10.05.2019

Interview Daouda Bangoura

von Sebastian Hattermann

Das zweite Interview zum DFB-Pokalendspiel-Special konnten wir mit Daouda Bangoura, dem Torschützen zum 1:2-Anschlusstreffer, führen. Daouda erzählt über die Zeit bei RWE und natürlich über das Finale in Berlin.

Daouda Bangoura im RWE-Trikot (www.rwe-autogramme-fm.de)Jawattdenn.de: Daouda Bangoura, vielen Dank, dass du dir Zeit für ein Interview genommen hast! Obwohl du der einzige Essener Torschütze im legendären Pokalfinale von 1994 warst, ist heute nicht viel über dich bekannt. Wir würden daher gerne ein wenig deinen Lebensweg in den Fokus rücken, bevor wir über das Pokalfinale sprechen.
Du bist 1968 in Conakry, der Hauptstadt des westafrikanischen Guineas, geboren worden, in Zagreb aber zur Schule gegangen. Bist du mit deiner Familie ausgewandert? Welche Erinnerungen hast du noch an Guinea?

Daouda Bangoura: Das ist soweit richtig. Die Erinnerungen an Guinea sind wundervoll. Ich habe dort meine ersten Schritte als Fußballer gemacht. Das sportliche Niveau in Guinea ist natürlich nicht so hoch, wie in Europa, aber ich war glücklich. Als mein Bruder krank wurde – er hatte Kinderlähmung – zog es uns nach Jugoslawien. Meine Mutter ist Kroatin und da meine Eltern meine drei Brüder und mich nicht trennen wollten, verließen wir zusammen das Land. So kam ich als Kind nach Kroatien, wo ich eine private Schule besucht und abgeschlossen habe. Meine Eltern haben mir in meinem Leben so viel gegeben, wie sie konnten und dafür bin ich ihnen dankbar. Ich habe mir im Leben aber auch eine Menge selbst erarbeitet.

Jawattdenn.de: Wie bist du zum Fußball gekommen und wo hat deine Karriere begonnen?

Daouda Bangoura: Ich habe meine Fußballkarriere bei NK Dinamo in Zagreb begonnen. Ich war bei einem Auswahltraining, bei dem über tausend Kinder teilgenommen haben. Nach 10 Minuten Training wurde mir sofort gesagt, dass ich bestanden habe. So wurde ich bei Dinamo als großes Talent betrachtet. Zvonimir Boban, Robert Prosinecki, Zvonimir Soldo, Torhüter Zdenko Miletic, Fabijan Komljenovic und mein Freund Predrag Crnogaj haben mit mir zusammengespielt. Das war bis heute die talentierteste Generation von Dinamo.

Jawattdenn.de: In der Saison 1990/91 hast du im Alter von 22 Jahren für NK Drubrava Zagreb gespielt. Das ist die erste im Internet zu recherchierende Station als Spieler. War das deine erste Profistation?

Daouda Bangoura: Nein, ich war bereits zwei Jahre in Österreich. Zwischenzeitlich stand ich in Dänemark bei Odense BK kurz vor der Vertragsunterzeichnung, wollte aber sehen, wo mein Limit liegt. Bei NK Dubrava habe ich nur eine Saison gespielt. Danach landete ich bei RWE.

Jawattdenn.de: Das war 1991. RWE hatte gerade zum ersten Mal die Lizenz entzogen bekommen hat und den Gang in die Drittklassigkeit antreten müssen. Wie ist der Kontakt damals entstanden? Wer hat dich nach Essen geholt?

Daouda Bangoura: Ich wurde privat über einen deutschen Manager – Karl Amft – nach Essen geholt. Leider gab es später keinen Kontakt mehr zwischen uns, was ich bedaure, da ich ihm für alles sehr dankbar war.

Ich wurde für die erste Mannschaft nach Essen geholt, habe mich jedoch einen Tag vor dem ersten Spiel verletzt. Meine Pause dauerte etwas länger, darum habe ich zuerst für die 2. Mannschaft gespielt, bis ich in Form war. Mein erstes Spiel für die erste Mannschaft habe ich gegen die Stadtrivalen von ETB SW Essen gemacht, wo ich auch gleich meinen ersten Treffer erzielen konnte. Damit begann meine große Liebe zu den RWE-Fans. Sie sind einfach die besten Fans, für die ich je gespielt habe.

Damals war bereits der Krieg in Kroatien ein Thema. Das war eine schwierige Zeit für mich. Spielen und über die Familie nachdenken. Ist alles in Ordnung? Leben sie? Der Horror! Mein Herz tut weh, wenn ich an diese Zeit zurückdenke.

