06.03.2019

Der Aufbau eines neuen Teams

von Redaktion

Jürgen Lucas und Karsten Neitzel haben vor der Saison grundlegende Überlegungen angestellt, wie ein Erfolg in der Regionalliga möglich ist. Ein Schwerpunkt war, dass die Geschwindigkeit der Mannschaft erhöht werden sollte. Mit Florian Bichler, Daniel Heber oder Lukas Scepanik sind Spieler gekommen, die schnelle Fußballer wie Kai Pröger unterstützt haben.

Ein endgültiges Fazit muss bis Saisonende warten, allerdings hat RWE nach 23 Spielen fünf Tore weniger erzielt als in der vergangenen Saison. RWE hat das letzte Mal im Jahr 2016, als unter Jan Siewert die sportlich desaströseste Saison nach der Insolvenz gespielt wurde, weniger Tore nach 23 Spielen geschossen als heute.

Das liegt sicher nicht an der neuen Ausrichtung der Mannschaft. Die Entscheidung spritzig nach vorne zu spielen, werden auch heute noch die meisten Fans positiv sehen, es fällt allein auf, dass auch statistisch nachweisbar ist, dass der Wurm drin steckt.

Nach den Verletzungen von Freiberger, Platzek und Bichler sowie der langen Sperre von Kai Pröger rutschte RWE ab und präsentierte fortan nicht mehr den offensiven und aufwändigen Fußball der ersten Spiele, sondern den in den letzten Jahren bestens bekannten defensiven Fußball, der in erster Linie auf Fehlervermeidung aus ist.

Hier hat sich die Entscheidung als fatal erwiesen, dass mit Neuverpflichtungen bis zum Winter gewartet wurde. Jürgen Lucas und Karsten Neitzel wollten aus der Not eine Tugend machen und eine Motivation für Spieler schaffen, die sich ohne den Ausfall der Stammkräfte auf der Bank wieder gefunden hätten. Es ist immer leicht, im Nachhinein zu urteilen, aber auch Trainer und sportlicher Leiter werden gesehen haben, dass die Ersatzspieler nicht die nötige Leistung erbringen konnten, um weiterhin zufriedenstellende Ergebnisse einzufahren.

Egal, welche Erklärungen wir für den Tabellenstand suchen, es kann keine zwei Meinungen darüber geben, dass Auftritte wie zeitweise gegen Herkenrath oder in Bonn nicht der Normalfall sein dürfen, egal wer auf dem Platz steht. Hier wird der Nachfolger von Jürgen Lucas sofort Lösungen finden müssen, die sofort wirken.


Liegt es an den Verantwortlichen?

Der Wunsch einen klaren Sündenbock zu finden, ist menschlich, er wird der Sache aber nur unzureichend gerecht:

Muss der Trainer weg? – Karsten Neitzel hat sich zu Beginn als Volltreffer erwiesen. Seine direkte Art passt zum Ruhrpott wie „Arsch auf Eimer“. Dennoch fehlt es in Zeiten, in denen Erfolge ausbleiben, nie an Kritikern. Angesichts der starken Auftritte zu Saisonbeginn und der dennoch leichten tabellarischen Verbesserung seit seinem Amtsantritt sollten wir Geduld in dieser Frage beweisen. In den letzten fünf Jahren gaben sich sechs Trainer die Klinke in die Hand. Das Ergebnis wurde nie besser.

Die anhaltende Kritik an sportlicher Leitung, Vorstand und Aufsichtsrat lenken vom eigentlichen Problem ab. Zu Marcus Uhlig haben wir bereits einen eigenen Teil verfasst. Schlussendlich müssen sich alle am sportlichen Abschneiden der ersten Mannschaft messen lassen, aber Jürgen Lucas hat bereits das Handtuch geworfen und der Aufsichtsrat ist wohl kaum der richtige Ansprechpartner, wenn es darum geht den Hauptschuldigen für die Mannschaftsleistung zu finden.

