Video Pressekonferenz

 

Als ein sichtlich gut aufgelegter Thomas Strunz um 11:30 das Medienzentrum betrat und die anwesenden Journalisten begrüßte, strahlte er genau das aus, wovon er die ganze Zeit über sprechen sollte: Selbstbewusstsein, Zuversicht und den festen Glauben an Verbesserungen.

Doch wie konnte das sein? Angesichts der sportlichen Lage und dem beinahe sicheren Absturz in Liga vier, gibt es an der Hafenstraße allen Grund zur Tristesse. Strunz dagegen freute sich über die positive Resonanz, die er in der Stadt und aus dem Vereinsumfeld seit seinem Amtsantritt erfahren habe. Er sei sicher nicht angetreten um „Wunder zu vollbringen“, jedoch strich er, selbst bei dem wohl kaum noch zu vermeidenden Super-GAU, seinen Glauben an eine positive Zukunft des Verein mehrfach heraus.

Doch wie kommt so ein bekannter Namens- und Träger einer beinahe sprichwörtlich gewordenen Redewendung eigentlich an die Hafenstraße? Die Gespräche und Kontakte habe es bereits seit Wochen und Monaten gegeben, erläuterte Strunz. Zudem seien auch noch Personen, die im Hintergrund gewirkt hätten und bisher noch nicht an die Öffentlichkeit getreten seien, beteiligt gewesen. Nico Schäfer, der bereits über Strunz' ehemalige Spielerberatergesellschaft Strunz & Friends Kontakt mit ihm gehabt haben dürfte, bestätigte nun auch offiziell die externe Finanzierung des neuen – ja was denn eigentlich? Managers? Sportlichen Leiters?

Seine Berufsbezeichnung interessiere ihn nicht, erklärte Strunz, offiziell sei er „sportlich Verantwortlicher“. Seine Handlungskompetenzen seien klar absteckt, er habe aber sicher keinerlei Ambitionen die Position des Trainers zu bekleiden. Einen Titel würde man finden, sobald weitere strukturelle Maßnahmen erfolgt wären. Schäfer betonte, man würde zu gegebener Zeit ein Gesamtpaket präsentieren. Dahinter steht wohl die Ausgliederung des Spielbetriebs in eine GmbH.

Angesprochen auf die wirtschaftliche Lage des Vereins, erklärte Strunz auch hier, die in den Gesprächen vermittelten Signale, seien durchweg positiv gewesen, so dass es auch in Liga vier möglich sei, eine schlagkräftige Mannschaft auf die Beine zu stellen.

Dies soll womöglich doch mit mehr Spielern aus dem aktuellen Kader erreicht werden, als bisher gedacht. Sicher könne man aus dem reichhaltigen Pool der hervorragenden Jugendarbeit schöpfen, aber auch die jetzigen Spieler der 1. Mannschaft nahm Strunz in die Pflicht. Es sei „Wiedergutmachung“ angesagt, zumindest für den ein oder anderen, der sich 100% mit dem Verein und der Aufgabe Rot-Weiss Essen zu identifizieren wüsste. Genau diese Gespräche führe man zur Zeit und dabei werde man besonders auf die persönlichen Umstände der Spieler eingehen. Es sollte nicht das Ziel sein, Jahr für Jahr 20 neue Spieler begrüßen zu dürfen, so schaffe man keine Identifikation. Zur Jahreshauptversammlung und den ersten Vorbereitungsspielen wolle man, in welcher Liga auch immer, eine schlagkräftige Mannschaft präsentieren.

Befragt nach den Gründen für den derzeitigen Absturz, äußerte Strunz, die jetzige Mannschaft sei „zu ruhig“, es gäbe sicher aber auch andere Gründe für die sportliche Talfahrt, die man jedoch nicht öffentlich machen wolle. Eine genaue Vertragslaufzeit des sportlich Verantwortlichen blieb unter Verschluss. Die Zuhörer erfuhren stattdessen viel über Strunz' Tätigkeiten in den vergangenen Monaten. Seine Fußballschule in Marbella, die er nun aufgeben werde, bildete dabei den Auftakt zur Beobachtung zahlreicher Jugendspieler und der Arbeit mit solchen.

Trainer Michael Kulm und auch Thomas Strunz betonten, man werde die zweigleisige Kaderplanungen für die kommende Saison gemeinsam vorantreiben. Ob Michael Kulm dann auch als Cheftrainer fungieren würde, ließ man offen. Kulm werde dem Verein in jedem Fall erhalten bleiben, in welcher Funktion auch immer.

5-Jahresplan? Zuversicht? Schlagkräftige Mannschaft? Ein Déja-vu für die Anwesenden, als auch für die Fans. Zehn Jahre nachdem man schon einmal den Sturz in die Oberliga erleben musste, zehn Jahre nachdem man diese Worte schon einmal, teilweise im Jahresrythmus, gehört hatte, saß nun heute mit Thomas Strunz ein Mann im Medienzentrum, dessen Zuversicht und Optimismus ein wenig ansteckend wirkten.

Wenn man nicht schon allzu oft auf leere Versprechungen, nicht schon zu oft auf vermeintliche Veränderungen und Verbesserungen gewartet hätte, wäre man eher geneigt seine Verpflichtung als Aufbruchssignal zu deuten. Das Umfeld des Vereins und seine Fans wirken angesichts des erneuten Abstiegs konsterniert, nehmen ihn teils mit Lethargie, teils mit Fassungslosigkeit auf. Strunz' Aufgabe wird dadurch sicher nicht einfacher, aber mit ihm sollten die Fans, Sponsoren und das Umfeld die Hoffnung auf bessere Zeiten verbinden.

Der Verein darf sich glücklich schätzen, dass es anscheinend weiterhin Förder und Freunde gibt, die einen Mann mit solch zahlreichen Kontakten an die Hafenstraße lotsen können. Wenngleich man hoffen sollte, dass der großzügige Sponsor uns hier kein einmaliges Abschiedsgeschenk gemacht hat. Die Alternative sollte man sich erst gar nicht ausmalen und wäre wohl mit dem erneuten Anzünden von Grablichtern verbunden gewesen. Wie auch immer die Zukunft aussehen mag: mit der Verpflichtung von Thomas Strunz hat der Verein sich handlungsfähig gezeigt und dies ist, abseits der sportlichen Misere, zumindest ein Anfang und eben nicht das vielbeschworene Ende. Das Leben geht auch in Liga vier weiter und das auf einem weit besseren Niveau, als man annehmen konnte. In fünf Jahren wolle man wieder bezahlten Fußball und an der Hafenstraße sehen, sagte Strunz abschließend. Unsere Hoffnungen und besten Wünsche begleiten ihn.

(sb)