Nullnummer in Emden
Mit
der Überschrift ist alles, ja wirklich alles
zu diesem Spiel gesagt. Eigentlich. Denn während
man in Emden aus der Perspektive eines sicheren Qualifikationsplatzes
kein Problem damit haben dürfte, dieses Spiel
unter „War nix, Mund abwischen, weiter geht´s!“
einzuordnen, ist in Essen die Situation eine andere.
Der Trend zeigt immer mehr, dass sich nach der Winterpause
trotz eines quantitativ und qualitativ stärkeren
Kaders nicht viel ändert: Starke Auftritte, die
häufig trotzdem nicht gewonnen werden, und schwache
Auftritte, bei denen es schon an Torchancen mangelt,
alternieren wöchentlich. In Emden war wieder
Alternative II an der Reihe. Die mutige Ausrichtung
vom Braunschweig-Spiel wich einem massiven Abwehrbollwerk
mit rudimentärem Angriffsspiel.
Bonan wirbelte die Mannschaft kräftig durcheinander:
Für die angeschlagenen Sereinig und Brandy rückten
Klinger und Jans ins Team, der gesperrte Erfen wurde
durch Czyszczon ersetzt und überraschend musste
auch Andersen seinen Platz für Schäfer räumen.
Die Startfelf komplettierten Masuch, Joseph-Augustin,
Gorschlüter, Kotula, Lorenz, Guie-Mien und Kurth.
Was direkt auffiel: Mit sieben nominellen Defensivspielern
war mit einer offensiven Ausrichtung wie in Braunschweig
nicht zu rechnen. Zudem verzichtete Bonan gänzlich
auf offensive Flügelspieler, Gorschlüter
auf links und Klinger auf rechts versuchten auf ungewohnten
Positionen mehr schlecht als recht, diese Lücke
zu stopfen. Auch ohne Flügelspieler setzte Bonan
dennoch auf zwei „Stoßstürmer“,
vermutlich um mit hohen Bällen zu operieren.
Güvenisik blieb zu Hause, offiziell, da die Emder
Platzverhältnisse ihm nicht lägen. Inoffiziell
berichtete Radio Essen von einer disziplinarischen
Maßnahme nach abfälligen Bemerkungen Güvenisiks
gegenüber Trainer und Mannschaft.
Wie nach Bekanntgabe der Aufstellung erwartet bzw.
befürchtet fand bei RWE Flügelspiel in der
ersten Halbzeit nicht statt, es fehlten allerdings
auch hohe Bälle auf die Spitzen, so dass erst
in der 45. Minute (!) der erste Torschuss in Richtung
des frierenden Emder Keepers Rickert zu verzeichnen
war – natürlich nicht aus dem Spiel heraus,
sondern nach einem direkten Freistoß. Dieser
flog über das Tor.
Emden zeigte den Versuch eines Flügelspiels gegen
tief stehende Essener, hin und wieder konnte man sich
vornehmlich
über die rechte Abwehrseite auch durchsetzen,
aber die sehr sicher stehende Innenverteidigung ließ
nicht mehr als Halbchancen zu.
Eine von Kampf geprägte und spielerisch auf grausamen
Niveau geführte erste Halbzeit hätte mit
keinem anderen Ergebnis als 0:0 enden können.
Sicher, der Platz in Emden ist schwierig zu bespielen
gewesen. Keine Frage, Emden ist das heimstärkste
Team der Liga. Aber weshalb nicht wie in Braunschweig
zumindest der Versuch unternommen wurde, ein Tor zu
erzielen, blieb Bonans Geheimnis. Spätestens
als mit Guie-Mien der einzige Spieler im Kader ausgewechselt
wurde, dem man noch im weitesten Sinne den Begriff
„Torjäger“ zuordnen kann, war klar,
dass es nur noch um das Ermauern eines torlosen Unentschiedens
geht (55.). Ein Wechsel, den kaum jemand nachvollziehen
konnte, auch Guie-Mien selbst nicht, was zu einer
kleinen Diskussion zwischen ihm und Bonan an der Seitenlinie
führte. Wurde für Guie-Mien zumindest noch
ein offensiver Akteur eingewechselt (Brandy), so musste
nur sieben Minuten später der enttäuschende
Jans gar einem weiteren Abwehrspieler (Andersen) weichen.
