06.08.2007

Fortuna Düsseldorf - RWE

 

Wem lacht die Fortuna?

Ein West-Derby mit Brisanz. Das Gastspiel von RWE bei Fortuna Düsseldorf ist nicht nur geschichtsträchtig, sondern bietet bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison eine ganze Menge an Zündstoff. Nachdem RWE sein Auftaktspiel gegen den zuvor nicht wirklich als bedrohlich empfundenen „kleinen“ Nachbarn aus Oberhausen mit einer historischen 1:4 Klatsche in den Sand gesetzt hat, stehen die Zeichen an der Hafenstraße auf Sturm. Im Moment werden die Worte vom sportlichen Leiter Olaf Janßen, dass die junge Mannschaft genug Qualität für diese Liga biete, genauso kritisch gesehen wie das Vorjahresversprechen, mit dem Abstiegskampf nichts zu tun zu haben. Das Ergebnis ist bekannt. Den Verantwortlichen weht ein ungemütlicher Wind um die Ohren. Die Zweifel an der Kompetenz der Macher werden so jedenfalls nicht ausgeräumt und nachdem es nicht gelungen ist, mit einem Auftaktsieg gegen RWO für Rückenwind zu sorgen, kommt der Partie in der LTU-Arena eine gewichtige Rolle zu. Setzt es beim Auftiegsmitfavoriten aus der Landeshauptstadt eine erneute Niederlage, wird die spannende Frage lauten, wie lange das labile Schiff Hafenstraße sich noch über Wasser halten kann, bis der Orkan über es kommt. Wie explosiv die Lage an der Hafenstraße ist, bekam man schon während des Oberhausen-Matches zu spüren. Nachdem einige Anhänger im Anschluss an den Treffer zum 0:3 im wohlgemerkt ersten Saisonspiel mit dem Schlachtruf „Wir sind Essner und ihr nicht!“ lospolterten, entwickelte sich ein Handgemenge auf der Nordtribüne. Nur eine Randnotiz, aber eine dennoch aussagekräftige Szene. Wenn man schon gegen RWO abgebügelt wird, wie soll es dann erst in Düsseldorf aussehen? Aber halt, da gab es am Samstag ja noch das Pokalspiel gegen Energie Cottbus. Der gleich zwei Klassen höher spielende Gegner wurde von den Rot-Weissen mit einer streckenweise begeisternden Vorstellung und einem Happy-End nach Elferkrimi aus dem Weg geräumt. Ein sichtlich erleichterter Heiko Bonan bilanzierte auf der Pressekonferenz: "Wir haben einen Bundesligisten geschlagen, das darf keiner vergessen. Letzte Woche saßen wir alle am gleichen Platz, alles wurde hinterfragt, die Mannschaft war komplett blind, der Trainer und der Sportliche Leiter haben keine Ahnung. Es wurde sich gefragt, was kaufen die zusammen. Die Truppe hat das Gegenteil bewiesen." Ein deutlicher Seitenhieb auf die Fraktion, die sachliche Analysen zu häufig mit schlecht informierten und stammtischwürdigen Rundumschlägen verwechselt. RWE hat begeistert, stellenweise beeindruckt. Doch das alles zählt am Dienstag zunächst einmal nicht. Düsseldorf wird zumal mit Heimrecht ausgestattet ein dicker Brocken sein.

Um die Spieler Lawaree, Erwig, Cerbe, Pusic, Kastrati Anfang, Lambertz darf man die Fortunen jedenfalls durchaus beneiden. Der Belgier Lawaree netzte in der Vorsaison satte 15-mal für Augsburg in der zweiten Liga, Erwig sicherte sich für die Amateure des verbotenen Klubs die Torjägerkrone in der Oberliga Westfalen. Dass Ivan Pusic verletzt ausfällt und Bekim Kastrati unter den Nachwirkungen eines Kreuzbandrisses leidet, sollte für die Gastgeber deshalb zu verschmerzen sein. Düsseldorf wurde seiner Favoritenrolle in der Liga als einer der ganz wenigen auch sogleich gerecht und siegte hoch verdient mit 1:0 bei Union Berlin, dem neuen Klub von Ex-RWE-Coach Uwe Neuhaus. So ging auch eine schwarze Serie zu Ende. Egal, in welcher Liga es die Fortunen versucht hatten, satte 13 Jahre lang gelang kein Auftaktsieg zu Saisonbeginn. Jedenfalls herrscht Euphorie bei den Rheinländern , was auf eine stattliche Zuschauerzahl schließen lässt.

