15.03.2008

Eintracht Braunschweig - RWE

 

Lorenz stößt den Bock um – und eigenes Unvermögen richtet ihn wieder auf

BTSV - RWE„Wir werden die letzten 13 Spiele als eigenständige Tabelle betrachten“, verkündete Olaf Janßen vor der Partie in Braunschweig. Aus seiner Sicht müsste damit nach den verpatzten Hin- und Rückrundenauftaktpartien der dritte Fehlstart der Saison perfekt sein. Dabei war RWE (mal wieder) lange Zeit die bessere Mannschaft, führte lange verdient durch Lorenz mit 1:0 und hatte kaum Probleme mit den biederen Braunschweiger Angriffsbemühungen. Doch nach einem völlig unnötigen Platzverweis von Tim Erfen kippte das Spiel: zwei Angriffe über eine verwaiste linke Abwehrseite in Kombination mit Orientierungslosigkeit in der bis dahin sicheren Abwehr bescherten der Eintracht in der Schlussphase noch einen nicht mehr für möglich gehaltenen Sieg.

Heiko Bonan verzichtete nach zuletzt schwachen Leistungen auf die Winterpausen-Knippserhoffnung Jans und startete mit Gui-Mien und Kurth im Angriffszentrum. Zur Überraschung Vieler ließ er mit einer Viererkette (Andersen, Sereinig, Augustin, Kotula) vor Daniel Masuch agieren, die der Braunschweiger Startoffensive den Wind aus den Segeln nehmen sollte. Die Startelf wurde komplettiert durch die „Doppel-6“ Lorenz/ Gorschlüter sowie durch die Flügelspieler Brandy und Erfen.

Der Spielbeginn war aus Essener Sicht noch recht holprig – Braunschweig startete wie erwartet offensiv und schon nach vier Minuten musste Masuch nach einem Fehler Sereings erstmals eingreifen, als er einen Flachschuss aus 16 Metern entschärfte. Mit jeder weiteren Spielminute bekam Essen das Geschehen jedoch immer mehr in den Griff. Nach dem ersten Konterangriff über Brandy und Erfen schloss Kurth überhastet in aussichtsreicher Position ab – sein Schuss flog am Tor vorbei (13.)
Kurz darauf war es Lorenz, der nach einer Gui-Mien Ecke abzog, doch auf der Torlinie war ein Braunschweiger Abwehrspieler aufmerksam (15.).

BTSV - RWERWE hatte nun nicht nur die Braunschweiger Offensive unter Kontrolle, sondern auch selbst größere Spielanteile. Kurth traf mit einer Kopfballbogenlampe nur die Lattenoberkante, Andersen hatte zuvor mustergültig geflankt (25.).

Als das Spiel ein wenig verflachte und alle auf den Pausenpfiff warteten, schlug RWE doch noch zu: Ein Lehrbuchkonter über Gorschlüter und Gui-Mien fand in Michael Lorenz seine finale Station, der kaltschnäuzig an Keeper Horn vorbei zum 0:1 einschob (44.)! Ein eminent wichtiger Treffer zu einem in der Regel psychologisch sehr günstigen Zeitpunkt.

Die zweite Halbzeit begann Braunschweig mit wütenden Angriffen, die aber spätestens am eigenen Strafraum abgefangen wurden. So war auch die zweite Drangphase der Hausherren schnell verpufft und es entwickelte sich ein Mittelfeldgeplänkel, wobei vor allem die in der Pflicht stehenden Braunschweiger zündende Ideen vollständig vermissen ließen. Erster Unmut machte sich im Publikum breit, der aber urplötzlich in große Hoffnung und einer neuen Anfeuerungswelle umschwenkte: Bereits mit "Gelb" verwarnt ließ sich Tim Erfen vor den Augen des Schiedsrichters dazu hinreißen, vor einem Braunschweiger Freistoß den Ball wegzukicken – und Tschüss! (63.). Von nun an begann ein anderes Spiel. RWE zog sich tief in die eigene Hälfte zurück und überließ der Eintracht das Mittelfeld. Den weiterhin ideenlosen Angriff der Hausherren hatten konzentrierte Rot-Weiße dank zweier solider Viererketten sicher im Griff. Die planlosen und unpräzisen Langhölzer aus dem Halbfeld waren dabei stets eine sichere Beute von Masuch. Die Braunschweiger Harmlosigkeit blieb zunächst auch bestehen, als Sereinig verletzungsbedingt seinen Platz für Czyszczon räumen musste.

Gekontert wurde zwar meist nur noch zu dritt, doch einige dieser Konter hatten es in sich: Nach einer gelungenen Ballstafette stand Gui-Mien frei vor Horn und konnte sich aussuchen, ob er den Ball mit Innenrist, Außenrist oder Vollspann in die verwaiste lange Ecke einschieben möchte. Er entschied sich zu Letzterem und traf den Außenpfosten (79.).

