„Die Affäre Pennerling – Geschichte einer Analrena-Familie“
Ein halbes Jahr ist ins Land gegangen. Gottfried hat einem lange arbeitslosen S05 Fan, der seit 30 Jahren zu den Schlakkern wanderte, seine Dauerkarte abgekauft. Der echte Fan brauchte das Geld. Auch für Margot konnte er noch eine weitere Karte ergattern und so wandern die Pennerlings nun regelmäßig in die Analrena.
Ab und zu gelingt es ihnen sogar, einen Spieler ohne zur Hilfenahme der Stadionzeitung zu identifizieren. Allerdings müssen sie auf ihren Sohn Jan Henning II. verzichten, der sich in Erinnerung an die Pokalschlacht gegen Rot-Weiß Essen dem unbedeutenden Zweitligisten (aus Drehbuchgründen ist unser Aufstieg beschlossene Sache) als Fan anschloss, was Gottfried mittelprächtig verstimmte.
Eines Abends platzt dann die endgültige Bombe. Beim Treffen des neugegründeten Fan-Clubs der „Nobel-Knappen“, dem Gottfried als Präsident vorsteht und der ausschließlich aus Bewohnern des Edelviertels, in welchem die Pennerlings beheimatet sind, besteht, wird Jan Henning II von der Polizei vorgeführt. Der Erstgeborene der Pennerlings, als Sohn aus begütertem Hause eigentlich vorgesehen als neuer Vorsitzender der Jungen Union der verbotenen Stadt, wurde während Ausschreitungen des Essener Spiels beim 1. FC Köln festgenommen. Unter anderem hatte er Hennes den X. mit einem Baseballschläger über die Tartanbahn gejagt. Das Tier entkam durch einen waghalsigen Sprung in die Kabinengänge. Gottfried sinkt mit dem Sektglas in der Hand röchelnd in seinen Mahagoni-Sessel, die 12 Mitglieder der „Nobel-Knappen“, die es gemeinsam auf 21 Analrena-Spiele bringen und bislang noch die Auswärtsfahrten scheuen, werfen sich pikierte Blicke zu, Margot versucht die Situation zu entspannen. „Junge, soll ich dir erst mal ein paar Schnittchen machen?“ „Schnittchen????“, entfährt es Gottfried, „mach, das du mein Haus verlässt, du Essener Hinterhofschläger!!!!“ „Ich gehe, aber TOD UND HASS DEM S05!“ schallt es aus Jan Henning II. Margot beginnt hysterisch zu kreischen, während die „Nobel-Knappen“ brüskiert das Haus verlassen. Durch sie hindurch läuft Jan Henning II, nicht ohne noch die Fahrzeuge der Fanclub-Mitglieder mit Liebkosungen zu versehen. Die uralte Feindschaft zwischen den Essenern und den Schlakkern hatte nun die 20 Jahre intakte Familie Pennerling in ihrem Inneren zerrissen.
Gottfried hat schwer zu knabbern am Zerwürfnis seiner Familie, noch mehr aber am Image-Verlust, den diese erste Affäre mit sich bringt. Jan Henning II brach sein Jura-Studium ab,
fährt Pizza-Taxis und wird von seiner Mutter klammheimlich mit Geld versorgt. Doch dann naht für Gottfried unvorhergesehen die Rettung. Nach den schweren Verlusten, den der Bau der Analrena in die Vereinskassen des S05 geschlagen hatte, der sportlichen Talfahrt unter Don Jupp Richtung Tabellenende und der Bekanntgabe des Rechenschaftsberichtes wurde der Vorstand von der Mitgliederversammlung nicht entlastet. Es dampfte mal wieder auf Scheiße. Niemand findet sich bereit, das sinkende Vereinsschiff als Kapitän zu übernehmen.
Da erinnert man sich an einen der bedeutendsten Geschäftsmänner der verbotenen Stadt, der zudem seit einigen Monaten fanatischer S05 Anhänger ist. Auf einer gesonderten Mitgliederversammlung tritt Präsidentschaftskandidat Gottfried Pennerling auf dem Rasen der Analrena vor die prall gefüllten Ränge. Im Licht der Scheinwerfer ist er zunächst nervös, weiß aber dann mit rhetorischen Feuerwerken seine Zuhörer zu begeistern. „Gegen Arminia Dortmund hätten wir uns früher gar nicht erst umgezogen!“, hallt seine Stimme durchs weite Rund, den Irrtum bemerken nur die wenigen verbliebenen echten Fans. „Mit mir zurück in eine goldene Zukunft für unseren geliebten S05!!! Ich habe Fritz Kotzzura und Ernst Schepahn nie persönlich spielen gesehen, aber unter meiner Egide werden wir wieder solche Zeiten erleben!!!!“ Die Analrena bebt. Mit überwältigender Mehrheit wird Gottfried zum neuen Herren über den S05 gewählt. Während der Zeremonie sorgen lediglich einige Essener vor der Analrena für Unruhe, die den Gedenkstein der Pennerlings mit Säure übergießen und unleserlich machen. „Niemand bringt mich mit diesem Klub in Verbindung!!!“ brüllt ein maskierter Mann und flüchtet.
