Dr. Michael Welling neuer Vorstandsvorsitzender bei RWE
„Eine Herzensangelegenheit"
Auf einer gestern einberufenen Aufsichtsratssitzung
wurde Dr. Michael Welling einstimmig und auf Vorschlag des Insolvenzverwalters zum
neuen Ersten Vorsitzenden von RWE gewählt worden. Das neue Amt, das er am 1.
Oktober offiziell antritt, vereint die Aufgaben eines Geschäftsführers und
Vorstandsvorsitzenden. Diese nun flachere Hierarchie führte dazu, dass der
Vertrag mit dem bisherigen Geschäftsführer Kai-Erik Stütz nicht verlängert
wurde. „Dieser Schritt ist Teil der notwendigen Restrukturierung des Vereins,
da wir dadurch Kosten sparen und Entscheidungswege verkürzen. Ein NRW-Ligist
benötigt keinen Vorstand und zusätzlich noch eine Geschäftsführungsebene",
sagte RWE-Insolvenzverwalter Dr. Frank Kebekus.
Der neue Mann am Ruder ist 39 Jahre
alt, verheiratet und Vater einer 13 Monate alten Tochter. Aktuell wohnt Welling
mit Familie noch in Hamburg, wo er zuletzt seit drei Jahren für Europas größten
Sportrechtehändler, Sportfive, tätig war. Zuletzt kümmerte er sich dort im Rang
eines Vice President Acquisitions & Portfolio Management unter anderen um
neue Tochtergesellschaften in Großbritannien und Italien sowie um die Übertragungsrechte
für die Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine.
Sein Wechsel zu RWE in die 5. Liga
bezeichnet Welling als „Herzensangelegenheit. Ich habe früher schon öfters
öffentlich gesagt: „Auf RWE hätte ich Bock". Diese Liebeserklärung muss bei
einigen Leuten wohl noch im Kopf hängengeblieben sein - wie der jetzt erfolgte
Kontakt beweist. Der kam aber nicht vom RWE-Aufsichtsrat, sondern über die
Kanzlei des Insolvenzverwalters in Düsseldorf zustande! „Wir haben ihn
praktisch überfallen, weil wir denken, dass er der Richtige ist, um den demnächst
hoffentlich völlig entschuldeten Verein neu aufzustellen", so
Kebekus-Mitarbeiter Marcus Wehler auf der heutigen PK. „Uns war es auch
wichtig, für diese Position jemanden von außen zu finden, der mit der nötigen
Erfahrung und Kompetenz den Verein von einer gesunden wirtschaftlichen Basis
aus sportlich nach oben bringen will." Auch das kommende neue Stadion und
dessen Möglichkeiten seien für einen wie Michael Welling sicher sehr reizvoll,
fügte Wehler hinzu.
Welling nahm während seiner Vorstellung
mehrmals den Begriff „Old School Football" in den Mund. Für ihn eine positive
Facette des Vereins von der Hafenstraße, dessen Fanbasis dem neuen Chef stark imponiert.
„Das ist der Kern einer weiterhin starken Marke, die aber leider finanziell
noch sehr schwach ist." Zwei RWE-Spiele habe er in der NRW-Liga schon gesehen,
auch morgen Abend gegen Duisburg II will er dabeisein. „An den Spieltagen ist
ja immer sehr viel los, aber leider findet RWE in der Stadt selbst kaum noch statt",
beklagt Wedding. „Das wird sich hoffentlich bald ändern, wobei ich nicht an
Bunte-Bilder-Kampagnen denke", kündigt der Marketing-Experte an.
Zunächst will Welling an allen Fronten erst
einmal „Solidität" einkehren lassen. Laut Satzung ist er zunächst für drei
Jahre an den Verein gebunden, „was darüber hinaus geht, muss man sehen."
Generell betonten aber alle Seiten, an einem langfristigen Engagement
interessiert zu sein.
Wellings Vita passt vom Papier her bestens
ins Anforderungsprofil des gebeutelten Clubs. Denn sie weist ihn vor allem auf
zwei entscheiden Feldern als Experten aus: im Controlling und Finanzbereich
sowie in der Pflege und dem Aufbau von Marken. Welling studierte
Wirtschaftswissenschaften in Bochum (BWL und VWL) und graduierte dort zum
Diplom-Ökonom. Ein Praktikum führte ihn unter anderen ins Controlling von adidas
nach Herzogenaurach, ein anderes nach Portland (USA). Nach einem
Marketing-Lehrstuhl an der Uni Bochum und der Promotion zum Doktor führte ihn
sein Weg zu den berühmt-berüchtigten Sanierungsexperten von McKinsey. Danach heuerte
der in Meppen (Emsland) groß gewordene Welling in der Ära Kunz beim VfL Bochum
an. Am Ende war er dort hauptamtlich als Assistent des Vorstands tätig, half
dem Verein unter anderen bei einer „Leitbildentwicklung" und bei
Lizenzierungsfragen- auch dies eine Fähigkeit, die bei RWE nie schaden kann.
Es folgten wie erwähnt drei Jahre bei
Sportfive in Hamburg, wo Welling sich bevorzugt im Bereich Brand Conception,
also der Konzeption und Entwicklung von Marken, betätigte.
Michael Welling kommt zu RWE in einer
Phase relativer Stabilisierung. „Wir sind sehr beeindruckt, was hier in den
letzten Wochen und Monaten geleistet worden ist. Schön auch zu sehen, dass der
Verein zur Zeit vor allem sportlich positive Schlagzeilen macht", lobt Kebekus-Mitarbeiter
Wehler. Ziel sei es weiterhin, dass RWE ab der Rückrunde „ohne uns weitermachen
kann." Im Herbst solle - wie angekündigt - ein erster Entwurf für den
Insolvenzplan bei Gericht eingereicht werden. Im nächsten Schritt müssen dann
die Gläubiger über den Plan entscheiden.
Derweil kündigte Aufsichtsratschef Dietmar
Bückemeyer für den 5. Dezember eine außerordentliche Mitgliederversammlung im
Cinemaxx an. Auf der Tagesordnung steht neben der Neuwahl des Aufsichtsrates
auch die Wahl zweier weiterer Vorstandsmitglieder: „Das ist die Mindestzahl,
die für dieses Gremium vorgeschrieben ist, und wir wollen es auch nicht unnötig
aufblähen", so Bückemeyer. Gedacht sei an einen Vertreter mit aktivem Netzwerk
bei der Stadt Essen und an einen zweiten mit sportlicher Kompetenz. Speziell
auf letzteren darf man gespannt sein. „Ja, auch mit dem scheidenden
Oberstadtdirektor Christian Hülsmann sprechen wir", so Bückemeyer. Entschieden
sei in dieser Angelegenheit aber noch nichts.
Michael Welling zerbricht sich
währenddessen noch weniger den Kopf über Rot-Weiss als über das nächste
Wochenende: „Da muss ich mich nämlich zum ersten Mal ganz alleine um die Kleine
kümmern, weil meine Frau unterwegs ist." Im Dezember oder spätestens im Januar
wollen die Wellings - die Dame des Hauses ist übrigens gebürtige Essenerin und
in Waltrop aufgewachsen - in den Pott ziehen. „Wir haben viele Freunde hier",
freut sich der neue RWE-Lenker. Nur eines wird sich trotz des Umzugs nicht
ändern, ahnt er schon jetzt: „Meine Frau kann mit Fußball leider überhaupt
nichts anfangen."
Thomas Imhof