Lorenz stößt den Bock um – und eigenes
Unvermögen richtet ihn wieder auf
„Wir
werden die letzten 13 Spiele als eigenständige
Tabelle betrachten“, verkündete Olaf Janßen
vor der Partie in Braunschweig. Aus seiner Sicht müsste
damit nach den verpatzten Hin- und Rückrundenauftaktpartien
der dritte Fehlstart der Saison perfekt sein. Dabei
war RWE (mal wieder) lange Zeit die bessere Mannschaft,
führte lange verdient durch Lorenz mit 1:0 und
hatte kaum Probleme mit den biederen Braunschweiger
Angriffsbemühungen. Doch nach einem völlig
unnötigen Platzverweis von Tim Erfen kippte das
Spiel: zwei Angriffe über eine verwaiste linke
Abwehrseite in Kombination mit Orientierungslosigkeit
in der bis dahin sicheren Abwehr bescherten der Eintracht
in der Schlussphase noch einen nicht mehr für
möglich gehaltenen Sieg.
Heiko Bonan verzichtete nach zuletzt schwachen Leistungen
auf die Winterpausen-Knippserhoffnung Jans und startete
mit Gui-Mien und Kurth im Angriffszentrum. Zur Überraschung
Vieler ließ er mit einer Viererkette (Andersen,
Sereinig, Augustin, Kotula) vor Daniel Masuch agieren,
die der Braunschweiger Startoffensive den Wind aus
den Segeln nehmen sollte. Die Startelf wurde komplettiert
durch die „Doppel-6“ Lorenz/ Gorschlüter
sowie durch die Flügelspieler Brandy und Erfen.
Der Spielbeginn war aus Essener Sicht noch recht holprig
– Braunschweig startete wie erwartet offensiv
und schon nach vier Minuten musste Masuch nach einem
Fehler Sereings erstmals eingreifen, als er einen
Flachschuss aus 16 Metern entschärfte. Mit jeder
weiteren Spielminute bekam Essen das Geschehen jedoch
immer mehr in den Griff. Nach dem ersten Konterangriff
über Brandy und Erfen schloss Kurth überhastet
in aussichtsreicher Position ab – sein Schuss
flog am Tor vorbei (13.)
Kurz darauf war es Lorenz, der nach einer Gui-Mien
Ecke abzog, doch auf der Torlinie war ein Braunschweiger
Abwehrspieler aufmerksam (15.).
RWE
hatte nun nicht nur die Braunschweiger Offensive unter
Kontrolle, sondern auch selbst größere
Spielanteile. Kurth traf mit einer Kopfballbogenlampe
nur die Lattenoberkante, Andersen hatte zuvor mustergültig
geflankt (25.).
Als das Spiel ein wenig verflachte und alle auf den
Pausenpfiff warteten, schlug RWE doch noch zu: Ein
Lehrbuchkonter über Gorschlüter und Gui-Mien
fand in Michael Lorenz seine finale Station, der kaltschnäuzig
an Keeper Horn vorbei zum 0:1 einschob (44.)! Ein
eminent wichtiger Treffer zu einem in der Regel psychologisch
sehr günstigen Zeitpunkt.
Die zweite Halbzeit begann Braunschweig mit wütenden
Angriffen, die aber spätestens am eigenen Strafraum
abgefangen wurden. So war auch die zweite Drangphase
der Hausherren schnell verpufft und es entwickelte
sich ein Mittelfeldgeplänkel, wobei vor allem
die in der Pflicht stehenden Braunschweiger zündende
Ideen vollständig vermissen ließen. Erster
Unmut machte sich im Publikum breit, der aber urplötzlich
in große Hoffnung und einer neuen Anfeuerungswelle
umschwenkte: Bereits mit "Gelb" verwarnt
ließ sich Tim Erfen vor den Augen des Schiedsrichters
dazu hinreißen, vor einem Braunschweiger Freistoß
den Ball wegzukicken – und Tschüss! (63.).
Von nun an begann ein anderes Spiel. RWE zog sich
tief in die eigene Hälfte zurück und überließ
der Eintracht das Mittelfeld. Den weiterhin ideenlosen
Angriff der Hausherren hatten konzentrierte Rot-Weiße
dank zweier solider Viererketten sicher im Griff.
Die planlosen und unpräzisen Langhölzer
aus dem Halbfeld waren dabei stets eine sichere Beute
von Masuch. Die Braunschweiger Harmlosigkeit blieb
zunächst auch bestehen, als Sereinig verletzungsbedingt
seinen Platz für Czyszczon räumen musste.
Gekontert wurde zwar meist nur noch zu dritt, doch
einige dieser Konter hatten es in sich: Nach einer
gelungenen Ballstafette stand Gui-Mien frei vor Horn
und konnte sich aussuchen, ob er den Ball mit Innenrist,
Außenrist oder Vollspann in die verwaiste lange
Ecke einschieben möchte. Er entschied sich zu
Letzterem und traf den Außenpfosten (79.).