Nachdem Gottfried mit seiner Sachkenntnis und Margot als neuer First Lady auf Scheiße in mehreren Fernsehsendungen glänzte („Einen wie unseren früheren Libero Franz Seeler würde ich gerne für den aktuellen Kader haben.“), steht für Gottfried eine fundamentale sportliche Entscheidung an. Don Jupp hat desillusioniert das Handtuch geworfen. Als Nachfolger verpflichtet Gottfried Harry Pleß von Rot-Weiß Essen. „Sein bedingungsloser Offensivfußball ist das, was wir hier auf Schlakke sehen wollen.“ In Essen nimmt man es gelassen, seit Horst Franz war man das ja gewohnt. Wie aber die Finanzkrise auf Scheiße in den Griff bekommen???? Immerhin wurden in der letzten Spielzeit 15 Zweitligisten die Lizenz entzogen, bei denen man sich fragte, warum MV in Richtung Scheiße nur mit dem erhobenen Zeigefinger mahnte. Gottfried kommt eine Idee. Für das Heimspiel gegen Bayern München wird keine der verfügbaren Eintrittskarten in den freien Verkauf gehen. Gottfried veranlasst, sämtliche Karten beim Online-Aktionshaus E-Bay über einen Strohmann zu Wucherpreisen anzubieten. Trotz der gesalzenen Preise von bis 2.500 € pro Karte kennt der Run auf die Tickets keine Grenzen. Eine satte Einnahme für Schlakke, weswegen diese Finte künftig regelmäßig Anwendung findet.
Nach einem Jahr präsentiert Gottfried der staunenden Menge seine Bilanz, wobei er seinen Vortrag mit einigen Bemerkungen über die Fairness die Ethik des Sports, die auf Schlakke in unnachahmlicher Art und Weise praktiziert wird, garniert. Unter Trainer Pleß wird Schlakke in der Bundesliga zur Torfabrik. Da gleichzeitig die Viererkette noch einige Schwächen aufweist, reicht es jedoch nur zu Platz 5 in der Liga. Dennoch, eine deutliche Steigerung zum Vorjahr.
Beim Festbankett zum UEFA-Cup-Spiel gegen Inter Mailand will Gottfried einen weiteren Feiertag verleben. Doch ein findiger Journalist namens Heinz-Dieter Lassie sorgt mit einer Tonbandaufnahme für Gesprächsstoff. Die Vertreter der UEFA und des DFB werden somit nachträglich Zeuge eines Telefonats zwischen Gottfried und seinem E-Bay-Strohmann. Die BILD titelt am nächsten Tag: VERPRELLT DER FC MEINEID SEINE FANS? INTERNET-WUCHER MIT EINTRITTSKARTEN – PENNERLING UNTER BESCHUSS; und etwas weiter unten auf der Seite: „RWE unter Spielertrainer Wolf auf Kurs – nach 3:0 in Regensburg winkt die erste Liga.“
„Stimmt das, Gottfried?“ fragt eine traurige Margot beim Katerfrühstück. „Nein, nein, Spatzi, üble Verleumdungen, aber die werden mich kennen lernen.“ MV versichert Gottfried telefonisch, die Affäre zu decken, wenn Schlakke eine kleine Stiftung für die neue DFB-Briefmarke mit MV’s Konterfei und der Aufschrift „Fair geht vor!“ tätigt. Bereitwillig stimmt Gottfried zu und sieht seinen Hals gerettet. „Margot, mach doch mal ein Fläschchen Sekt auf!“, sagt er gutgelaunt, doch dann bleibt ihm das nächste Lachs-Brötchen im Halse stecken, als er im Radio Verbotene Stadt ein Interview mit seinem verschollenen Sohn hört. „Meinem Vater und diesem Verein traue ich ALLES zu!“
weiter zu Teil III