RWE-Fans – die ungeliebten Melkkühe der Liga
Das, was Germanisten als Oxymoron, also einen (scheinbaren) Widerspruch in sich, bezeichnen, erleben alle reisefreudigen RWE-Anhänger in dieser Oberligasaison in der Realität. Einerseits bereichert die Konkurrenz durch zum Teil unangemessene Preiserhöhungen sehr gerne die klamme Vereinskasse mithilfe der reisefreudigen RWE-Fans, andererseits gibt man den zahlreichen Geldbringern oftmals das Gefühl, im Stadion allenfalls geduldet, aber nicht willkommen geheißen zu werden.Während man unfreundliche Behandlungen in auswärtigen Stadien bereits seit vielen Jahren gewohnt ist, ergibt sich als Fan des „FC Bayern der Oberliga“ bezüglich der teilweise drastisch erhöhten Eintrittspreise jedoch ein neues Problemfeld. Natürlich: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, einen rechtlichen Anspruch auf konstante Eintrittspreise gibt es nicht. Es ist jedoch fast schon amüsant, wie kreativ sich die gastgebenden Vereine bei ihren Überlegungen präsentieren, unter welchen Vorwänden und Voraussetzungen man den RWE-Fans möglichst plausibel, unauffällig oder aber auch einfach nur dreist mehr Geld aus den Taschen ziehen kann:
Die Pauschalpreis-Taktik:
Windeck bot für das RWE-Spiel keine Stehplatz- sondern nur teurere Sitzplatztickets an. Wer die Gegebenheiten in Bonn nicht kannte, wird davon ausgegangen sein, dass zu diesem Spiel eben nur die Hauttribüne geöffnet sein wird. So war es auch, allerdings verfügt die Haupttribüne auch über Stehplätze. Diese waren sogar geöffnet und nutzbar – aber nur mit Sitzplatzkarten.
Die Verschleierungstaktik:
Homberg nahm bei Bekanntgabe der Eintrittspreise für das RWE-Spiel die eigentlichen Eintrittspreise aus dem Netz. Zu spät, denn sensibilisiert durch die vorherigen Auswärtsfahrten hatten sich zahlreiche Fans schon im Vorfeld schlau gemacht.
Die Lügen-Taktik:
Westfalia Herne versuchte den Eindruck zu vermitteln, dass die Preiserhöhungen lediglich ein notwendiges Übel zur Deckung der zusätzlichen sicherheitsbedingten Kosten seien. Alles „auf Kante“ kalkuliert? Mitnichten! Zweifellos ist der Sicherheitsaufwand höher, wenn RWE und nicht Westfalia Rhynern am Schloss Strünkede aufläuft. Aber allein durch die größere Zuschauermenge sind diese Kosten mehr als nur gedeckt. Kein anderer Verein zeigte sich dermaßen kreativ beim Auflisten der zusätzlichen Kosten wie Herne (Sicherheit, Parkflächen, Endreinigung, Ordner, Cola für die zusätzlichen Pressevertreter bei der Konferenz…).
Kreativ waren dann auch die weiteren Konsequenzen: Keine ermäßigten Karten im Vorverkauf und 2€ Aufschlag pro Karte an der Tageskasse. Das aus Herner Sicht notwendige Wertmarken-System ohne Wechselmöglichkeit für das Catering-Angebot wurde in letzter Sekunde noch zurückgenommen. So etwas gab es in dieser Saison nur am Schloss Strünkede. Und auch nur gegen RWE. Die hohen Parkplatzkosten und die „Freundlichkeit“, die unser Trainer bei der Pressekonferenz zu spüren bekam, seien hier nur am Rande erwähnt.