Wer sich den Fortuen zwischen den RWE-Pfosten entgegen stellen wird, ist derzeit noch offen. Sören Pirson musste gegen RWO viermal hinter sich greifen, viermal war er schuldlos. Doch auszeichnen konnte er sich auch nicht.Daniel Masuch hingegen zeigte sich gegen Energie als sicher in der Luft und wurde im Elferkrimi zum RWE-Helden des Tages. Da aber in der LTU-Arena ein Elfmeterschießen sicher auszuschließen ist, sollte das nicht das Hauptkriterium für die letztliche Entscheidung sein. Wer auch immer im Tor stehen, wird, auf die Essener Abwehr kommt wohl eine Menge Arbeit zu. Und die Defensive zeigte sich beim Ligaauftakt als ausgesprochen verwundbar, wobei vor allem Daniel Sereinig als Abwehrchef einen alles andere als guten Einstand feierte. Mr. Zuverlässig Stefan Lorenz wurde bitterlich vermisst, fällt aber weiter aus. Gegen Cottbus zeigten sich alle im Abwehrverband, auch und vor allem Sereinig stark verbessert, obwohl es dennoch hier und da hakte. des Okay, wenn man hinten nicht ganz so gut steht, müssen halt vorne die Dinger rein. So weit so gut. Der augenblickliche Sturmführer Vincent Wagner ist ein Lehrling, für den die Liga noch ein wenig zu früh kommt. Im Pokal wurde er ab Mitte der zweiten Hälfte als Mittelfeldspieler ins kalte Wasser geworfen, kämpfte für Zwei und verwandelte den entscheidenden Elfer kaltschnäuzig. Andre Schei Lindbaek ist zwar nun spielberechtigt, hat aber seine Problemchen mit der Fitness. Das war ihm auch im Pokaleinsatz anzumerken, gleichzeitig aber auch eine Portion Cleverness in Punkto Abschirmen des Spielgerätes. Wie stehen Essens Chancen also? Eine Sache sollte Mut machen, in der LTU-Arena werden die Rot-Weissen nicht das Spiel machen müssen und können auf Konter setzen. Vielleicht zeigt sich dann auch in der Liga die wahre Stärke der laufstarken und schnellen Spieler wie Sören Brandy, Tim Erfen, Sercan Güvenisik und Vincent Wagner. Gegen Cottbus war die Offensivleistung jedenfalls ansehlich. Güvenisik überragte mit tollen Antritten, einer Torvorbereitung und einem eigenen Treffer Marke Tor des Monats. Rafael Kazior nutzte die sich ihm bietende einzige Chance eiskalt zum zwischenzeitlichen 1:1. Im Mittelfeld lenkte Tim Gorschlüter das Spiel schon wie ein Großer und war von teilweise drei Gegenspielern gleichzeitig nicht vom Ball zu trennen. In dem einen Jahr in Ahlen scheint er unter eben Trainer Heiko Bonan einen Quantensprung gemacht zu haben. Stellt sich noch die Frage, wie sehr der enorme Kräfteverschleiß der Essener am Dienstag eine Rolle spielen wird. Die Regenerationszeit ist kurz, die Spielansetzung bei einer im Pokal nicht vertretenen Fortuna entbehrt nicht einer gewissen Form von Wettbewerbsverzerrung. Gerade vor diesem Hintergrund sollte RWE in der Landeshauptstadt wohl erstmal kompakt auftreten. Oberhausen zu kopieren, das Essen kommen ließ und vorne fast jeden Chance verwertete, könnte ein lohnendes Erfolgsmodell für die Rot-Weissen werden. Für den gebeutelten RWE-Anhänger wäre eine Wiederholung des Triumphes vom August 2005 jedenfalls Balsam auf die tiefen Wunden.

Wir erinnern uns zurück, am dritten Spieltag der Saison 2005/06 lagen die Essener schnell mit 0:2 in Düsseldorf zurück. Doch am Ende wurde gefeiert, weil Michael Bemben seinen besten Tag im RWE-Trikot, wahrscheinlich sogar den besten Tag in seiner Karriere erwischt hatte. Gleich zwei direkte Freistöße drehte der etatmäßige Rechtsverteidiger in den Winkel und verwandelte außerdem einen Elfmeter. Den vierten Treffer steuerte Holger Wehlage ebenfalls per Strafstoß bei. Nach der Depression am Anfang jubelten die Rot-Weissen am Ende ekstatisch.

