„Unser ganzes Leben…
…
stehn wir für Dich ein!“ So schallte es
nach packenden 90 Minuten im Magdeburger Stadion,
die in die Geschichte des Vereins eingehen können.
Allerdings kann auch die Frage gestellt werden, wie
lange so ein rot-weißes Leben nach einem solch
packenden Spiel gehen kann. Das für unmöglich
Gehaltene kann tatsächlich in der nächsten
Woche vollendet werden, RWE hat nun nach dem unglaublichen
1:0-Sieg in Magdeburg die besten Chancen von allen
Mannschaften, den Kampf um Platz 10 zu gewinnen. Ist
endlich wieder das Glück an die Hafenstrasse
zurückgekehrt?
Den 22 Akteuren bot sich für diesen Showdown
an der Elbe eine fantastische Kulisse. Dem FCM gelang
es, seine Fans zu mobilisieren und für ein volles
Stadion zu sorgen. Aber auch trotz der Entfernung
waren viele Essener angereist, um ihre Mannschaft
zu unterstützen. Schon vor dem Spiel begannen
beide Fanlager, dem Spiel durch lautstarke Gesänge
einen würdigen Rahmen zu geben. Kurz vor dem
Anpfiff waren fast alle Zuschauer hin und her gerissen
zwischen einem Gänsehautgefühl und die Angst,
dass das eigene Team den Kürzeren ziehen könnte.
Diese Atmosphäre konnten zunächst nur die
Magdeburger Spieler für sich nutzen und gaben
von der ersten Minute an das Tempo vor. Die Fans hielt
es nicht auf ihren Sitzen und peitschten ihre Mannschaft
nach vorne. Essen hingegen wirkte fast gelähmt,
zudem waren wieder einmal viele technische Fehler
im Aufbauspiel auszumachen. Das Spiel fand in den
ersten Minuten fast ausschließlich in der Essener
Hälfte statt. Zwei gute Schüsse der Magdeburger
aus der zweiten Reihe verfehlten zunächst das
Ziel, aber es war jedem Besucher im Stadion klar,
welches Team das Spiel bestimmen wollte.
Es wurde immer dramatischer für die Gäste.
Nach einem kapitalen Abwehrschnitzer läuft Christian
Reimann völlig alleine auf Daniel Masuch zu,
doch der behält die Nerven und kann den Winkel
entscheidend verkürzen. Eine Glanzleistung des
Essener Keepers, der den Ball mit den Fingerspitzen
erreicht
und damit die erste hundertprozentige Chance der Magdeburger
vereitelte. Doch wenig später kommen die Magdeburger
zu einer weiteren Gelegenheit, die Führung zu
erzielen. Trotz enger Bewachung gelingt es Najeh Braham,
sich von seinem Abwehrspieler zu lösen und den
Ball aus spitzem Winkel an die Latte zu setzen. Der
erste Treffer der Magdeburger lag in der Luft, mit
dieser Spielweise hatte Essen eigentlich keine Chance,
hier drei Punkte mitzunehmen. Nur ein entlastender
Freistoß von Haeldermans, der allerdings an
Freund und Feind vorbeisegelte, konnte aus Essener
Seite verbucht werden. Das war eindeutig zu wenig.
Nach 20 Minuten konnte sich RWE endlich einmal richtig
befreien und in die Nähe des gegnerischen Strafraums
gelangen. Güvenisik setzt sich auf der linken
Seite durch, schlägt eine Flanke in den Strafraum,
die aber an dem bereitstehenden Guie-Mien weit vorbeigeht.
Allerdings steht noch Markus Kurth an der Strafraumgrenze,
der den Ball erreichen kann und mit einem tollen Schuss
den Magdeburger Schlussmann Christian Beer bezwingt.
Es steht tatsächlich 1:0 für RWE, auch wenn
es kaum einer glauben konnte. Der Jubel bei den mitgereisten
Essener Fans kannte keine Grenzen. Es schien so, als
wollten alle das Leid und den Frust einer gesamten
Saison voller Enttäuschungen und Niederlagen
geradezu hinausschreien. Der Rest des Stadions war
entsetzt und fassungslos. Dennoch musste die Mannschaft
aus dem Ruhrgebiet im fernen Sachsen-Anhalt noch knapp
70 Minuten überstehen, um die enorm wichtigen
Sieg mit nach Hause zu bringen.
Die Magdeburger blieben nach einer kurzen Schockphase
das bestimmende Team. Wieder kann sich Braham durchsetzen
und trifft diesmal per Kopf wieder nur das Aluminium,
jetzt wurde es richtig bitter für die Magdeburger.
Auch wenn es auf Essener Seite völlig egal war,
die Führung erschien dem neutralen Zuschauer
mehr als unverdient. Vor allem wurde die Partie deutlich
ruppiger und das nicht nur auf dem Platz. Stürmer
Güvenisik wurde am Boden liegend von einer kleinen
Flasche aus dem Magdeburger Block getroffen und revanchierte
sich daraufhin mit einer obszönen Geste in Richtung
der Fans. Die Stimmung erreichte bald ihren Siedepunkt,
als auch noch Sören Brandy gleich zweimal hintereinander
von demselben Spieler hart attackiert wird. Was allerdings
dabei Schauspiel oder richtiges Foul ist, war in dieser
hitzigen Atmosphäre kaum noch zu unterscheiden.
Aber auch dies gehört zu einem solchen dramatischen
Spiel dazu.