Mit nur einem verbleibenden Stürmer (Kurth) und
einem offensiven Mittelfeldmann (Brandy) plätscherte
die zweite Halbzeit ohne einen einzigen Torschuss(!)
von Essener Seite dahin. Daran konnte – man möchte
fast sagen selbstverständlich – auch die
Einwechslung der personifizierten Harmlosigkeit Kazior
(für Kurth) nichts mehr ändern (80).
Auch die Geschehnisse auf der Gegenseite sind schnell
getippt: Emden rannte zwar unentwegt an, spätestens
am 16er war aber Endstation für den Emder Offensivzug.
Die einzige Torchance vereitelte Masuch, der einen
unplatzierten Kopfstoß von Kapitän Zedi
locker herunterpflücken konnte (60.). Zittern
musste man nur einmal in der gefürchteten Schlussminute,
als Moosmayer Anlauf für einen direkten Freistoß
nahm. Der Ball flog jedoch am linken Pfosten vorbei
und es blieb beim einzig gerechten Ergebnis.
Es
bleiben viele Fragen zu diesem Spiel offen, insbesondere
Verständnisfragen bezüglich Aufstellung
und System:
Wie sollten mit nur einem offensiven Mittelfeldspieler
und ohne Flügelspieler die Stoßstürmer
gefüttert werden? Mit Benjamin Baltes saß
ein flexibel einsetzbarer Flügelspieler auf der
Bank. Wenn er nicht mal nach Erfens Sperre und Brandys
Verletzung eingesetzt wird, darf man ihn wohl bereits
jetzt in die Liste der kostspieligen Fehleinkäufe
einordnen.
Welchen Zweck hatte die Systemumstellung von Dreier-
auf Viererkette während des Spiels? Beide Varianten
führten zu einer stabilen Deckung und einem harmlosen
Angriff.
Weshalb wurde mit Guie-Mien der einzige Spieler ausgewechselt,
dem man ein Tor zutrauen kann? Weshalb kommt immer
wieder Kazior ins Spiel? Rennen und Kämpfen können
auch unsere Verbandsligagoalgetter.
Von der ursprünglichen Winterpausenzielsetzung,
oben anzugreifen, haben sich spätestens seit
gestern nicht nur die größten Optimisten,
sondern auch die Phantasten verabschiedet. Dass man
nach nur fünf Spieltagen seit Restrundenbeginn
aber mit vier Punkten Rückstand auf Platz 10
hochschaut, damit haben auch unverbesserliche Pessimisten
kaum gerechnet. Wir haben inzwischen einen solch großen
Kader, dass man zwei Mannschaften stellen könnte,
die qualitativ in der Lage sein müssten, unter
den ersten 10 zu landen. Vom Beginn einer kleinen
Serie, die inzwischen für das Erreichen der 3.
Liga notwendig geworden ist, sind wir weit entfernt.
Inzwischen verfestigt sich der Eindruck: Wenn wir
die Quali noch schaffen sollten, dann nicht dank,
sondern trotz Heiko Bonan.
Wenn so wie in Emden das tragfähige Konzept zur
Verbesserung der Offensivleistung, das Bonan vor zwei
Wochen im Krisengespräch dem Vorstand präsentierte,
aussieht, dann kann es nur eine Konsequenz geben.
Eigentlich.
(mj)
.
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Kickers Emden
Rickert - Nägelein, Rauw, Spahic, Krük -
Zedi, Tornieporth (85. Cartus), Nehrbauer, Moosmayer
- Reichwein (67. Neitzel), Vujanovic
Rot-Weiss Essen
Masuch - Czyszczon, Joseph-Augustin, Schäfer
- Klinger, Kotula, M. Lorenz, Gorschlüter - Guie-Mien
(55. Brandy), Kurth (80. Kazior) - Jans (62. Andersen)
Tore
Fehlanzeige
Zuschauer
4.818
Schiedsrichter
Kuhl (Köln)
Gelbe Karten
Nehrbauer, Nägelein - M. Lorenz, Brandy
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..... |
Spieler des Spiels
Jawattdenn Spielerbewertung
Masuch |
3
|
Schäfer |
3
|
Czyszczon |
3
|
Joseph-Augustin |
3
|
Klinger |
3
|
Kotula |
4+
|
Gorschlüter |
3
|
Guie-Mien |
3
|
Kurth |
3-
|
Jans |
4-
|
Brandy |
3+ |
Andersen |
3 |
|