Ursachenforschung
Dass frühe Gegentore gegen konterstarke Gegner
tödlich sind, sollte sich am Samstag auch für
RWE bewahrheiten. Während Lars Toborg
in der 3. Minute als Einziger den Durchblick im Hühnerhaufen
RWE-Strafraum behielt und in der 81. Minute einen
Konter mit dem Tor zum 2:0-Endstand vollenden konnte,
blieben die Offensivbemühungen der Essener Rot-Weissen
erfolglos. So findet sich RWE inzwischen auf dem 11.
Tabellenplatz wieder, der nicht zur Qualifikation
für die eingleisige Dritte Liga berechtigen würde.
Klar, dass nach so einem Spiel Diskussionen über
Trainer, Manager und die Ursache für die Niederlage
hochkochen.
Die sahen die meisten Beobachter, genau wie Trainer
Heiko Bonan, vor dem gegnerischen Tor. Die Chancenverwertung
und die oft zitierte „Geilheit“ auf Tore
habe Rot-Weiss das Genick gebrochen. Und tatsächlich
hatte RWE einige Chancen, die ungenutzt blieben.
Zunächst war bei den Essenern nach dem Schock
zu Beginn des Spiels allerdings noch gehörig
Sand im Getriebe. Ahlen stand nach der Führung
sicher, bei RWE misslangen Pässe und Dribblings
und insgesamt schien die Bewegung im Essener Spiel
zu fehlen. Das führte für einige Minuten
zu Kurzpassorgien am eigenem Strafraum, wo sich ein
aus Daniel Masuch, Jonathan Joseph-Augustin und David
Czyczson bestehendes „magisches Dreieck“
auf der Suche nach der Anspielstationen im Mittelfeld
den Spielball hin und her schob.
Doch zur Mitte der ersten Halbzeit kamen die Essener
dann endlich etwas besser ins Spiel.
Gerade über die rechte Seite konnten Sören
Brandy und Tim Erfen, der über die gesamte Spieldauer
aber auch einige schwächere Szenen hatte, für
etwas mehr Gefahr sorgen.
Spätestens in der Schlussphase der ersten Hälfte
hätte dann der Ausgleich fallen können,
doch Jans und Lorenz scheiterten nach Standards mit
ihren Kopfbällen entweder an Ahlener Verteidigern
oder am guten Keeper Manuel Lenz, der unseren alten
Bekannten Dirk Langerbein nach einer Verletzung am
vierten Spieltag seinen Stammplatz streitig machen
konnte.
Lenz war nach einer weiteren Ecke sogar schon geschlagen,
doch ein Drehschuss vom aufgerückten Czyczson
schlug nicht im Tor, sondern an der Unterkante der
Latte ein.
In der zweiten Halbzeit erhöhte RWE den Druck
weiter und rannte immer häufiger auf das Ahlener
Tor an. Zählbare Auswirkungen hatte das aber
nur auf das Eckballkonto. Diese Eckbälle brachten
aber wenig ein: mit zu wenig Schnitt schienen die
Bälle von Kotula getreten zu werden, die außerdem
immer wieder lange in der Luft lagen, so dass der
Heimtorwart einen nach dem anderen herunterpflücken
konnte. Lediglich zwei Mal kam es zu größerer
Aufregung, doch der Treffer von Jans fiel aus einer
Abseitsposition, und auch ein sehenswerter Schuss
aus der Drehung von Klinger fand sein Ziel nicht.
Nur
kurz nach der Klinger-Chance spielte RWE wieder nach
vorne, doch noch bevor es zu einer weiteren Ecke kommen
konnte, verlor man den Ball und der Ahlen Konter lief
an. Der eingewechselte Chitulo legte vor Daniel Masuch
uneigennützig quer, und Torjäger Toborg
sorgte, wie bereits angesprochen, für das spielentscheidende
2:0.
Liest sich also so, als wäre tatsächlich
die mangelnde Torgefahr das rot-weisse Hauptproblem.
Ein Blick auf den Kader verstärkt diesen Eindruck.
Spieler wie Guie-Mien, Güvenisik, Kurth und Brandy
haben alle gehobenes Regionalliga-Format und könnten
auch eine Liga höher bestehen. Doch Spieler,
die um die Torjägerkanone mitspielen könnten,
sind sie nicht.
Ähnlich sieht es auch bei Neuzugang Jans aus.