Nur
zwei Minuten später bot sich erneut eine dicke
Chance zur Vorentscheidung. Diesmal kam Mario Klinger
am Fünfmeterraum völlig freistehend zum
Kopfstoß, nun flog der Ball aber ohne Pfostenberührung
nicht nur am Braunschweiger Torwart, sondern auch
am Pfosten vorbei. Es sollte die letzte kläglich
vergebene Torchance bleiben (81.).
Nun zog sich RWE noch weiter zurück und wollte
den Vorsprung über die Zeit mauern. Unerklärlich
blieb dabei, weshalb die linke Abwehrseite nun völlig
geöffnet wurde und hier dem Gegner nicht mehr
wie zuvor die Räume dicht gemacht wurden. Diese
plötzlichen Freiräume nutzte die Eintracht
eiskalt.
Ein kurz ausgeführter Freistoß sorgte für
Verwirrung im Essener Abwehrmassiv, mehrere Klärungsversuche
scheiterten. Dennis Kruppke bedankte sich im Liegen
mit dem 1:1 (84.).
Man musste nicht jahrelang RWE-Fan sein, um nach dem
Ausgleich richtig zu prophezeien, wie dieses Spiel
weiterlaufen würde. So dauerte es keine zwei
Minuten, bis die bitteren Voraussagen Wirklichkeit
wurden. Erneut konnte der rechte Flügel der Eintracht
problemlos bis zur Torauslinie vormarschieren; erst
dort wartete der erste Essener Verteidiger, der nur
noch zur Ecke klären konnte. Nach einer zu kurzen
Kopfballabwehr war es schließlich der eingewechselte
Wirbelwind Rodriguez, der mit einem satten Schuss
an Freund und Feind vorbei zum 2:1 einnetzte und damit
den Spielverlauf auf den Kopf stellte (86.). Im Anschluss
daran vergab die Eintracht noch zwei viel versprechende
Konterchancen gegen nun konsternierte Essener.
Nach zwei Minuten Nachspielzeit war die bittere Niederlage
in einem (diesmal wohl wirklich) richtungweisenden
Spiel besiegelt.
Die ausgeglichene erste Hälfte der Liga schauen
wir uns nun in Demutshaltung zusammen mit Cottbus
II, Magdeburg
und Babelsberg von unten an. Bonan äußerte
sich im letzten Jawattdenn-Interview dahingehend,
dass er an einen möglichen Abstieg „keinen
Gedanken“ verschwende – das wird er auch
nicht müssen, sollte RWE aus Emden erneut mit
leeren Händen heimkehren. Zwar stimmte heute
die Leistung im Großen und Ganzen, aber gute
Spiele ohne Sieg haben wir schon in der Hinrunde mit
verletzungsbedingten Notbesetzungen gesehen. Bis heute
hat sich kaum etwas geändert, obwohl inzwischen
bis auf Stefan Lorenz alle potenziellen Leistungsträger
plus drei namhafte Winterpausenneuzugänge zur
Verfügung stehen.
Im Gegenteil, die Mannschaft war in der Hinrunde streckenweise
schon weiter als sie jetzt ist. Mit großen Ankündigungen
ist man in der vergangenen Saison schon nicht gut
gefahren („Wir werden mit dem Abstieg nichts
zu tun haben!“), in dieser tut man es auch nicht
(„Wir werden oben angreifen!“). Großkotzigkeit
sollte man in Zukunft allein den Wuppertalern überlassen.
Zumindest für den Rest der Saison werden diese
„mutigen“ Aussagen vermutlich den üblichen
Durchhalteparolen weichen. Dem schlafenden Möchtegernriesen
droht nun ein längerer Winterschlaf.
(mj)
.
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Eintracht Braunschweig
Horn - Washausen (46. Kumbela), Yildirim, Nastase,
Henn - Danneberg, Lenze (65. Rodrigues), B. Fuchs
(46. Oehrl) - Kruppke, Schembri, L. Fuchs
Rot-Weiss Essen
Masuch - Kotula, Joseph-Augustin, Sereinig (73. Czyszczon),
Andersen - M. Lorenz, Gorschlüter - Erfen, Guie-Mien,
Brandy (59. Güvenisik) - Kurth (69. Klinger)
Tore
0:1 M. Lorenz (44.), 1:1 Kruppke (84.), 2:1 Rodrigues
(85.)
Zuschauer
16.200
Schiedsrichter
Metzen (Mechernich)
Gelbe Karten
Kumbela, Lenze - Guie-Mien, Andersen
Gelb-rote Karte
Erfen (Essen) wegen einer Unsportlichkeit (62.)
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..... |
Spieler des Spiels
Jawattdenn Spielerbewertung
Masuch |
2-
|
Andersen |
4
|
Sereinig |
4+
|
Joseph-Augustin |
2
|
Erfen |
5+
|
Kotula |
2-
|
Gorschlüter |
3-
|
Brandy |
4+
|
M. Lorenz |
2-
|
Kurth |
4+
|
Guie-Mien |
3+ |
Güvenisik |
3- |
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