Nach der Pause verflachte die Partie zunehmend, obwohl
zwei Dinge sich nicht änderten: Die optische
Magdeburger Überlegenheit und die ruppige Atmosphäre.
Die erste gelbe Karte handelte sich RWE-Verteidiger
Sereinig ein, der seinen Gegenspieler leicht schubste
und dieser das Geschenk dankbar annahm. Wenig später
stieg Sereinig wieder hart gegen einen Spieler ein,
doch Schiedsrichter Brych, der ansonsten auch gerne
wegen Kleinigkeiten den Magdeburger Freistöße
in einer aussichtsreichen Position zusprach, sah hier
von einer weiteren Verwarnung ab. Glück hatten
die Essener auch in einer anderen Szene, als Brandy
Baumgart nach einem hart umkämpften Zweikampf
attackierte. Dieser fiel zwar, spielte aber anschließend
sofort den Ball weiter und bekam so den Elfmeter nicht.
Baumgart sorgte für eine weitere Chance für
die Magdeburger, aber sein Fallrückzieherversuch
landete knapp neben dem Essener Tor.
Insgesamt wirkte das Magdeburger Spiel weniger zwingend
als in der Anfangsphase, der FCM erarbeitete nur noch
ganz wenig gute Chancen und wirkte mit Dauer des Spieles
zunehmend nervöser. Die Essener versuchten, durch
Konter zu eigenen Möglichkeiten zu kommen, doch
oftmals stand Güvenisik alleine vorne und musste
sich gegen vier oder fünf gegnerische Verteidiger
durchsetzen. Von den beiden Schaltzentralen Gorschlüter
und Guie-Mien war kaum etwas zu sehen, nur Haeldermans
wirkte bemüht. Trainer Kulm reagierte und brachte
mit Klinger und Czyszczon zwei defensiv eingestellte
Spieler. Ob dies gut gehen würde bezweifelten
viele rot-weiße Fans auf der Tribüne, da
jetzt noch einmal eine Magdeburger Schlussoffensive
drohte.
Doch dem FCM lief die Zeit davon. Und RWE blieb zur
Überraschung vieler Fans in dieser Phase des
Spiels, wo es doch oft einen Gegentreffer gab, gelassen
und hielt den Ball in den eigenen Reihen. Die Magdeburger
wurden immer nervöser und ihnen gelang kein ordentlicher
Spielaufbau mehr. Das Spiel war aus, unbändige
Freude auf Essener Seite, während die Magdeburger
Spieler auf den Boden sanken. Ein echtes Endspiel
hatte einen glücklichen Sieger gefunden, der
die wichtigen Punkte nach Hause entführen konnte.
Im
Essener Block wurde gefeiert, als ob die deutsche
Meisterschaft und der DFB-Pokal gleichzeitig gewonnen
wurden. Wer hätte dies noch vor ein paar Wochen
gedacht? Die Mannschaft war tot, am Boden und fast
ohne Chance auf Rettung, jetzt ist die Qualifikation
zur dritten Liga in Reichweite. Unterbrochen wurde
die Essener Feier nur von ein paar Madegburger Zuschauern,
die den Platz stürmten und auf den Essener Block
zu rannten. Der Frust saß verständlicherweise
tief, was allerdings keine Entschuldigung für
das Anzetteln eine Randale sein soll. Allerdings blieb
es unter den Essenern Zuschauern ruhig und die Situation
konnte von den Ordnern und der Polizei schnell aufgelöst
werden. Nach einer längeren Wartezeit konnten
sich die Fans auf den Heimweg machen.
Trotz der ausgelassenen Partystimmung bleibt noch
ein Spiel übrig. Lübeck hat in den letzten
Wochen gezeigt, wie man trotz aussichtsloser Lage
und Insolvenz ordentlich eine Saison beenden kann.
Diese Mannschaft darf trotzdem nicht zum Stolperstein
werden. Das rot-weiße Leben hatte in letzter
Zeit zu oft Enttäuschungen erlebt. Jetzt heißt
es, auch einmal die sonnigen Seiten des Lebens zu
genießen. Die Mannschaft hat es selber in der
Hand und kann sich selbst für eine fulminante
Aufholjagd belohnen. Hat also diese Horrorsaison doch
noch ein versöhnliches Ende?
(pd)
.
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1. FC Magdeburg
C. Beer - Baumgart, Grundmann, Habryka (78. Jarakovic),
Prest - F. Müller, Gerster, S. Neumann, Lindemann
- Reimann, Braham
Rot-Weiss Essen
Masuch - Joseph-Augustin (40. Kazior), M. Lorenz,
Sereinig, Schäfer - Gorschlüter, Haeldermans
(73. Klinger) - Guie-Mien (78. Czyszczon), Brandy
- Kurth, Güvenisik
Tor
0:1 Kurth (22.).
Zuschauer
21.014
Schiedsrichter
Dr. Brych (München)
Gelbe Karten
Baumgart, Braham - Schäfer, Kazior, Sereinig.
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..... |
Spieler des Spiels
Jawattdenn Spielerbewertung
Masuch |
2-
|
Joseph-Augustin |
3- |
Sereinig |
3 |
Haeldermans |
3+ |
Gorschlüter |
4+ |
Schäfer |
3- |
Brandy |
3 |
M. Lorenz |
3- |
Güvenisik |
3+ |
Kazior |
4 |
Guie-Mien |
3 |
Kurth |
2 |
|