Er wusste gehen Ahlen durchaus zu überzeugen,
strahlte große Präsenz aus, hatte viele
Ballkontakte und konnte seinen Körper geschickt
gegen die Ahlener Verteidiger einsetzen. Doch ein
Spieler, der mal aus dem Nichts für ein entscheidendes
Tor gut ist, scheint auch er nicht zu sein. Mit Spielern
wie Löbe, van Lent oder Boskovic wären die
Chancen auf einen Punktgewinn in einem solchen Spiel
in der letzten Regionalligasaison sicherlich tatsächlich
höher gewesen.
Aber ist das wirklich das Hauptproblem? Immerhin steht
mit Düsseldorf eine Mannschaft, die noch sechs
Tore weniger als RWE erzielt hat, auf einem Aufstiegsplatz.
Und hätte RWE bei der Ahlener Ecke vor dem 1:0
nicht jegliche Form der Zuordnung und der Konsequenz
beim Versuch, noch einen Körper zwischen Ball
und Torlinie zu bekommen, vermissen lassen und sich
acht Minuten vor Schluss nicht auf erschreckende Art
und Weise auskontern lassen, hätte man noch vorne
noch so viele Chancen ungenutzt lassen und Eckbälle
vergeigen können: Das Spiel wäre 0:0 ausgegangen,
Essen und Ahlen hätten sich die Punkte geteilt
und hätten nicht die Plätze in der Tabelle
getauscht.
Die offenkundigen Probleme in der Essener Defensive
wiegen mindestens genauso schwer wie die in vorderster
Front. Es war nicht nur so, dass man zwei Mal gepennt
und sich in diesen Situationen die Tore eingefangen
hätte – was schon schlimm genug gewesen
wäre: Viel mehr hatten die Ahlener in der zweiten
Halbzeit im Angriff mehrmals mehr Platz, als man ihn
sich als Stürmer eigentlich wünschen könnte.
Doch zum Glück für RWE scheiterten die Ahlener
an Daniel Masuch, pöhlten den Ball aus wenigen
Metern über das Tor oder standen im Abseits.
Exemplarisch dabei war eine Szene, in der sich bis
auf Mittelstürmer Paul Jans alle Essener Feldspieler
zurückgezogen in der eigenen Hälfte positionierten,
der Ball aber doch irgendwie den Weg zum völlig
freien Lars Toborg finden konnte, der zum Glück
aber im Abseits stand – was allerdings sicherlich
nicht einer geschickten Essener Abseitsfalle zu verdanken
war…
Auffällig
war auch, dass die Ahlener, nicht wie bei einer Dreierkette
eigentlich anzunehmen wäre, besonders viel Raum
auf den Flügeln gehabt hätten. Die größten
Lücken in der Essener Abwehr zeigten sich viel
mehr im Zentrum.
RWE hatte bisher in allen drei Pflichtspielen nach
der Winterpause Probleme in der Defensive.
Der HSV hatte keine Schwierigkeiten, drei Tore zu
erzielen und nahm nach dem 0:3 merklich einen Gang
heraus und ersparte RWE weitere Gegentore. Doch während
der HSV immerhin ein international vertretenes Spitzenteam
ist, bekamen die Essener selbst die Homberger Oberligaspieler
diverse Male nicht wirklich in den Griff, wobei die
Homberger Konter noch oftmals nicht durch die Essener
Abwehr, sondern die mangelnde Qualität der Angreifer
vereitelt wurden. Auch das zwischenzeitliche Ausgleichstor
des Oberligisten bei ihrer 2:1-Niederlage an der Hafenstraße
hatte RWE sich eigentlich selbst ins Tor gelegt.
Bei David Czyczson wechseln sich schon seit Monaten
Licht und Schatten. Während er in der Luft zuverlässig
seine Kopfballduelle gewinnt, scheint er am Boden
häufiger zu spät zu kommen, und neben einigen
guten, durchdachten Bällen in der Spieleröffnung
landen etliche seiner Pässe in den Füßen
der Gegenspieler oder werden von ihnen geblockt.
Niklas Andersen kann nicht an die Hinrunde anknüpfen
und scheint Probleme mit dem Fehlen von Abwehrchef
Daniel Sereinig zu haben, der sonst in der Dreierkette
klar den Ton angibt.
Sereinig soll von Neuzugang Joseph-Augustin ersetzt
werden, der zunächst wohl für den rechten
Part in der Dreierabwehr eingeplant war. Dass er nach
wenigen Wochen in der Mannschaft die Abwehr noch nicht
anführen kann, überrascht nicht. Wir erinnern
uns daran, wie lange Sereinig gebraucht hat, um den
Ansprüchen, die an seine Position gestellt wurden,
gerecht zu werden.
