(K)ein Stadion für Rot-Weiss Essen?
„Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.“ So ließ vor mehr als zweitausend Jahren Cato Censorios all seine Reden vor dem Senat enden, egal welcher politische Gegenstand aktuell zur Diskussion stand. Gebetsmühlenartig wiederholte er diesen Vers, bis er seinen Willen bekam und das einstmals so mächtige Mittelmeerreich dem Boden gleich gemacht wurde. Weniger martialisch sind da die Wünsche in der selbst ernannten Ruhrgebietsmetropole Essen, aber sie beschäftigen das Umfeld der Hafenstraße ähnlich intensiv.
Der ortsansässige
Fußballverein dümpelt mehr oder weniger erfolgreich in der
Regionalliga, der vierthöchsten deutschen Spielklasse. Das Thema
Stadionneubau ist in den Vorstandsetagen, den Medien und unter den
Anhängern von Rot-Weiss Essen vielfach diskutiert worden. Immer wieder
deutete sich ein Neu- oder Umbau an und jetzt scheint das Projekt nach
vielen Enttäuschungen endgültig zu scheitern.
„Noch in meiner Amtszeit wird mit dem Wiederaufbau der Westtribüne
begonnen!“ Dieser Ausspruch der damalig amtierenden Oberbürgermeisterin
feiert mittlerweile seinen zwölften Geburtstag. Die gähnende leere im
Westen wird bis heute lediglich durch ein Zelt verdeckt, in dem Freunde
und Förderer von RWE das Spiel in bevorzugtem Ambiente genießen können.
Dieses sollte allerdings nicht das letzte Versprechen sein, das im
Hinblick auf eine neue rot-weisse Spielstätte gebrochen werden sollte.
Thomas Schiemann, zur damaligen Zeit aufstrebender Präsident der
Moskitos, verkündete mit der geballten Kraft der Lokalpolitik im Rücken
einen Plan, der aufhorchen ließ. Der Eishockeyverein aus dem Essener
Westen wollte mit RWE eine fruchtbare Symbiose eingehen und sogar die
bis dato erfolgreichen Handballer von TUSEM wurden in dieses Projekt
mit eingebunden. Eine Multifunktionsarena wurde präsentiert, die den
Bedürfnissen aller Vereine gerecht werden sollte. Ein kühner Plan, der bereits nach kurzer Zeit
in die Schublade verfrachtet wurde, die heute aus allen Nähten platzen
müsste. Die Stadiondebatte ruhte erst einmal, denn die Moskitos
übernahmen sich mit ihrem Abenteuer DEL und Rot-Weiss hatte ebenfalls
andere Probleme als über moderne Sportplätze nachzugrübeln.
Wieder war es Rolf Hempelmann, der sich angesichts des Aufstiegs in die
Zweite Bundesliga weit aus dem Fenster lehnte und den Stadionneubau für
beinahe sicher erklärte. Erste Bilder waren zu sehen, von der neuen
RWE-Heimat, die eine für die heutige Zeit unglaubliche Menge an
kostengünstigen Stehplätzen fassen sollte. Viele dachten an goldene
Zeiten für den gebeutelten Verein aus Bergeborbeck. Doch die
Aufbruchsstimmung sollte sich als trügerisch und sehr kurzlebig
erweisen. Erzgebirge Aue riss alle Träumer brutal in die Realität
zurück. Die Erklärung, dass die Sponsoren des Stadions durch dieses
eine Spiel abgewinkt hätten, wirkte schon zur damaligen Zeit
vorgeschoben.
Ein neuer Anlauf wurde erst beim Abstieg im Jahr 2007 genommen. Hempelmann war sich des Neubaus so sicher, dass er sein
Präsidentenamt (später auch sein Bundestagsmandat) mit der
Verwirklichung des Traums vom neuen Stadion verknüpfte. Eine
Erfolgsmeldung reihte sich an die nächste. Ein Unternehmen, das
demnächst wieder nach Essen zurückkehre, würde sich ebenfalls beteiligen, hieß es noch Ende des Jahres 2007. Die Hoffnung, dass zusätzliche
Kruppmillionen das Pendel endgültig auf Bauen ausschlagen lassen würde,
verpuffte schnell. Die Unternehmen wurden sich nicht einig, das Projekt
war einmal mehr zum Scheitern verurteilt.
Ein weiterer Abstieg sollte folgen. Trotzdem verschwand das Thema
Stadion nicht aus dem Gespräch. Nun wollte die Stadt Essen sich dieses
Projektes annehmen. Verschiedene Varianten einer neuen Spielstätte
wurden durchgespielt und zumindest das alte Versprechen, eine neue
Westkurve, galt als sicher. Die Stadt drücken massive Finanzprobleme
und es gliche einem Wunder, wenn sie es schaffen sollte, ihre Pläne in
die Tat umzusetzen. Aus Düsseldorf kommen massive Drohungen in Richtung
Stadtspitze, sollte diese sich erdreisten angesichts der erschreckenden
Bilanz ein solches Projekt zu stemmen. Das neue Stadion ist so gut wie
vom Tisch.
Wut und Verständnislosigkeit regieren bei den Fans, die seit kurzem
sogar mit Buttons und Sprüchen um Sympathie für ihren Verein werben. So
viele Versprechen wurden in diesen ganzen aufregenden Jahren gebrochen,
dass schließlich nur noch ein Gefühl der Resignation überbleiben wird.
Noch werden die Ausgaben für Hochkultur mit denen für den Sport
abgeglichen. Doch diese Diskussion ist weder zielführend noch wird sie
dem Desaster gerecht, das sich dort abspielt. Die Beispiele anderer
Vereine, die ebenfalls finanziell nicht auf Rosen gebettet sind und
trotzdem Stadien bauen, lassen Fragen an die Vereinsspitze offen. In
Berlin wird ebenso gebaut wie in Hamburg oder Wuppertal. Was in diesen
Städten möglich ist, sollte doch ebenfalls in Essen möglich gemacht
werden können.
Die Haupttribüne, die noch aus Zeiten des legendären Georg Melches
stammt, wird keine Ewigkeit mehr aushalten und spätestens dann wird das
Thema Stadion wieder brisant werden, noch heftiger diskutiert werden
als ohnehin schon, denn das altehrwürdige Georg-Melches Stadion, bietet
aktuell immerhin noch ausreichend Sitz- und Stehplätze. Spätestens dann
muss eine Lösung gefunden werden, wo Rot-Weiss Essen künftig zu Hause
sein soll.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass ein neues Stadion gebaut werden muss!
Hendrik Stürznickel