Wieder in der Spur
Nach sieben ungeschlagenen und größtenteils
guten Spielen schien eine schlechte Leistung wie gegen
Cottbus II eigentlich unerklärlich. Umso überraschender,
dass bereits wenige Tage nach der 0:1-Heimpleite
aus dem rot-weissen Lager zu hören war, die Mannschaft
selbst habe ihre spielentscheidenden Fehler und Schwächen
erkannt, könne diese ausmerzen und an die starke
Leistung vom 4:0-Sieg in Bremen anknüpfen.
So schickte Heiko Bonan – mit Ausnahme des verletzten
Stefan Lorenz, der durch David Czyszczon ersetzt wurde
– dieselbe Elf wie in Bremen auf das Feld.
Beim HSV fehlte Torjäger Cannizaro verletzt,
Ösi-Torwart Hesl und Maxim Choupo-Moting, Shooting-Star
der Sommervorbereitung bei den Profis, nahmen am Abschlusstraining
der ersten Mannschaft vor deren Spiel in Duisburg
teil.
Nach Ende der Einheit ließen sich auch immer
mal wieder Spieler und Funktionsträger im Stadion
blicken. So verfolgten Trainer Huub Stevens, Geschäftsführer
Bernd Hoffmann und Spieler wie Zidan und van der Vaart
das Geschehen zumindest teilweise vom Spielfeldrand
aus.
Zwar spielten Routinier Otto Addo und Talente wie
Ben-Hatira oder der Amerikaner Zimmerman, ein Blick
auf die Aufstellung der „kleinen“ Rothosen
machte aber deutlich, dass der Star der Hamburger
an diesem Tag recht eindeutig das Stadion war.
Niemand spielt gerne gegen zweite Mannschaften. Aber
immerhin bieten diese ab und an die Gelegenheit, in
den Spielstätten ihrer Profivertretungen anzutreten.
So gehört RWE zu den wenigen Regionalliga-Teams,
die der HSV in der HSH Nordbank Arena antreten lässt
und nicht auf irgendeinen Nebenplatz verfrachtet.
Ein Spiel vor 808 Zuschauern dürfte zwar nur
wenig mit der Stimmung vor besetzten Rängen zu
tun haben,
Akustik und Optik des Stadions sowie die großartige
Sicht auf den Rasen konnten einen aber zumindest für
kurze Momente damit versöhnen, dass RWE gegen
die Amateurmannschaft eines Bundesligisten ran musste.
Die Qualität des Caterings im Stadion ließe
sich jedoch noch deutlich nach oben anheben, ebenso
wie die Preise des selbigen nach unten drücken.
Aber damit steht der HSV bei weitem nicht alleine
da…
Auch die Ordner in der Hansestadt könnten deutlich
entspannter sein, aber so bleibt wenigstens auch dem
Kurzzeit-Besucher der Kusch- und Schill-Flair der
Polizeistadt Hamburg nicht gänzlich verwehrt.
Als auf den Sitzplätzen ein Gästefan der
Öffentlichkeit seinen gestählten Oberkörper
und auf Aufforderung der Stehränge, sich auch
seiner Hose zu entledigen, den blanken Arsch präsentierte,
konnten sich aber selbst ein paar Ordner das Grinsen
nicht mehr verkneifen.
Während dieses Treiben sicherlich nicht jedermanns
Geschmack war, dürften zumindest die Szenen auf
dem Rasen den Gästefans, die knapp über
die Hälfte der Zuschauer stellten, einigermaßen
gefallen haben.
Schon ein paar Minuten nach Anpfiff konnte sich Sören
Brandy durch die gegnerische Defensive wühlen
und setzte einen Schuss recht knapp am Torvorbei.
Weitere gute Gelegenheiten per Kopf wurden erneut
von Brandy und Czyszczon ausgelassen.
Nach einer Viertelstunde kam es dann zur ersten Schrecksekunde
für die Rot-Weissen. David Czyszczon konnte
als letzter Mann den durchbrechenden Preston Zimmerman
ca. 25m vor dem Tor nur durch ein Foul stoppen und
war der letzte Mann. Obwohl die meisten Schiedsrichter
in dieser Szene wohl anders entschieden hätten,
sah er nur den gelben Karton.
Eine Entscheidung, die wohl gerade noch in den Bereich
des Vertretbaren fällt, weil noch einige Essener
in der Nähe waren und keine direkte Torchance
vorlag.
Trotzdem Glück für den RWE, der aber schnell
wieder deutlich machte, wer Herr im Hause war. Gegnerische
Chancen wurden nicht zugelassen, und der Ball lief
gut in den eigenen Reihen. Irgendwann unterbrach Michael
Lorenz dann aber doch mal den Spielfluss, hielt kurz
inne und zog aus 25m ab. HSV Keeper Johannes Höcker
schien etwas überrascht, griff daneben und der
Ball schlug im Netz ein – 0:1!
