleich dahinter die anwesenden VIP´s und Sponsoren. Ich hatte schon befürchtet, meine Aufnahme würde von Zwischenrufen gestört, in Essen wird die PK bekanntlich in den VIP-Bereich übertragen, doch es war alles sehr entspannt und still. Lübecks Trainer verspätete sich noch etwas, wegen einer Ansprache ans Team, in der er verdeutlichte, dass man den Schiedsrichter nicht angehen dürfe, wie er selbst sagte. Ein Medienvertreter feixte dagegen leise was von Polizeigewahrsam was zu einem kleinen Lacher führte.

Am Ende ging’s mit einem 2:1-Auswärtssieg zurück auf die A1. Es bleibt die Erinnerung an einen letztendlich positiven Tag, der durch die fantastische Betreuung abgerundet wurde. Und ich habe mir fest vorgenommen, doch noch mal den Weihnachtsmarkt, der, wie ich erst nach dem Spiel erfuhr, noch gar nicht eröffnet war, beim nächsten Mal zu besuchen und mir die Altstadt der Hansestadt beim nächsten Aufeinandertreffen anzuschauen. Dafür muss der VfB Lübeck aber noch einiges tun, um nicht in der Versenkung der 4. Liga zu verschwinden.


(mn)