Regionalliga West/Südwest 1994/95
RWE hatte nur ein Jahr nach dem Aufstieg die zweite Liga wieder verlassen müssen, sowohl sportlich (29:47 Punkte, Platz 19) als auch formal (Lizenzentzug wegen der Himmelreich-Affäre) verlief die Saison unbefriedigend. Die einzigen Lichtblicke gab es im DFB-Pokal, der Finaleinzug und die damit verbundenen Einnahmen ließen den finanziell angeschlagenen Club relativ weich in die neu gegründete Regionalliga West/Südwest fallen. So konnte es nur ein Saisonziel geben: Die direkte Rückkehr in die Zweite Bundesliga.
Entsprechend wurde auch der Kader zusammengestellt. Zahlreiche Stammspieler aus dem Zweitligakader konnten gehalten werden (Christian Dondera, Oliver Grein, Ingo Pickenäcker, Matthias Jack, Jürgen Margref, Roman Geschlecht, Christian Zedi und Harald Kügler).
Desweiteren konnten die Essener „Urgesteine" Willi Landgraf und Dirk „Putsche" Helmig für das Projekt Wiederaufstieg begeistert werden. Reichlich Erstligaerfahrung brachten die Neuverpflichtungen Christian Schreier, Adrian Spyrka, Zoran Zeljko und Helmut Gabriel mit an die Hafenstraße. Zudem wurden die Zweitligaspieler Wolfram Klein und Thomas Pröpper aus Wuppertal ins RWE-Boot geholt. Komplettiert wurde der Kader durch die Nachwuchskräfte Stefan Thiele, Robert Ratkowski und Marc Petrick, die im Laufe der Saison noch auf sich aufmerksam machen sollten.
Nicht wenige Fans und Experten waren der Meinung, dass der neue Kader qualitativ besser bestückt sei als der Zweitligakader des Vorjahres. Mit dieser Mannschaft, die auch in der Breite herausragend besetzt war, sollte Trainer Wolfgang Frank das Saisonziel realisieren können - zumindest unter normalen Umständen. Doch ausgerechnet in diesem Jahr öffnete der neue Bielefelder Manager Rüdiger Lamm seine Geldschatulle, um mit gewagten Investitionen und aller Macht die Arminia zurück in den Profifußball zu führen. Gestandene, noch längst nicht am Ende der Karriere stehende Bundligaspieler wurden nach Bielefeld gelockt, darunter mit Thomas von Heesen, Armin Eck und Jörg Bode gleich ein „Dreierpack" vom Hamburger SV. Auch der Stuttgarter Torjäger Fritz Walter war dem Bielefelder „Macher" nicht zu teuer.
Unter diesen Vorzeichen prognostizierten die Fußballexperten von Beginn an einen Zweikampf zwischen RWE und Bielefeld um den einzigen Aufstiegsplatz. So sollte es auch kommen, wobei sich lange Zeit ein Überraschungsteam nicht abschütteln ließ.
Für RWE begann die Saison durchwachsen. Im DFB-Pokal war diesmal mit der ersten Runde schon die Endstation erreicht: Nach einem großen 120-minütigen Kampf musste man sich dem VfL Bochum mit 0:2 geschlagen geben. In der Liga schaute man nach drei Unentschieden gegen Alemannia Aachen und den weniger stark eingeschätzten Teams aus Erkenschwick und Hauenstein zum erwarteten Tabellenführer aus Bielefeld auf und hoffte, nicht zu früh den Kontakt nach oben zu verlieren.
Bereits am vierten Spieltag kam es zum großen Duell gegen die Ostwestfalen. Vor 12.000 Zuschauern und herrlichem Sommerwetter wurde ein Fehlstart vermieden. Trotz zahlreicher verletzungsbedingter Ausfälle (Pickenäcker, Margref, Klein, Jack) wurde die Bielefelder „Startruppe" niedergekämpft. Oli Grein sorgte mit einem abgefälschten Distanzschuss für den goldenen 1:0 - Siegtreffer. Da an diesem Tag Dreharbeiten im Georg-Melches-Stadion stattfanden, ist Greins Tor in einer Folge der in Essen spielenden RTL-Serie „Und Tschüss" verewigt.