Sicherlich ein glückliches Tor, aufgrund der
spielerischen Überlegenheit und der zuvor schon
vergebenen Chancen aber hochverdient.
Vor der Pause wurden die rot-weissen Nerven allerdings
noch einmal strapaziert. Während die meisten
seiner Mitspieler aufgerückt waren, wollte der
ansonsten einmal mehr überragende Tim Gorschlüter
den Ball an der Mittellinie eigentlich recht unbedrängt
herausschlagen. Das misslang aber gründlich,
denn ein Querschläger Gorschlüters bediente
den 18jährigen US-Amerikaner Zimmerman (schon
fünf Saisontore) mustergültig.
Dieser
lief alleine aufs Tor zu, lupfte am herausstürmenden
Masuch vorbei und hätte wohl auch das Tor getroffen,
wenn Jozef Kotula nicht mitgelaufen wäre und
den Ball von der Linie gekratzt hätte.
Der Retter Kotula präsentierte sich im Spiel
auch sonst gedankenschnell und zweikampfstark. Außerdem
fiel er immer wieder – man höre und staune!
– durch gute Ecken und Freistöße auf,
die für viel Gefahr im Hamburger Strafraum sorgten.
Nachdem die Essener nach Wiederanpfiff schnell wieder
die Kontrolle übernahmen, segelte nach einer
Stunde auch ein Kotula-Freistoß von halblinks
in den Sechzehner, wo ihn Markus Kurth per Kopf ins
Hamburger Tor verlängerte.
Das 0:2 war sicherlich so etwas wie die Vorentscheidung.
Zwar versuchten die Hamburger weiterhin, ins Spiel
zu kommen. Nennenswerte Torchancen ließen die
Essener aber nicht zu. So musste man zwar nicht fürchten,
sich ein Gegentor zu fangen, hatte aber viel Platz
zum Kontern. Das geschah in der 70. Minute relativ
mustergültig. Nach einem tollen Pass von Guie-Mien
lief Tim Gorschlüter aufs Tor zu und schloss
eiskalt ab. Mit dem 0:3 machte Gorschlüter sein
erstes Regionalliga-Tor überhaupt und stellte
auch den Endstand her.
Dabei
hätte man in der zweiten Halbzeit durch Schüsse
von Kotula und Gorschlüter von der Strafraumgrenze
sowie einen frei aufs Tor laufenden Klinger, der vergeblich
frei vor dem Torwart Guie-Mien anspielen wollte und
somit eine Riesenchance vergab, noch häufiger
treffen können.
An das Spiel in Bremen konnte also tatsächlich
angeknüpft werden. Wieso diese Mannschaft gegen
Cottbus so schlecht gespielt hat, wird für den
Außenstehenden wohl weiter schwer zu deuten
sein. Es bleibt aber festzustellen, dass bei aller
gebotenen Skepsis nach dem Katastrophen-Start und
dem Einbruch der letzten Woche, in letzter Zeit auch
einige tolle Spiele geboten wurden. Nach den ersten
Spieltagen wird es für den Aufstieg vielleicht
nicht mehr reichen, um die Quali für die eingleisige
Dritte Liga wird man sich aber wohl wenig Sorgen machen
müssen.
Das Spiel in Hamburg erweckt den Anschein, dass die
Cottbus-Partie ein Ausrutscher war und Rot-Weiss sich
wieder in der Spur befindet. Und besser als mit einem
3:0-Auswärtssieg könnte man wohl kaum in
eine Woche mit zwei hochinteressanten Heimspielen
gegen den FC Kaiserslautern im Pokal und Dynamo Dresden
in der Liga starten.
(hh)
|
Hamburger SV II
Höcker - Saka, V. Schmidt (54. Torun), Gouhari,
Zott - Kunert, Addo, Ben-Hatira (74. Chr. Wimmer),
Huber - Sam (61. Altundag), P. Zimmerman
Rot-Weiss Essen
Masuch - Czyszczon (75. Klinger), Sereinig, Andersen
- Erfen, M. Lorenz, Gorschlüter, Kotula - Kurth
(69. Kazior), Brandy (80. Stoppelkamp) - Guie-Mien
Tore
0:1 M. Lorenz (28.), 0:2 Kurth (62.), 0:3 Gorschlüter
(69.)
Zuschauer
808
Schiedsrichter
Wenkel (Mühlhausen)
Gelbe Karten
Zott, Ben-Hatira - Czyszczon
|
..... |
Spieler des Spiels
Jawattdenn Spielerbewertung
Masuch |
3
|
Czyszczon |
3-
|
Andersen |
3
|
Sereinig |
3+
|
Erfen |
3
|
Kotula |
2
|
Gorschlüter |
2+
|
Brandy |
3+
|
M. Lorenz |
2
|
Guie-Mien |
2
|
Kurth |
2- |
|