Überhaupt ist Düsseldorf gegen Essen etwas für den Fußball-Nostalgiker. Beide Mannschaften bringen es zusammen auf zwei Deutsche Meisterschaften, drei Pokalsiege und sogar eine Teilnahme an einem Europapokalfinale. Von dieser Seite aus gesehen gibt es in der Regionalliga Nord kaum ein größeres Spiel. Fortuna errang den Meistertitel 1933, RWE 1955. Essen wurde im Jahre 1953 erster Pokalsieger nach dem zweiten Weltkrieg. Übrigens in Düsseldorf. Die Fortuna holte sich mit ihrer wohl besten Truppe aller Zeiten die Pokaltitel 1979 und 1980. Das Team um die Gebrüder Allofs erreichte 1979 sogar das Europokalfinale gegen den großen CF Barcelona. Mit 3:4 unterlag man in Basel nur knapp. Auch RWE schrieb Europokalgeschichte. Zwar war man weit von einem Finale entfernt, aber Essen war 1955 der erste deutsche Vereinsvertreter im Landesmeister-Wettbewerb überhaupt. Ein Glanzlicht des deutschen Fußballs schrieben beide Vereine gar gemeinsam. 1956 gastierte Honved Budapest, die neben Real Madrid wohl beste Vereinsmannschaft der Welt, die fast identisch war mit dem einstigen ungarischen Wunderteam um Ferenc Puskas herum, an der Essener Hafenstraße. Dort trafen die prominenten Gäste auf eine Kombination aus RWE und Fortuna Düsseldorf, die restlos begeisterten Zuschauer, die sogar auf den Flutlichtmasten Platz suchten, erlebten ein einzigartiges 5:5. Legendär und unvergesslich.Dass ihre beiden Vereine einst gemeinsam Fußballgeschichte schrieben, interessiert die Anhänger heute nicht mehr die Bohne. Man mag sich nicht. Nachhaltig vergiftet wurde das Verhältnis der Fanlager, als Fortunen Fans bei einem Gastspiel in Essen während der Saison 2001/02 ein Plakat mit der Aufschrift „Wir grüßen den Nazi-Verein von Schwarz-Weiss-Rot Essen 04“ enthüllten. Ein überflüssiges Spiel mit Klischees. Auch deshalb genossen die RWE-Anhänger einen Tag im Mai 2004 ganz besonders. Im ARAG-Pokalfinale ging es zwischen Düsseldorf und Essen um die direkte Qualifikation für die erste Runde des DFB-Pokals. Die Fortuna war nach einem Intermezzo in der vierten Liga bereits wieder in die Regionalliga aufgestiegen. RWE stand wenige Tage vor einem vorentscheidenden Match um den Aufstieg in Liga Zwei gegen Paderborn. Trainer Gelsdorf wollte kein Risiko eingehen und bot eine Elf bestehend aus wenigen Stammkräften, Akteuren aus der Landesliga-Reserve und der A-Jugend auf. Im Falle des Aufstiegs wäre man eh für den Wettbewerb qualifiziert gewesen. Aber die rot-weisse Rasselbande zeigte der siegesgewissen Fortuna eine ganz lange Nase und putzte diese mit 2:0 weg. „Mit der Jugend holn’ wir den Pokal“ war die befriedigte Essener Parole in Richtung der zahlreichen Düsseldorfer, die sich in einem schlechten Film wähnten. Die Konstellation am Dienstag ist ähnlich. Eine favorisierte Düsseldorfer Fortuna trifft auf einer runderneuerte und junge RWE-Truppe, der trotz des letzten Erfolges noch nicht viel zugetraut wird. Vielleicht sogar deshalb könnte die Glücksgöttin Fortuna den Essener Pokalhelden lachen. Auf ihr Rot-Weissen, macht es noch einmal!


(sm)


Bilder: Regionalliga Saison 2005/06 Derbys gegen Düsseldorf


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Bilanz gegen Düsseldorf


DFB-Pokal
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Siege
Remis
Niederl.
Gesamt
Heim
1
0
0
1
Auswärts
0
0
1
1
Gesamt
1
0
1
2

1. Bundesliga
.
Siege
Remis
Niederl.
Gesamt
Heim
1
1
3
5
Auswärts
0
1
4
5
Gesamt
1
2
7
10

2. Bundesliga
.
Siege
Remis
Niederl.
Gesamt
Heim
0
1
1
2
Auswärts
0
0
2
2
Gesamt
0
1
3
4


Quelle: Fussballdaten.de

 


.....

Regionalliga-Nord
.
Siege
Remis
Niederl.
Gesamt
Heim
1
1
1
3
Auswärts
1
2
0
3
Gesamt
2
3
1
6

Regionalliga-West
.
Siege
Remis
Niederl.
Gesamt
Heim
2
0
1
3
Auswärts
0
0
3
3
Gesamt
2
0
4
6

Gesamt
.
Siege
Remis
Niederl.
Gesamt
Heim
5
3
6
14
Auswärts
1
3
10
14
Gesamt
6
6
16
28