BTSV - RWENur zwei Minuten später bot sich erneut eine dicke Chance zur Vorentscheidung. Diesmal kam Mario Klinger am Fünfmeterraum völlig freistehend zum Kopfstoß, nun flog der Ball aber ohne Pfostenberührung nicht nur am Braunschweiger Torwart, sondern auch am Pfosten vorbei. Es sollte die letzte kläglich vergebene Torchance bleiben (81.).

Nun zog sich RWE noch weiter zurück und wollte den Vorsprung über die Zeit mauern. Unerklärlich blieb dabei, weshalb die linke Abwehrseite nun völlig geöffnet wurde und hier dem Gegner nicht mehr wie zuvor die Räume dicht gemacht wurden. Diese plötzlichen Freiräume nutzte die Eintracht eiskalt.
Ein kurz ausgeführter Freistoß sorgte für Verwirrung im Essener Abwehrmassiv, mehrere Klärungsversuche scheiterten. Dennis Kruppke bedankte sich im Liegen mit dem 1:1 (84.).

Man musste nicht jahrelang RWE-Fan sein, um nach dem Ausgleich richtig zu prophezeien, wie dieses Spiel weiterlaufen würde. So dauerte es keine zwei Minuten, bis die bitteren Voraussagen Wirklichkeit wurden. Erneut konnte der rechte Flügel der Eintracht problemlos bis zur Torauslinie vormarschieren; erst dort wartete der erste Essener Verteidiger, der nur noch zur Ecke klären konnte. Nach einer zu kurzen Kopfballabwehr war es schließlich der eingewechselte Wirbelwind Rodriguez, der mit einem satten Schuss an Freund und Feind vorbei zum 2:1 einnetzte und damit den Spielverlauf auf den Kopf stellte (86.). Im Anschluss daran vergab die Eintracht noch zwei viel versprechende Konterchancen gegen nun konsternierte Essener.

Nach zwei Minuten Nachspielzeit war die bittere Niederlage in einem (diesmal wohl wirklich) richtungweisenden Spiel besiegelt.

Die ausgeglichene erste Hälfte der Liga schauen wir uns nun in Demutshaltung zusammen mit Cottbus II, BTSV - RWEMagdeburg und Babelsberg von unten an. Bonan äußerte sich im letzten Jawattdenn-Interview dahingehend, dass er an einen möglichen Abstieg „keinen Gedanken“ verschwende – das wird er auch nicht müssen, sollte RWE aus Emden erneut mit leeren Händen heimkehren. Zwar stimmte heute die Leistung im Großen und Ganzen, aber gute Spiele ohne Sieg haben wir schon in der Hinrunde mit verletzungsbedingten Notbesetzungen gesehen. Bis heute hat sich kaum etwas geändert, obwohl inzwischen bis auf Stefan Lorenz alle potenziellen Leistungsträger plus drei namhafte Winterpausenneuzugänge zur Verfügung stehen.

Im Gegenteil, die Mannschaft war in der Hinrunde streckenweise schon weiter als sie jetzt ist. Mit großen Ankündigungen ist man in der vergangenen Saison schon nicht gut gefahren („Wir werden mit dem Abstieg nichts zu tun haben!“), in dieser tut man es auch nicht („Wir werden oben angreifen!“). Großkotzigkeit sollte man in Zukunft allein den Wuppertalern überlassen. Zumindest für den Rest der Saison werden diese „mutigen“ Aussagen vermutlich den üblichen Durchhalteparolen weichen. Dem schlafenden Möchtegernriesen droht nun ein längerer Winterschlaf.


(mj)


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Eintracht Braunschweig

Horn - Washausen (46. Kumbela), Yildirim, Nastase, Henn - Danneberg, Lenze (65. Rodrigues), B. Fuchs (46. Oehrl) - Kruppke, Schembri, L. Fuchs



Rot-Weiss Essen

Masuch - Kotula, Joseph-Augustin, Sereinig (73. Czyszczon), Andersen - M. Lorenz, Gorschlüter - Erfen, Guie-Mien, Brandy (59. Güvenisik) - Kurth (69. Klinger)


Tore

0:1 M. Lorenz (44.), 1:1 Kruppke (84.), 2:1 Rodrigues (85.)


Zuschauer

16.200


Schiedsrichter

Metzen (Mechernich)


Gelbe Karten

Kumbela, Lenze - Guie-Mien, Andersen


Gelb-rote Karte

Erfen (Essen) wegen einer Unsportlichkeit (62.)












.....

 

Spieler des Spiels


Michael Lorenz

Jawattdenn Spielerbewertung

 

Masuch
2-
Andersen
4
Sereinig
4+
Joseph-Augustin
2
Erfen
5+
Kotula
2-
Gorschlüter
3-
Brandy
4+
M. Lorenz
2-
Kurth
4+
Guie-Mien 3+
Güvenisik 3-