Insgesamt konnte man den Eindruck gewinnen, Herne müsse ein Tokio-Hotel-Konzert vor 30.000 kreischenden Fans über die Bühne bringen. Da fragt man sich, wie man diese (vermeintlichen) Probleme ohne Preiserhöhungen in Hüls gelöst hat? Vermutlich hat Hüls draufgezahlt, aus purer Nächstenliebe…
Die „Man-kann´s-ja-mal-versuchen“-Taktik:
Ein kleiner Preisaufschlag für das Auswärtsspiel bei Westfalia Rhynern wäre wegen des unumgänglichen Umzugs nach Ahlen durchaus plausibel gewesen, jedoch stand die zunächst erhobene drastische Erhöhung in keinem Verhältnis mehr zum Aufwand. Erstaunlich, dass schon wenige E-mails mit Boykottandrohungen ausreichten, um kalte Füße bei den Verantwortlichen im östlichen Ruhrgebiet zu bewirken. Flugs wurde der Eintrittspreis nach unten korrigiert – ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Die Schweigetaktik:
Der ETB korrigierte zum Derby die Eintrittspreise für die Haupttribüne von 12 € auf satte 18 € nach oben – das ist rekordverdächtig für ein Fünftligaspiel! Die Stehplatzpreise wurden um 2 € erhöht. Dabei versuchte der ETB gar nicht erst, die Aufschläge zu begründen, sondern gab sie kommentarlos bekannt. Immerhin: Wegen des niedrigen Grundeintrittspreises blieb der Stehplatz für 8€ im akzeptablen Bereich, sogar auf RWE-Stehplatzniveau. Allerdings steht man im Georg-Melches-Stadion überdacht und fährt nach wie vor im gesamten VRR kostenfrei zum Spiel und nach Hause.
Dass es auch anders geht, haben die Offiziellen des VfB Hüls bewiesen. Zum Einen blieben die Eintrittspreise trotz des größeren Sicherheitsaufwands stabil, zum Anderen vermittelte man auch schon im Vorfeld das Gefühl, sich auf dieses Spiel zu freuen. In einem offenen Brief hob VfB-Boss Horst Darmstädter die Gemeinsamkeiten beider Vereine hervor und betonte die Vorfreude auf das „Spiel des Jahres“ und die zahlreichen RWE-Fans im endlich mal wieder gut gefüllten Stadion am Badeweiher. Horst Darmstädter auf Kuschelkurs. Dabei kann er auch anders, wie die Verantwortlichen des Westdeutschen Fußballverbandes zu berichten wissen. Mit soviel überraschender Freundlichkeit begrüßt, ließ RWE im Gegenzug die drei Punkte in Hüls, und die nur teilweise vorhandenen Zäune blieben trotzdem unbestiegen. Alle Essener zogen friedlich in Richtung der (kostenlosen) Parkplätze ab - warum auch nicht?
Auf diese eigentlich rhetorische Frage finden Vereine wie Westfalia Herne oder der FC Wegberg-Beeck jedoch eine unbekannte Antwort. Anders ist es nicht zu erklären, weshalb die Sicherheitsbeauftragten aus Wegberg in der örtlichen Presse nicht müde wurden zu betonen, wie froh man sein werde, wenn man dieses schlimme Spiel gegen Essen endlich über die Bühne gebracht habe. Kein Wort war jedoch über die Freude oder Wichtigkeit der zu erwartenden Einnahmen zu lesen.
Man darf gespannt sein, was die Auswärtsfahrten der Rückrunde bringen. Das Rhynern-Beispiel zeigt, dass man das Angebot-Nachfrage-Spiel auch erfolgreich umdrehen kann. Sehr viele RWE-Anhänger lassen sich nicht mehr alles bieten: Der Boykott-Aufruf der Ultras, dem sich bereits mehrere Fanclubs angeschlossen haben, wird in Homberg vielleicht auch noch zum Nachdenken anregen.
Auf der anderen Seite sollte den gastgebenden Vereinen auch bewusst sein, dass der Ton die Musik spielt. Freundlichkeit und Ehrlichkeit gegenüber den „Melkkühen“ der Liga sind zwei Faktoren, die dafür sorgen könnten, dass mehr RWE-Fans bereit wären, an den auswärtigen Kassenhäuschen etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Und falls nicht nur die Vertreter aus Herne oder Wegberg Probleme mit der Bedeutung dieser Faktoren haben sollten – Horst Darmstädter ist sicher bereit, im Rahmen einer kollegialen Fallberatung wertvolle Tipps zur erfolgreichen Umsetzung zu geben!