(K)ein Stadion für Rot-Weiss Essen?

veröffentlicht am 19.11.2008 um 20:30 Uhr

„Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.“ So ließ vor mehr als zweitausend Jahren Cato Censorios all seine Reden vor dem Senat enden, egal welcher politische Gegenstand aktuell zur Diskussion stand. Gebetsmühlenartig wiederholte er diesen Vers, bis er seinen Willen bekam und das einstmals so mächtige Mittelmeerreich dem Boden gleich gemacht wurde. Weniger martialisch sind da die Wünsche in der selbst ernannten Ruhrgebietsmetropole Essen, aber sie beschäftigen das Umfeld der Hafenstraße ähnlich intensiv.

Der ortsansässige Fußballverein dümpelt mehr oder weniger erfolgreich in der Regionalliga, der vierthöchsten deutschen Spielklasse. Das Thema Stadionneubau ist in den Vorstandsetagen, den Medien und unter den Anhängern von Rot-Weiss Essen vielfach diskutiert worden. Immer wieder deutete sich ein Neu- oder Umbau an und jetzt scheint das Projekt nach vielen Enttäuschungen endgültig zu scheitern.

Stadion Neubau in Essen „Noch in meiner Amtszeit wird mit dem Wiederaufbau der Westtribüne begonnen!“ Dieser Ausspruch der damalig amtierenden Oberbürgermeisterin feiert mittlerweile seinen zwölften Geburtstag. Die gähnende leere im Westen wird bis heute lediglich durch ein Zelt verdeckt, in dem Freunde und Förderer von RWE das Spiel in bevorzugtem Ambiente genießen können. Dieses sollte allerdings nicht das letzte Versprechen sein, das im Hinblick auf eine neue rot-weisse Spielstätte gebrochen werden sollte.

Thomas Schiemann, zur damaligen Zeit aufstrebender Präsident der Moskitos, verkündete mit der geballten Kraft der Lokalpolitik im Rücken einen Plan, der aufhorchen ließ. Der Eishockeyverein aus dem Essener Westen wollte mit RWE eine fruchtbare Symbiose eingehen und sogar die bis dato erfolgreichen Handballer von TUSEM wurden in dieses Projekt mit eingebunden. Eine Multifunktionsarena wurde präsentiert, die den Bedürfnissen aller Vereine gerecht werden sollte. Ein kühner Plan, der bereits nach kurzer Zeit in die Schublade verfrachtet wurde, die heute aus allen Nähten platzen müsste. Die Stadiondebatte ruhte erst einmal, denn die Moskitos übernahmen sich mit ihrem Abenteuer DEL und Rot-Weiss hatte ebenfalls andere Probleme als über moderne Sportplätze nachzugrübeln.

Wieder war es Rolf Hempelmann, der sich angesichts des Aufstiegs in die Zweite Bundesliga weit aus dem Fenster lehnte und den Stadionneubau für beinahe sicher erklärte. Erste Bilder waren zu sehen, von der neuen RWE-Heimat, die eine für die heutige Zeit unglaubliche Menge an kostengünstigen Stehplätzen fassen sollte. Viele dachten an goldene Zeiten für den gebeutelten Verein aus Bergeborbeck. Doch die Aufbruchsstimmung sollte sich als trügerisch und sehr kurzlebig erweisen. Erzgebirge Aue riss alle Träumer brutal in die Realität zurück. Die Erklärung, dass die Sponsoren des Stadions durch dieses eine Spiel abgewinkt hätten, wirkte schon zur damaligen Zeit vorgeschoben.

Ein neuer Anlauf wurde erst beim Abstieg im Jahr 2007 genommen. Hempelmann war sich des Neubaus so sicher, dass er sein Präsidentenamt (später auch sein Bundestagsmandat) mit der Verwirklichung des Traums vom neuen Stadion verknüpfte. Eine Erfolgsmeldung reihte sich an die nächste. Ein Unternehmen, das demnächst wieder nach Essen zurückkehre, würde sich ebenfalls beteiligen, hieß es noch Ende des Jahres 2007. Die Hoffnung, dass zusätzliche Kruppmillionen das Pendel endgültig auf Bauen ausschlagen lassen würde, verpuffte schnell. Die Unternehmen wurden sich nicht einig, das Projekt war einmal mehr zum Scheitern verurteilt.

Reparaturarbeiten GMS Ein weiterer Abstieg sollte folgen. Trotzdem verschwand das Thema Stadion nicht aus dem Gespräch. Nun wollte die Stadt Essen sich dieses Projektes annehmen. Verschiedene Varianten einer neuen Spielstätte wurden durchgespielt und zumindest das alte Versprechen, eine neue Westkurve, galt als sicher. Die Stadt drücken massive Finanzprobleme und es gliche einem Wunder, wenn sie es schaffen sollte, ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Aus Düsseldorf kommen massive Drohungen in Richtung Stadtspitze, sollte diese sich erdreisten angesichts der erschreckenden Bilanz ein solches Projekt zu stemmen. Das neue Stadion ist so gut wie vom Tisch.

Wut und Verständnislosigkeit regieren bei den Fans, die seit kurzem sogar mit Buttons und Sprüchen um Sympathie für ihren Verein werben. So viele Versprechen wurden in diesen ganzen aufregenden Jahren gebrochen, dass schließlich nur noch ein Gefühl der Resignation überbleiben wird. Noch werden die Ausgaben für Hochkultur mit denen für den Sport abgeglichen. Doch diese Diskussion ist weder zielführend noch wird sie dem Desaster gerecht, das sich dort abspielt. Die Beispiele anderer Vereine, die ebenfalls finanziell nicht auf Rosen gebettet sind und trotzdem Stadien bauen, lassen Fragen an die Vereinsspitze offen. In Berlin wird ebenso gebaut wie in Hamburg oder Wuppertal. Was in diesen Städten möglich ist, sollte doch ebenfalls in Essen möglich gemacht werden können.

Die Haupttribüne, die noch aus Zeiten des legendären Georg Melches stammt, wird keine Ewigkeit mehr aushalten und spätestens dann wird das Thema Stadion wieder brisant werden, noch heftiger diskutiert werden als ohnehin schon, denn das altehrwürdige Georg-Melches Stadion, bietet aktuell immerhin noch ausreichend Sitz- und Stehplätze. Spätestens dann muss eine Lösung gefunden werden, wo Rot-Weiss Essen künftig zu Hause sein soll.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass ein neues Stadion gebaut werden muss!


Hendrik Stürznickel