Kurioses wurde in der Woche nach dem Spitzenspiel aus Bielefeld vermeldet: Wegen eines Unentschiedens in einem Freunschaftsspiel (!) gegen einen Bezirksligisten musste Trainer Wolfgang Sidka nach nur 55 Tagen im Amt seinen Hut nehmen und wurde durch Ernst Middendorp ersetzt. Auch atmosphärische Störungen zwischen Sidka und seinem Starkicker Thomas von Heesen sollen mitverantwortlich für diese Entscheidung gewesen sein.
Durch den Sieg im Spitzenspiel beflügelt startete RWE eine Serie. Fünf Siege in Folge gegen Neunkirchen, Trier, Wattenscheid, Edenkoben und Bonn bescherten RWE nach dem neunten Spieltag erstmals die Tabellenführung - vier Punkte vor den inzwischen ins obere Mittelfeld abgerutschten Bielefeldern. Konkurrenzdruck aus Ostwestfalen spürte Essen dennoch: Der „Dorfverein" SC Verl ärgerte als bis dahin ungeschlagener Tabellenzweiter mit seiner überraschend starken Spielerachse Miletic - Scharpenberg - Meyer - Vier die „großen" Teams der Liga. Alle vier Kicker sollten in den folgenden Jahren noch Karriere in höheren Ligen machen.
Die erste Niederlage kassierte RWE am 12. Spieltag in Paderborn, wodurch sich die Situation an der Tabellenfront wieder zuspitzte: Nach 15 Spieltagen führte RWE die Liga mit 23:7 Punkten an, nur einen Zähler dahinter rangierte der vermeintliche Außenseiter Verl. Die Arminia befand sich zu diesem Zeitpunkt in Lauerstellung mit 20:10 Punkten auf Platz Drei und verstärkte ihren Kader mit dem russischen Nationalspieler und Ex-KSC´ler Schmarow. Auch RWE schlug vor der Winterpause noch einmal auf dem Transfermarkt zu und holte Jürgen „Die Kobra" Wegmann zurück an die Hafenstraße.
Unmittelbar vor der Winterpause kam es noch zu denkwürdigen Spielen mit Rot-Weißer Beteiligung. In Wuppertal führte RWE am 16. Spieltag bei klirrender Kälte und gefühlten -20 °C scheinbar sicher mit 2:0, so dass Bielefelds Trainer Middendorp als Beobachter der Partie bereits zehn Minuten vor Schluss die Haupttribüne verließ und die schlechte Kunde des Konkurrenzsieges nach Bielefeld übermittelte. Doch RWE ließ sich durch einen Doppelpack in den letzten drei Minuten noch einen Punkt entreißen - die Geburtsstunde des inzwischen fest etablierten rot-weißen „Last-minute"- Fluchs. Die Tabellenführung musste man dadurch kurzzeitig dem Außenseiter aus Verl überlassen.
Doch der neue Tabellenführer musste am letzten Spieltag vor Weihnachten noch zu einem weiteren denkwürdigen Flutlichtspiel an die Hafenstraße reisen. Vor 18.000 Zuschauern (davon rund 30 aus Verl) führte RWE erneut mit 2:0 und hatte gegen an diesem Tag schwache Verler die Tabellenführung wieder vor Augen. Harte, aber vertretbare Entscheidungen des Schiedsrichters führten dazu, dass RWE sich nach drei Platzverweisen in der Schlussphase der zweiten Halbzeit einer Abwehrschlacht ausgesetzt sah. Das Publikum erwies sich dabei als alternativer neunter, zehnter und elfter Mann auf dem Platz und feierte jeden Befreiungsschlag frenetisch. Und nicht nur das - nach einem Solo des sich kaum noch auf den Beinen halten könnenden Schreier ließ sich ein Verler Verteidiger zu einem Foulspiel im Strafraum hinreißen - Platzverweis für Verl und Elfmeter für RWE waren 10 Minuten vor Schluss die Folge. Doch statt kollektiver Erleichterung und einem sicheren 3:0 -Vorsprung gab es einen verschossenen Elfmeter und noch weitere quälend lange Minuten. Das vom Publikum gestützte Abwehrbollwerk hielt jedoch durch und noch lange nach dem Schlusspfiff feierten Mannschaft und Fans die Wintermeisterschaft.
