21.09.2010

Dr. Michael Welling neuer Vorstandsvorsitzender bei RWE



„Eine Herzensangelegenheit"

Auf einer gestern einberufenen Aufsichtsratssitzung wurde Dr. Michael Welling einstimmig und auf Vorschlag des Insolvenzverwalters zum neuen Ersten Vorsitzenden von RWE gewählt worden. Das neue Amt, das er am 1. Oktober offiziell antritt, vereint die Aufgaben eines Geschäftsführers und Vorstandsvorsitzenden. Diese nun flachere Hierarchie führte dazu, dass der Vertrag mit dem bisherigen Geschäftsführer Kai-Erik Stütz nicht verlängert wurde. „Dieser Schritt ist Teil der notwendigen Restrukturierung des Vereins, da wir dadurch Kosten sparen und Entscheidungswege verkürzen. Ein NRW-Ligist benötigt keinen Vorstand und zusätzlich noch eine Geschäftsführungsebene", sagte RWE-Insolvenzverwalter Dr. Frank Kebekus.

RWE-Aufsichtsratsvorsitzender Dietmar Bückemeyer und Dr. Michael WellingDer neue Mann am Ruder ist 39 Jahre alt, verheiratet und Vater einer 13 Monate alten Tochter. Aktuell wohnt Welling mit Familie noch in Hamburg, wo er zuletzt seit drei Jahren für Europas größten Sportrechtehändler, Sportfive, tätig war. Zuletzt kümmerte er sich dort im Rang eines Vice President Acquisitions & Portfolio Management unter anderen um neue Tochtergesellschaften in Großbritannien und Italien sowie um die Übertragungsrechte für die Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine.

Sein Wechsel zu RWE in die 5. Liga bezeichnet Welling als „Herzensangelegenheit. Ich habe früher schon öfters öffentlich gesagt: „Auf RWE hätte ich Bock". Diese Liebeserklärung muss bei einigen Leuten wohl noch im Kopf hängengeblieben sein - wie der jetzt erfolgte Kontakt beweist. Der kam aber nicht vom RWE-Aufsichtsrat, sondern über die Kanzlei des Insolvenzverwalters in Düsseldorf zustande! „Wir haben ihn praktisch überfallen, weil wir denken, dass er der Richtige ist, um den demnächst hoffentlich völlig entschuldeten Verein neu aufzustellen", so Kebekus-Mitarbeiter Marcus Wehler auf der heutigen PK. „Uns war es auch wichtig, für diese Position jemanden von außen zu finden, der mit der nötigen Erfahrung und Kompetenz den Verein von einer gesunden wirtschaftlichen Basis aus sportlich nach oben bringen will." Auch das kommende neue Stadion und dessen Möglichkeiten seien für einen wie Michael Welling sicher sehr reizvoll, fügte Wehler hinzu.

Welling nahm während seiner Vorstellung mehrmals den Begriff „Old School Football" in den Mund. Für ihn eine positive Facette des Vereins von der Hafenstraße, dessen Fanbasis dem neuen Chef stark imponiert. „Das ist der Kern einer weiterhin starken Marke, die aber leider finanziell noch sehr schwach ist." Zwei RWE-Spiele habe er in der NRW-Liga schon gesehen, auch morgen Abend gegen Duisburg II will er dabeisein. „An den Spieltagen ist ja immer sehr viel los, aber leider findet RWE in der Stadt selbst kaum noch statt", beklagt Wedding. „Das wird sich hoffentlich bald ändern, wobei ich nicht an Bunte-Bilder-Kampagnen denke", kündigt der Marketing-Experte an.

Zunächst will Welling an allen Fronten erst einmal „Solidität" einkehren lassen. Laut Satzung ist er zunächst für drei Jahre an den Verein gebunden, „was darüber hinaus geht, muss man sehen." Generell betonten aber alle Seiten, an einem langfristigen Engagement interessiert zu sein.

Wellings Vita passt vom Papier her bestens ins Anforderungsprofil des gebeutelten Clubs. Denn sie weist ihn vor allem auf zwei entscheiden Feldern als Experten aus: im Controlling und Finanzbereich sowie in der Pflege und dem Aufbau von Marken. Welling studierte Wirtschaftswissenschaften in Bochum (BWL und VWL) und graduierte dort zum Diplom-Ökonom. Ein Praktikum führte ihn unter anderen ins Controlling von adidas nach Herzogenaurach, ein anderes nach Portland (USA). Nach einem Marketing-Lehrstuhl an der Uni Bochum und der Promotion zum Doktor führte ihn sein Weg zu den berühmt-berüchtigten Sanierungsexperten von McKinsey. Danach heuerte der in Meppen (Emsland) groß gewordene Welling in der Ära Kunz beim VfL Bochum an. Am Ende war er dort hauptamtlich als Assistent des Vorstands tätig, half dem Verein unter anderen bei einer „Leitbildentwicklung" und bei Lizenzierungsfragen- auch dies eine Fähigkeit, die bei RWE nie schaden kann.

Es folgten wie erwähnt drei Jahre bei Sportfive in Hamburg, wo Welling sich bevorzugt im Bereich Brand Conception, also der Konzeption und Entwicklung von Marken, betätigte.

Michael Welling kommt zu RWE in einer Phase relativer Stabilisierung. „Wir sind sehr beeindruckt, was hier in den letzten Wochen und Monaten geleistet worden ist. Schön auch zu sehen, dass der Verein zur Zeit vor allem sportlich positive Schlagzeilen macht", lobt Kebekus-Mitarbeiter Wehler. Ziel sei es weiterhin, dass RWE ab der Rückrunde „ohne uns weitermachen kann." Im Herbst solle - wie angekündigt - ein erster Entwurf für den Insolvenzplan bei Gericht eingereicht werden. Im nächsten Schritt müssen dann die Gläubiger über den Plan entscheiden.

Derweil kündigte Aufsichtsratschef Dietmar Bückemeyer für den 5. Dezember eine außerordentliche Mitgliederversammlung im Cinemaxx an. Auf der Tagesordnung steht neben der Neuwahl des Aufsichtsrates auch die Wahl zweier weiterer Vorstandsmitglieder: „Das ist die Mindestzahl, die für dieses Gremium vorgeschrieben ist, und wir wollen es auch nicht unnötig aufblähen", so Bückemeyer. Gedacht sei an einen Vertreter mit aktivem Netzwerk bei der Stadt Essen und an einen zweiten mit sportlicher Kompetenz. Speziell auf letzteren darf man gespannt sein. „Ja, auch mit dem scheidenden Oberstadtdirektor Christian Hülsmann sprechen wir", so Bückemeyer. Entschieden sei in dieser Angelegenheit aber noch nichts.

Michael Welling zerbricht sich währenddessen noch weniger den Kopf über Rot-Weiss als über das nächste Wochenende: „Da muss ich mich nämlich zum ersten Mal ganz alleine um die Kleine kümmern, weil meine Frau unterwegs ist." Im Dezember oder spätestens im Januar wollen die Wellings - die Dame des Hauses ist übrigens gebürtige Essenerin und in Waltrop aufgewachsen - in den Pott ziehen. „Wir haben viele Freunde hier", freut sich der neue RWE-Lenker. Nur eines wird sich trotz des Umzugs nicht ändern, ahnt er schon jetzt: „Meine Frau kann mit Fußball leider überhaupt nichts anfangen."


Thomas Imhof