Zu Jürgen Lucas sollte man allerdings Folgendes erwähnen: Sicher ist auch er mit für die Leistungen der Saison verantwortlich. Schauen wir uns das Management von KFC Uerdingen oder Viktoria Köln an, dann sehen wir dort Neuzugänge, die wohl jeder Zuschauer, der sich für die Regionalliga interessiert sofort mit Kusshand genommen hätte. Um Spieler wie Candan oder Beister zu verpflichten braucht man viel Geld, aber sicher kein Netzwerk oder sportlichen Sachverstand, um ein Talent zu erkennen. Ein Spieler wie Kai Pröger hatte niemand auf dem Zettel, weshalb sich die genannten Vereine auch nicht um iihn gekümmert haben. Pröger ist außerdem der erste Spieler seit Cebio Soukou, den RWE in eine höhere Liga abgeben musste und der wurde - die Älteren erinnern sich noch - von Damian Jamro und Waldemar Wrobel geholt.

Dass nun auch auch weitere Spieler im Radar von Drittligisten sind, zeigt, dass die Transferpolitik von Jürgen Lucas nicht so schlecht gewesen sein kann. Die Neuzugänge von Uwe Harttgen und Andreas Winkler mussten sich dagegen eher nach unten als nach oben orientieren, wenn sie RWE verlassen haben.


Ist also alles bestens?

Der Eindruck könnte entstehen, dass hier deutlich werden soll, dass bei RWE alles bestens ist. Dass das nicht der Fall ist, konnte man nun in viel zu vielen Spielen beobachten. Die Mannschaft wird in der Besetzung kein Wort um den Aufstieg mitreden können, selbst wenn Viktoria Köln auf- und kein Westverein absteigt. Das zeigt uns die aktuelle Saison.

Es muss vielleicht auch bittere Trennungen von Spielern geben, die bei den Fans beliebt sind. Hier muss bei allen Akteuren gelten, dass kein Spieler bei Rot-Weiss Essen so groß ist, wie der Verein. RWE ist vor den Spielern der aktuellen Mannschaft unser Verein gewesen, er ist mit den aktuellen Akteuren unser Verein und er wird unser Verein bleiben, selbst wenn Publikumslieblinge abgegeben werden.

Das gilt zwar auch für Lukas Scepanik, der ist allerdings ein Spieler, der den Unterschied ausmacht, sodass es kein Zufall ist, dass er auf den Zetteln mehrerer Drittligisten auftaucht. RWE sollte sich in diesem Fall für eine Vertragsverlängerung strecken, da wir für diesen Spieler kaum adäquaten Ersatz finden werden. Ansonsten sollten die zahlreichen auslaufenden Verträge als Chance gesehen werden, dass die erste Elf ein erfolgreicheres Gesicht bekommt

An zwei Stellschrauben muss kurzfristig gedreht werden, um RWE ernsthaft in Tuchfühlung mit den Top-Plätzen zu bringen: Die Beispiele Rödinghausen, Viktoria, Fortuna oder Lotte zeigen, dass es ohne einen enormen finanziellen Einsatz nicht gehen wird, Spieler an die Hafenstraße zu lotsen, die das Können und noch viel wichtiger die psychische Abgebrühtheit besitzen bei RWE um den Aufstieg zu spielen.

Gleichzeitig sollte ein sportlicher Leiter mit Netzwerk und Know-How kommen. Er sollte in der Lage sein, eine Mannschaft zusammenzustellen, bei der ein Fußball, wie wir ihn in Bonn, Köln oder Wuppertal gesehen haben, nicht mehr vorkommen kann. Beide Forderungen sind leicht gestellt, aber nur mit viel harter Arbeit, vielleicht sogar überhaupt nicht zu erreichen. Hoffen wir, dass Marcus Uhlig für beide Stellschrauben das passende Werkzeug findet.



Hendrik Stürznickel & Sven Meyering