Bis heute. Am Montagmorgen machte ein Artikel der Spiegel-Redakteure Frank Dohmen und Barbara Schmid die Runde, der das Stadionprojekt aus allen Rohren torpedierte. Schon die Tatsache, dass der überregionale Spiegel ein verhältnismäßig kleines Projekt wie das avisierte RWE-Stadion derart befeuert, mutet seltsam an. In der Argumentation ist der Artikel hanebüchen bis defätistisch.

Hier werden die Stundensätze von Tagesmüttern gegen VIP-Logen, dort Emotionen und erdrückende Schuldenlasten gegeneinander abgewogen, kurzum es sei ein absurdes Projekt. Das freut den Stammtisch, dass es nur so poltert und kracht. Die Vorteile des neuen Stadions werden in dem fraglichen Artikel geflissentlich unterschlagen.

Herr Dohmens und Frau Schmids Argumente nehmen aber noch groteskere Züge an, als der Wert von Sponsoringmaßnahmen im Amateurbereich generell angezweifelt wird. Die Autoren scheinen hier an einer bemerkenswerten verzerrten Wahrnehmung der Realität zu leiden. Offenbar haben sie den Wert von Fußballvereinen im Allgemeinen und Rot-Weiss Essen im Besonderen weder recherchiert, noch hinterfragt.

Ein Fußballverein reduziert sich eben nicht nur auf Bundesliga-Fanfaren, überbezahlte Superstars und Premiere Live-Übertragungen. Der Begriff der Fußballkultur dürfte den Autoren gänzlich unbekannt sein. Dass Vereine im allgemeinen gar eine soziale Funktion haben, als Anlaufstelle für Menschen aller Altersstufen und Schichten dienen und diese damit besonders im strukturschwachen Essener Norden eine immens wichtige gesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen, bleibt unerwähnt.

Der „kritische“ Journalismus des Blättchens greift dagegen lieber die Exklusivinfo aus dem Hause evonik auf und setzt diese an das Ende des Artikels um so bedeutungsschwanger den Rückzug des Konzerns, aus diesem ach so verwerflichen Teufelsprojekt zu verkünden. Die Evonik gibt „gesamtwirtschaftlich schwierige Zeiten“ als Motiv an. Offenbar ist die Meldung über Rezessionen und Wirtschaftskrisen erst jetzt in die Konzernzentrale vorgedrungen!? Evonik drückt sich, einmal mehr, vor einem klaren Bekenntnis zum Standort Essen. Der Rückzieher kurz vor Toresschluss erscheint geradezu als das Werk von Lobbyisten, die das Projekt konsequent zum Scheitern verurteilen wollen. Der Spiegel-Artikel ist nicht mehr als die vorgeschobene Rechtfertigung des Konzerns.

Und schon setzt der Domino-Effekt ein, der die Steine des Stadions zum Purzeln bringt, bevor sie überhaupt aufgebaut werden. Die Phalanx der politischen Einigkeit – so ein Zufall ! - bröckelt ebenfalls. Die SPD kündigte an, am kommenden Mittwoch im Rat eine eigene Beschlussvorlage vorzulegen.
Neuer Streit ist vorprogrammiert.

Kopfschüttelnd müssen die Essener Bürger einmal mehr erkennen, wie schnell das Stadionprojekt zum Spielball von Wahlkämpfen gemacht wird. Wurde noch am vergangenen Mittwoch Einigkeit demonstriert, droht das so immens wichtige Projekt nun in letzter Sekunde an falschen Versprechungen der Wirtschaft und des geheuchelten Schulterschlusses der Politik zu scheitern. Dabei hat der Verein diesmal seine Hausaufgaben gemacht. War es in der Vergangenheit zu einem großen Teil Eigenverschulden, dass das Dauerprojekt nie realisiert wurde, erscheint es nun so, als ob der Stadionbau systematisch verhindert werden soll.

Was bleibt nun? Dass Rot-Weiss Essen in der Vergangenheit leichtfertig verspieltes Vertrauen bei den Essener Unternehmen erst zurückgewinnen muss, ist unstrittig. Auf der anderen Seite sollten gerade diese Unternehmen in der Lage sein zu erkennen, dass sich der Verein seit dem Amtsantritt von Thomas Strunz in einem Wandel befindet. Die geplanten Umstrukturierungen können nur mithilfe des neuen Stadions realisiert werden. Dazu bedarf es Unternehmen, die sich langfristig bei Rot-Weiss engagieren wollen und damit nicht nur als Goldesel verstanden werden. Vielmehr wäre ein Engagement gleichzeitig ein Bekenntnis zur Stadt Essen, zur Region, zu den Menschen, die hier leben, arbeiten und am Wochenende gerne an der Hafenstraße bei Bratwurst und Bier ein wenig Ablenkung vom Alltag suchen. So sehr wie sich die Menschen mit diesem Verein identifizieren, so sehr tun dies auch die bisher beteiligten Unternehmen, deren Engagement gar nicht genug gewürdigt werden kann.

Die Gründe, nein, die Notwendigkeiten eines Stadionneubaus sind evident. Nicht nur aus rein wirtschaftlicher Sicht. RWE unterstützt die Essener Amateurvereine, fördert aktiv zahlreiche soziale Projekte. Essen hat ein reges Interesse an einem wachsenden Verein, der, abseits aller fernen Bundesligaträume, Schauplatz einer lebendigen Stadt und Träger überregionaler Interessen sein kann. Zu lange schon haben RWE-Fans, Freunde des Vereins und Essener Bürger das Ränkespiel rund um das Stadion mitverfolgen müssen. Stets wurden sie mit halbgaren Äußerungen vertröstet. Dass das Projekt nun erneut Schauplatz billiger Wahlpolemik wird, ist enttäuschend, lässt aber die RWE-Fans nicht resignieren. „Wir kämpfen für Essen“. Die Aktion die derzeit, von Plakaten und Aktionen rund um das Spiel am Samstag begleitet wurde, bringt es auf den Punkt. Essen will dieses Stadion, Essen braucht dieses Stadion, wir kämpfen weiter und pilgern weiter zu den Heimspielen, bis die Tribünen unter uns zusammenbrechen.