Wie in einer Soap
„Mehr wenn ihr mich wieder seht, ihr müsst unbedingt gucken wie es weitergeht." Auf diese Art könnte man die Zuschauer zum Wiedereinschalten auffordern, würde man das Chaos verfilmen, das an der Hafenstraße herrscht. Die Geschehnisse, die schließlich darin endeten, dass Ernst Middendorp nach nur vier Wochen seinen Hut nahm, erinnern an eine Soap und zwar an keine gute.
Doch zunächst zur Faktenlage: Trainer Michael Kulm wurde das schwache und lustlose Auftreten seiner Mannschaft in der Wattenscheider Lohrheide zum Verhängnis. Am 1. April wurde er von seinen Aufgaben entbunden. Die Trainersuche konnte Thomas Strunz schnell und erfolgreich gestalten. Schon fünf Tage später wurde mit Ernst Middendorp ein bekannter Name präsentiert, der sich bereits beim ersten Training kämpferisch gab. Als so genannter harter Hund entsprach er dem Wunsch der Fans, dass das angenehme Leben für die Spieler nun endlich vorbei sei. Nach einem Monat ist Middendorp nun wieder weg und es bleiben viele Fragezeichen.
Schon die Frage, welche Seite die Zusammenarbeit aufgekündigt hat, ist nicht zu beantworten. Der Vorstand positioniert sich in seiner Pressemitteilung deutlich, indem er sagt, dass keine Grundlage zu einer gemeinsamen Zusammenarbeit mehr besteht. Das riecht erst einmal nach Rausschmiss. Dagegen spricht, dass der Ex-Trainer auf eine Abfindung verzichten wird. War er etwa nach nur 29 Tagen die Arbeit an der Hafenstraße leid?
Für letztere Vermutung finden sich mehrere Anhaltspunkte. Nach dem letzten Auftritt in Mainz verkündete Ernst Middendorp auf der Pressekonferenz, dass er langsam keine Lust mehr habe, immer wieder aufs Neue solche Auftritte zu erleben. Auch wenn jeder, der sich die Kicks dieser Mannschaft angeschaut hat, ihn verstehen kann, so zeigte diese Außendarstellung, dass Middendorp mit dem Kapitel RWE innerlich abgeschlossen hatte. Die Bilanz seiner Arbeit fällt verheerend aus. Einem Sieg gegen Cloppenburg stehen vier Niederlagen in der Meisterschaft gegenüber. Ein Fortschritt seit der Entlassung von Michael Kulm war bis zum Schluss nicht zu erkennen. Bereits einen Tag nach seinem Rauswurf erreicht uns die Meldung, dass Middendorp der neue Trainer des zypriotischen Erstligisten Anorthosis Famagusta ist. Der Verdacht, dass der Coach seinen Rauswurf provoziert hat, um ein lukrativeres Angebot anzunehmen, liegt nahe.
Dennoch schadet diese Trennung RWE. Die Krise zeichnete sich bereits am Vortag ab. Auf die Frage, warum Ralf Außem und nicht Middendorp das Training leiten würde, antwortete Thomas Strunz, dass dieser ohne Absprache ein Spiel beobachten würde. Ein Fehler, der einem Medienprofi eigentlich nicht passieren darf. Sicherlich ist das Verhalten Middendorps nicht akzeptabel gewesen, sich nicht mit seinem Vorgesetzten abzusprechen. Dennoch sollten solche Vorfälle doch dringend intern geklärt werden, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, der vorherrscht: Chaos hinter den Kulissen!
Die endgültige Trennung war dann ein Paukenschlag. Gegen 16:00 Uhr am gestrigen Mittwoch sickerte durch, dass Middendorp ab sofort nicht mehr Trainer ist. Es wirkt beinahe possenhaft. Nach nur vier Wochen wird ein Schlussstrich unter einer Verbindung gezogen, die ursprünglich den Erfolg an die Hafenstraße zurückholen sollte. Diese katastrophale Außendarstellung ist Gift für die wichtigen Veränderungen, die anstehen. Gerade das Verdienst, den Verein in ruhiges Fahrwasser gebracht zu haben, soll das Vertrauen bei den Investoren gestärkt haben. Nun sollten die Verantwortlichen darauf achten, dieses Vertrauen nicht leichtfertig zu verspielen.
Der schwarze Peter kann hingegen niemandem eindeutig zugeschoben werden. Eine professionelle Haltung sucht man nämlich im Fall Middendorp bei allen Beteiligten vergeblich. Die Mannschaft zeigte gegen Wuppertal, wozu sie im Stande sein kann. Solche Leistungen wären in den letzten Meisterschaftsspielen gar nicht nötig gewesen, um mehr als drei Punkte zu holen. Doch der Dienst nach Vorschrift, wie er seit einiger Zeit praktiziert wird, führte RWE nun auf den zwölften Tabellenplatz. Doch auch der Trainer zeigte sehr offen, dass ihn die Aufgabe RWE nicht wirklich mitreißt. Die betonte Distanz zur Mannschaft auf dem Platz und seiner Aufgabe erweckten diesen Eindruck. „Mir graut es schon vor dem nächsten Auswärtsspiel." ist nur eins von vielen Zitaten. Aber auch die Verantwortlichen von Rot-Weiss müssen sich Vorwürfe gefallen lassen. Sie waren es schließlich, die Ernst Middendorp erst verpflichtet haben. Wer diesen Trainer holt, muss wissen worauf er sich einlässt, denn er hat nie einen Hehl aus seiner Persönlichkeit gemacht. Wenn man erst nach vier Wochen merkt, dass man dieser Person nicht gewachsen ist, dann ist es einfach zu spät.
Diese Fragen gehören auf die Jahreshauptversammlung in der kommenden Woche. Für die Zukunft von Rot-Weiss sollte der entstandene Eindruck dringend korrigiert werden. Die Saison ist ohnehin gelaufen, also ist die Besetzung des Trainerpostens nicht akut. Die Zeit sollte genutzt werden, um den bestmöglichen Übungsleiter für die Hafenstraße zu verpflichten. Der nächste Trainer muss passen, denn in der nächsten Saison ist der Verein zum Erfolg verpflichtet.