Mit einem Sieg gegen Aachen und zwei Punkteteilungen in Erkenschwick und Hauenstein startete RWE wie schon zu Saisonbeginn mit recht durchwachsenen Leistungen in die Rückrunde. Dennoch fühlte man sich gut gerüstet für das Spitzenduell bei den wiedererstarkten Bielefeldern. Mit zwei Punkten und drei Toren Vorsprung fuhr eine rot-weiße Karawane zur schon seit Monaten ausverkauften Bielefelder Alm. Dort erlebte sie allerdings keine Sternstunde rot-weißer Fußballkunst: Sang- und klanglos ging man mit 4:0 unter, wobei die Arminia noch gnädig mit ihrem völlig überforderten Gegner umging. Dadurch verlor RWE nicht nur zwei Punkte, sondern auch die Tabellenführung. Nach diesem Spiel stellten Fans sich untereinander die Frage, wer diese nun eingespielte Arminia überhaupt noch schlagen kann?
Allerdings gab es noch keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, trennten RWE und Bielefeld doch nur fünf Tore. Um ein positives Zeichen zu setzen, verlängerten die Verantwortlichen den am Saisonende auslaufenden Vertrag von Wolfgang Frank unmittelbar nach dem Alm-Desaster um weitere drei Jahre. Ein Zeichen, das sich später als Eigentor entpuppen sollte.
Es folgten zwei „Südwestwochen" mit einem 2:0 -Arbeitssieg gegen Neunkirchen und einer 1:2 - Niederlage in Trier. Die Leistungen der Mannschaft waren dabei allerdings kaum besser als die in Bielefeld. Anschließend fing sich RWE jedoch wieder und startete wie in der Hinrunde eine erfolgreiche Serie, die sich aus Arbeits- (1:0 in Wissen), Pflicht- (2:0 in Edenkoben) und überzeugenden Siegen (5:0 bei Preußen Köln) zusammensetzte. Bielefeld verlor zwar weiterhin nicht, kam aber hin und wieder nicht über ein Unentschieden hinaus. So bleib es weiterhin ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Bielefeld und RWE, wobei sich der SC Verl auf dem dritten Platz nach wie vor mit geringem Rückstand in Lauerstellung befand.
Und siehe da - am 29. Spieltag eroberte sich RWE die Tabellenspitze mit einem 2:0 gegen Paderborn zurück. Zeitgleich verlor Bielefeld nach einer Serie von 31:5 Punkten ohne Niederlage mit 0:3 im heimischen Stadion gegen Alemannia Aachen. Die Situation an der Tabellenspitze nach diesem Spieltag: 1. RWE (43:15 Punkte), 2. Bielefeld (42:16 Punkte), 3. Verl (39:19 Punkte).
Doch die Freude über die mühsam zurückeroberte Tabellenführung währte nur eine Woche. Nach der 1:2- Niederlage in Münster war Essen den Platz an der Sonne wieder los. Das darauf folgende Heimspiel gegen Bocholt sorgte schließlich für eine Vorentscheidung im Aufstiegsrennen: Sowohl Libero Pickenäcker, der zum zweiten Mal in der Saison vom Platz gestellt wurde, als auch Torwart Zeljko, der bei zwei Gegentoren alt aussah, verloren die Nerven bei der 2:3 - Heimniederlage. Rund 150 fanatische Anhänger rasteten nach dem Spiel aus, so dass für Zeljko und Trainer Frank Polizeischutz aufmarschieren musste. In Interviews zeigten sich die Spieler angesichts des Dreipunkterückstandes auf Bielefeld resignierend, was in den letzten drei Spielen auch auf dem Feld zu erkennen war: Drei weitere Niederlagen ließen RWE in der Abschlusstabelle noch auf den vierten Platz zurückfallen.
Zwischendurch zog Manager Dirk Karkuth in Hinblick auf die kommende Saison doch noch die im Geschäft übliche Notbremse: Trainer Frank, der nach dem Bielefeldspiel erst einen neuen Mehrjahresvertrag unterschrieben hatte, musste aufgrund der zuletzt gezeigten desolaten Vorstellungen vor dem letzten Spieltag seinen (mit einer ordentlichen Abfindung gefüllten) Hut nehmen.