Dabei hatte der Schweizer noch den Vorteil hat, auf
dem Platz wesentlich präsenter als sein französischer
Ersatz zu sein und vor allem auch die Sprache seiner
Mitspieler sprechen!
Auch vor der Abwehr präsentieren sich die Spieler
nicht in Bestform. Michael Lorenz hat im Jahr 2008
sicherlich nicht seine stärksten Spiele im rot-weissen
Dress abgeliefert, während Mario Klinger sich
zuletzt immer wieder mit guten Leistungen angeboten
hat. Und auch von Tim Gorschlüter war, nachdem
er gegen Hamburg und Homberg noch zu den besten Essenern
gehörte, in Ahlen nicht viel zu sehen.
Bis zum Spiel gegen die zweite Mannschaft von Borussia
Dortmund muss Heiko Bonan die Probleme in der Defensive
in den Griff kriegen. Vor dem Hinspiel hatte man ähnliche
Probleme, auf die Bonan mit einer kurzfristigen Umstellung
von Dreier- auf Viererkette reagiert und die Mannschaft
generell defensiver eingestellt
hatte. Das ging aber deutlich zu Lasten der Durchschlagskraft
in der Offensive, in der Bonan nach dem Spiel in Ahlen
sowieso schon das Hauptproblem seiner Mannschaft sieht.
Es wird also spannend, wie und ob es Bonan gelingen
wird, diese Probleme abzustellen.
Er steht inzwischen jedenfalls unter gehörigem
Druck. Nach der Hinrunde und den ersten drei Pflichtspielen
ist sein Kredit beim Großteil der Fans inzwischen
restlos aufgebraucht. Läuft es gegen in den nächsten
zwei, drei Spielen nicht, werden die Unmutsbekundungen
wieder deutlicher werden, als sie es noch in Ahlen
waren. Darauf, dass die Verantwortlichen noch einige
Wochen Ruhe bewahren werden und der Trainer auch bei
Misserfolgen wie bisher weiterarbeiten kann, kann
Bonan nicht setzen.
Zwar scheint es bei RWE den ausgeprägten Wunsch
zu geben, endlich einmal für Kontinuität
in der Besetzung der sportlichen Verantwortlichen
zu sorgen, doch in diesem Jahr geht es nicht um den
Abstieg aus dem Profi- in den Amateurfußball
und der zweiten in die dritte Klasse. Sollte RWE sich
nicht für die eingleisige Regionalliga qualifizieren,
würde man zunächst einmal völlig von
der Landkarte des deutschen Fußballs verschwinden.
Dieses Risiko wäre zu groß, als dass man
das Mittel eines Trainerwechsels unversucht lassen
könnte, sollte RWE sich in den nächsten
Spielen nicht Luft im Abstiegskampf verschaffen können.
Dessen scheint sich Heiko Bonan bewusst zu sein, der
schon jetzt um seinen Posten fürchtet und hofft,
die nächste Woche zu überstehen. Er wird
kämpfen müssen.
Es bleibt zu hoffen, dass er dabei die richtigen Mittel
findet, denn es geht nicht nur um den (ehemaligen?)
Publikumsliebling Bonan, sondern um einen Verein,
der ihm und uns allen am Herzen liegt.
(hh)
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Rot-Weiß Ahlen
Lenz - Wiemann, Miletic, Kittner, Maul (68. Schaffrath)
- Busch, Bäumer, Gibson, Heithölter (54.
Chitsulo) - Toborg (85. Glöden), K. Großkreutz
Rot-Weiss Essen
Masuch - Czszyczon (68. Klinger), Joseph-Augustin,
Andersen - Erfen (77. Baltes), M. Lorenz, Gorschlüter,
Kotula - Kurth (66. Güvenisik), Brandy - Jans
Tore
1:0 Toborg (3.), 2:0 Toborg (82.)
Zuschauer
3.967
Schiedsrichter
Wenkel (Mühlhausen)
Gelbe Karten
Bäumer, Kittner, Maul - Gorschlüter.
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..... |
Spieler des Spiels
Jawattdenn Spielerbewertung
Masuch |
4
|
Andersen |
4
|
Czyszczon |
4+
|
Joseph-Augustin |
4-
|
Erfen |
5+
|
Kotula |
4-
|
Gorschlüter |
4-
|
Brandy |
3
|
M. Lorenz |
4-
|
Jans |
3-
|
Kurth |
4 |
|