Polizisten sind berechtigt, im Dienst Gewalt anzuwenden. Zugleich sind sie aber auch dazu verpflichtet, die Menschenrechte zu achten. Tun sie das nicht, ist der Staat in der Pflicht, umgehend und umfassend Licht ins Dunkel zu bringen. Und genau hier liegt das Problem - und nicht nur allein im Umfeld von Fußballspielen, wo Fans und Polizeikräfte immer wieder aufeinanderprallen.

Bundesweit gibt es laut Amnesty International Fälle von Misshandlungen durch Polizisten, allein in Berlin wurden 2008 mindestens 548 Beamte wegen Körperverletzung im Amt angezeigt. Die meisten Ermittlungsverfahren wurden jedoch eingestellt. Laut einem AI-Report vom Juni 2010 liegt der Grund meistens darin, dass Polizei und Staatsanwaltschaft bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizisten nicht ausreichend ermitteln. Folge: Zu oft bleiben die Täter im Dunkeln, weil im Grunde Polizisten gegen Polizisten ermitteln.

Um aus diesem Dilemma herauszukommen, fordert die 1977 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Menschenrechtsorganisation eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten - sei es in Form einer Nummer oder eines Namenszuges. In England trägt jeder Polizist bei einem Einsatz seine Nummer an der Schulter. Auch die Beamten der Guardia Civil und der Policia National in Spanien sind über Nummern erkennbar; genauso verfährt Schweden. In Deutschland bleiben Mitglieder der Fraktion Grün dagegen anonym, vor allem wenn sie mit Helm und in geschlossenen Gruppen auftreten. Der vom Europarat aufgestellte europäische Kodex für Polizeiethik beklagt daher auch: „Ohne die Möglichkeit, eine/n Polizist/in persönlich zu identifizieren, wird der Begriff der Rechenschaftspflicht aus der Perspektive der Öffentlichkeit sinnentleert."

Amnesty drängt auf unabhängige und unparteiische Untersuchungskommissionen, die bei Vorwürfen gegen Polizisten aus objektiver Warte für Aufklärung sorgen. Auch hier gibt es Länder, die vorbildhaft für mehr Transparenz sorgen, wie Großbritannien, Norwegen und Irland. Wie sehr dieser Schritt auch in unserem Land wäre, hier vonnöten ist, zeigt eine Erhebung von AI, nach der im Jahr 2009 bundesweit 2.955 solcher Ermittlungsverfahren anstanden. Selbst wenn nicht jede Anzeige gegen einen Polizeibeamten berechtigt sein mag und im Gegenzug nicht jedes Opfer seinen Peiniger aus Angst vor einer Gegenanzeige anzeigt, belegt diese Zahl doch die Schwere des Problems. Das Bundesland mit den meisten Delikten (ohne Tötungsdelikte) war im übrigen NRW mit 803 Fällen vor Berlin (409), Bayern (365) und Hamburg (347).

Dringend angeraten wird von AI ferner eine Audio- und Videokontrolle von Polizeistationen - übrigens auch Forderungen des Europarates und der Vereinten Nationen. Dass es Wirkung zeigt, das Geschehen in Polizeigewahrsam aufzuzeichnen, belegt das Beispiel Katalonien: Seit dort 2007 Videoaufzeichnungen eingeführt wurden, ist die Zahl der Misshandlungsvorwürfe deutlich zurückgegangen.

Last but not least fordert Amnesy International die Polizei auf, die Menschenrechte zu achten und aktiv zu ihrem Schutz beizutragen. Deshalb solle Menschenrechtsbildung verpflichtender Bestandteil der polizeilichen Aus- und Weiterbildung sein. Notwendig seien u.a. Antidiskriminierungstrainings sowie die Förderung interkultureller Kompetenz.

„Amnesty International", so heißt es in einer sehr informativen Broschüre zum Thema , „verurteilt klar und unmissverständlich Straftaten gegen die Polizei. Genauso hat die Polizei als Staatsorgan aber auch die Pflicht, die Menschenrechte zu schützen und zu achten." Seit vielen Jahren hat sich die amnesty zum Thema Polizei und Menschenrechte kundig gemacht und Berichte zu rechtswidriger Polizeigewalt in Spanien, Frankreich, Griechenland, Österreich und der Schweiz veröffentlicht.

Weitere Infos unter www.amnesty.de/polizei und www.amnesty.de

Thomas Imhof