Blank liegende Nerven bei Trainer, einigen Routiniers und Fans ließen eine lange Zeit erfolgreich verlaufende Saison chaotisch enden. Mit einem neuen Trainer (Rudi Gores) und einem neuerlichen finanziellen Kraftakt wurde in der folgenden Saison ein weiterer Anlauf in Richtung Aufstieg unternommen.
Abschlusstabelle Regionalliga West 1994/1995
Pl. |
|
Verein |
Sp |
S |
U |
N |
Tore |
Diff. |
Pkt. |
1. |
|
Arminia Bielefeld |
34 |
20 |
10 |
4 |
65:28 |
+37 |
50-18 |
2. |
|
SC Verl |
34 |
15 |
14 |
5 |
64:35 |
+29 |
44-24 |
3. |
|
FSV Salmrohr |
34 |
19 |
6 |
9 |
57:33 |
+24 |
44-24 |
4. |
|
Rot-Weiss Essen |
34 |
17 |
9 |
8 |
62:40 |
+22 |
43-25 |
Rot-Weiss Essen: Die Spiele der Regionalliga West 1994/1995
1. Spieltag: |
Alemannia Aachen |
- |
Rot-Weiss Essen |
1:1 |
2. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
SC 1919 Hauenstein |
2:2 |
3. Spieltag: |
SpVgg Erkenschwick |
- |
Rot-Weiss Essen |
1:1 |
4. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
Arminia Bielefeld |
1:0 |
5. Spieltag: |
Borussia Neunkirchen |
- |
Rot-Weiss Essen |
0:1 |
6. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
Eintracht Trier |
3:1 |
7. Spieltag: |
SG Wattenscheid 09 II |
- |
Rot-Weiss Essen |
0:4 |
8. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
SV Edenkoben |
1:0 |
9. Spieltag: |
Bonner SC |
- |
Rot-Weiss Essen |
0:1 |
10. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
SCB Preußen Köln |
6:0 |
11. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
VfB Wissen |
4:0 |
12. Spieltag: |
TuS Paderborn-Neuhaus |
- |
Rot-Weiss Essen |
1:0 |
13. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
Preußen Münster |
1:1 |
14. Spieltag: |
1. FC Bocholt |
- |
Rot-Weiss Essen |
1:1 |
15. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
FSV Salmrohr |
1:0 |
16. Spieltag: |
Wuppertaler SV |
- |
Rot-Weiss Essen |
2:2 |
17. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
SC Verl |
2:0 |
18. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
Alemannia Aachen |
2:1 |
19. Spieltag: |
SC 1919 Hauenstein |
- |
Rot-Weiss Essen |
1:1 |
20. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
SpVgg Erkenschwick |
1:1 |
21. Spieltag: |
Arminia Bielefeld |
- |
Rot-Weiss Essen |
4:0 |
22. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
Borussia Neunkirchen |
2:0 |
23. Spieltag: |
Eintracht Trier |
- |
Rot-Weiss Essen |
2:1 |
24. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
SG Wattenscheid 09 II |
1:1 |
25. Spieltag: |
SV Edenkoben |
- |
Rot-Weiss Essen |
0:2 |
26. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
Bonner SC |
4:3 |
27. Spieltag: |
SCB Preußen Köln |
- |
Rot-Weiss Essen |
0:5 |
28. Spieltag: |
VfB Wissen |
- |
Rot-Weiss Essen |
0:1 |
29. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
TuS Paderborn-Neuhaus |
2:0 |
30. Spieltag: |
Preußen Münster |
- |
Rot-Weiss Essen |
2:1 |
31. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
1. FC Bocholt |
2:3 |
32. Spieltag: |
FSV Salmrohr |
- |
Rot-Weiss Essen |
4:2 |
33. Spieltag: |
Rot-Weiss Essen |
- |
Wuppertaler SV |
1:3 |
34. Spieltag: |
SC Verl |
- |
Rot-Weiss Essen |
5:2
|
|