Jawattdenn.de: 1992 gab es die ersten Highlights im RWE-Trikot: Du konntest mit RWE die seinerzeit ausgespielte Amateurmeisterschaft gegen Bad Homburg gewinnen. Wenige Monate später folgte das bis heute letzte Pflichtspiel gegen Schalke. Der sensationelle 2:0 Sieg mit dem legendären Lipinski-Tor. Welche Erinnerungen hast du an die Zeit?

Daouda Bangoura: Ich habe es immer genossen, für RWE zu spielen, egal bei welchem Spiel. Das Publikum, das uns überall hinterhergereist ist, hat mich immer begeistert. Das Pokalspiel gegen Schalke war ein wunderbares Spiel, bei dem wir nicht nur gewonnen, sondern den Gegner über die gesamte Dauer des Spiels dominiert haben. Dass Lipinski beim 2:0 nochmal auf der Linie stehen bleibt, damit war nicht zu rechnen. Es war einfach unser Tag! Und ein trauriger Tag für Schalke 04.

Jawattdenn.de: In der Saison 1993/94 war es ebenfalls der DFB-Pokal, der bis heute im Gedächtnis geblieben ist. Bocholt und St. Pauli (n.V.) wurden knapp mit 3:2 besiegt. Der Rivale aus Duisburg wurde mit 4:2 nach Hause geschickt, bevor der Sieg im bitterkalten Jena erst durch Elfmeterschießen erzwungen wurde. Das Halbfinale gegen TeBe Berlin wurde mit 2:0 gewonnen. Hast du noch einen besonderen Moment auf dem Weg ins Finale vor Augen?

Daouda Bangoura: In besonderer Erinnerung habe ich den Sieg gegen TeBe Berlin, bei dem ich das erste Tor gemacht habe. Ich schoss bei einem Luftkampf am höchsten nach oben, während alle anderen um mich herum zu Boden fielen.

Jawattdenn.de: Nach dem das Finale erreicht wurde, wurde schnell bekannt, dass RWE erneut die Lizenz verlieren würde und als erster Absteiger feststand. Wie hast du diese Nachricht aufgefasst?

Daouda Bangoura: Das war nicht einfach. Ich musste mich plötzlich umsehen, obwohl ich diesen Verein und seine Fans so sehr liebte. Aber ich war einfach müde von alledem. Ich wollte mehr als meine Mitspieler, die erste Liga war das Ziel. Mit Rot-Weiss Essen, weil wir ein Team dafür hatten.

Jawattdenn.de: Auf dem Feld hatte sich die Mannschaft dennoch nicht aufgegeben und ein riesiges Spiel gegen die mächtigen Bremer im Olympiastadion abgeliefert. Wie hast du das Spiel auf dem Feld wahrgenommen?

Daouda Bangoura: Als Profi ist sowas schwer zu beschreiben. Man ist im Kopf nicht klar. Du denkst nicht darüber nach, was Du als Nächstes tust. Das war auch im Pokalfinale gut zu sehen, weil wir die ersten 45 Minuten nicht ins Spiel gefunden haben. Erst mein Tor hat einigen Spielern die Augen geöffnet. Es hätte anders laufen können. Aber ich möchte jetzt nicht schlau daherreden. Es war ein großer Erfolg und eine tolle Mannschaft.

Jawattdenn.de: In der 55. Minute hast du akrobatisch den Anschlusstreffer erzielt. 30 000 Essener sollen im Stadion gewesen sein. Hörst du den Torschrei noch manchmal?

Daouda Bangoura: Eine unvergessliche Erfahrung! Ein wirklich unbeschreiblicher Freudenschrei. Und selbst in dieser Menge von Fans, habe ich in der Nähe des Zauns meine Brüder gesehen, die extra aus Kroatien kamen, um RWE und mich zu unterstützen.

Jawattdenn.de: Es muss das bedeutendste Tor deiner Karriere gewesen sein, oder? Wie oft hast du es dir bis heute angesehen?

Daouda Bangoura: Natürlich schaue ich es mir immer wieder an und zeige es meiner Tochter und meinem Sohn. Das ist der Punkt, der Essen und mich für immer verbindet.

Jawattdenn.de: Trotz der Niederlage hat das ganze Stadion nach dem Spiel nur eine Mannschaft gefeiert: Rot-Weiss Essen. Wie war die Stimmungslage bei dir?

Daouda Bangoura: Ich war schon enttäuscht, so wie man sich als Fußballspieler fühlt, wenn man kurz davor war, zu gewinnen. Du fängst an, über die Fehler nachzudenken, stellst dir vor, was gewesen wäre, wenn wir gewonnen hätten. Dann hätten wir wirklich Geschichte geschrieben. Das tat mir für uns und die Fans leid. Aber Gott wollte, dass es so ist.

Jawattdenn.de: Wie auch die Fans, hatten auch die Spieler noch eine lange Partynacht in Berlin. Kannst du ein paar Einblicke in die Feierlichkeiten geben?

Daouda Bangoura: Es war ein schönes Fest, aber es war auch allen Spielern anzumerken, dass sie den DFB-Pokal gewinnen wollten. Aber nochmal: Wenn man sich das Geschehene zurückblickend nochmal anschaut, war das wirklich ein großer Erfolg.

Jawattdenn.de: In Essen haben euch tausende RWE-Fans auf dem Kennedyplatz empfangen. Wie lief der Tag nach dem Finale für euch?

Daouda Bangoura: Ich war müde und dachte über das Spiel nach. Als ich sah, wie viele Leute zum Kennedyplatz in die Essener Innenstadt gekommen waren, wurde mir klar, wie stolz wir die Stadt gemacht haben. Das sind schöne Erinnerungen, die ein Leben lang bleiben werden. Vielen Dank an alle, die uns damals so empfangen haben!

Jawattdenn.de: Du bist zur Saison 1994/95 zu TuS Paderborn-Neuhaus gewechselt. Stand der Transfer schon vor dem Pokalfinale fest?

Daouda Bangoura: Der Wechsel stand noch nicht fest, aber viele Vereine hatten ein Auge auf mich geworfen. Ich hatte wirklich gute Angebote bekommen. Ich habe natürlich auch an RWE gedacht, fühlte aber eine Sättigung zwischen RWE und mir. Der Verein hat sich nicht weiterentwickelt. Ich musste einfach gehen.

Jawattdenn.de: Nach zwei Jahren in Paderborn hast du noch zwei Jahre für die SpVgg Erkenschwick gespielt. Wie liefen diese vier Jahre für dich?

Daouda Bangoura: Es war okay, aber ich hatte das Gefühl, es sei vorbei. Ich war deprimiert und hatte private Probleme. Der Wunsch, nach Kroatien zurückzukehren, wurde immer stärker.

Jawattdenn.de: Nach der Saison 1997/98 verliert sich deine Spur. Hast du deine Karriere in Erkenschwick beendet oder gab es noch weitere Stationen als Fußballer?

Daouda Bangoura: Erkenschwick war meine letzte Station. Ich hatte in Kroatien ein Angebot bekommen, meine Karriere fortzusetzen, doch mir wurde klar, dass die Zeit für etwas anderes gekommen war.

Jawattdenn.de: Heute lebst du wieder in Zagreb. War es immer der Plan, nach Kroatien zurückzukehren? Oder was hat dich dorthin zurück verschlagen?

Daouda Bangoura: Ich bin in Zagreb aufgewachsen und habe viele Freunde hier. Wenn man sich einmal Zagreb verliebt hat, kehrt man immer wieder nach Zagreb zurück. So schließt sich der Kreis. Eine der schönsten Städte der Welt. Die Rückkehr nach Zagreb stand also immer auf dem Plan!

Jawattdenn.de: Was machst du heute beruflich? Bist du dem Fußball noch verbunden?

Daouda Bangoura: Natürlich bin ich dem Fußball noch verbunden! Das ist meine größte Liebe. Heute besitze ich eine Sport- und Dienstleistungsfirma, die sich mit Spielertransfers, Kinderförderung durch Fußballschulen und Spielvorbereitung befasst.

Jawattdenn.de: Verfolgst du noch, was bei RWE passiert?

Daouda Bangoura: Aus geschäftlichen Gründen war ich lange nicht an der Hafenstraße. Aber wenn ich Zeit habe, verfolge ich natürlich, was in Essen passiert.

Jawattdenn.de: Hast du noch Kontakt zu Mitspielern aus deiner Zeit bei RWE?

Daouda Bangoura: Natürlich bin ich mit einigen Spielern in Kontakt geblieben. Wir waren in erster Linie immer Freunde und dann erst Teamkollegen.

Jawattdenn.de: Daouda, besten Dank für deine Antworten.

Daouda Bangoura: Ich möchte mich abschließend ebenso von ganzem Herzen für das Interview bedanken. Es freut mich, dass man sich in Essen noch an mich erinnert. Vielen Dank und einen tollen Gruß meine Fans. Ich liebe euch alle!