Quo vadis RWE?
Es ist wieder passiert, wieder muss unser geliebter
RWE nach nur einem Jahr im Profifußball den
bitteren Weg in die Regionalliga antreten, wieder
stehen Verantwortliche und Fans vor einem Scherbenhaufen,
wieder wird der aktuelle Kader wohl größtenteils
zerfallen. Und all das passiert ausgerechnet oder
besser ungeachtet unseres 100jährigen Vereinsjubiläums,
wo vollkommen losgelöst von den tristen letzten
Jahren und der aktuellen sportlichen Misere noch einmal
groß aufgefahren wurde und man sich medienwirksam
als schlafender Riese unter den Traditionsvereinen
präsentierte.
Doch sind wir das? Sind ausgerechnet wir aus der Metropole
mitten im Pott, umgeben von Bochum, Schalke, Dortmund
und Duisburg, wirklich nur ein schlafender Riese unter
den vielen Traditionsvereinen, die sich in den unteren
Ligen und der Fußballprovinz unserer Republik
tummeln?
Ich denke die Antwort ist ja! Ja, wir sind ein Verein
mit großer Tradition, RWE hat viele auch über
die Grenzen des Ruhrgebiets heraus und teilweise sogar
international bekannte Fußballer hervorgebracht.
Doch das allein, nein, das allein reicht einfach nicht,
um endlich wieder zu alter Größe zurückzufinden.
Nach turbulenten Jahren, geführt wie ein schlechter
Kegelclub mit Bilanzlotterie und Zwangsabstieg, scheint
sich der Verein zumindest was das oberste Management
angeht, in den letzten Jahren gefangen zu haben. Rolf
Hempelmann und Nico Schäfer leisten, soweit man
das überblicken kann, einen hervorragenden Job.
Aber warum geht es dann nicht aufwärts? Janßen
schuld? Köstner schuld? Die Mannschaft nur Söldner?
Der DFB mag uns nicht und schenkt dem MSV daher einen
Elfer? Vielleicht ist es doch das Management um Hempelmann
und Schäfer?
Alles Quatsch!
Wenn die Leute, die jetzt alle, wie bei jedem Misserfolg,
auch außerhalb des Sports, wie die Mäuse
aus den Löchern kommen und wie wild Köpfe
fordern und jeden in Frage stellen, vor der Verpflichtung
von Olaf Janßen gewusst hätten, dass seine
Einkäufe nicht alle ein glückliches Händchen
beweisen würden, wären sie wohl Hellseher!
Wir alle waren doch froh, mit Janßen endlich
auch sportlich professionell aufgestellt zu sein.
Nach dem Rauswurf von Uwe Neuhaus wünschten sich
die Fans und das gesamte Umfeld eben keine neue Lösung
à la RWE mit Bonan, Schreier und Co. RWE reagierte
und verpflichtete mit Lorenz Günter Köstner
zwar keinen Startrainer, jedoch immerhin den einzigen
Trainer, der es in den letzten Jahren geschafft hatte,
eine Truppe mit der Punkteausbeute nach einer Hinrunde
noch zu retten. Zur Erinnerung: Der KSC, ebenfalls
mit einer jungen unerfahrenen Truppe, steht nächste
Saison in Liga 1. Wer hätte vorher wissen können,
dass scheinbar Janßen und Köstner kein
vernünftiges Wort miteinander reden können.
Wer hat vorher gewusst, dass LGK RWE womöglich
eher dazu nutzt, sich sportlich, nach Pleiten mit
Dresden und Hoffenheim, nochmal ins Gespräch
zu bringen und die Arbeit des Vereins wie ein „Waschweib“
in wirklich jedes Mikro und jede Kamera zu kritisieren,
ohne dabei jedoch jemals konkret zu werden? Immerhin
hat Köstner, nachdem er den halben Kader rauswarf,
aus dem übrigen überwiegend jungen und unerfahrenen
Haufen noch eine Truppe zusammenbekommen, die den
1.FC Köln 5-0 abfertigte, die nach über
zehn Jahren ohne Auswärtssieg im Profifußball
bei Spitzenreiter Karlsruhe und auch noch in Fürth
gewann.
Die Mannschaft schuld? Mal ehrlich: als Olaf Janßen
vor der Saison vollmundig verkündete, RWE hätte
in dieser Saison mit dem Abstieg nichts zu tun, wer
wollte ihm da widersprechen? Thomas Kläsener,
Arie van Lent, Holger Wehlage, Michel Bemben und Mac
Younga-Mouhani, alles gestandene Profis. Dazu hatten
wir mit Karim Zaza einen Torwart mit Champions-League-Erfahrung,
mit Pascal Bieler, Baris Özbek und Serkan Calik
so viele U21-Nationalspieler wie kein anderer Zweitligist
und mit Paulo Sergio immerhin einen Spieler, der zumindest
vom Namen her unvergleichbar in Liga 2 war.
Gestern las ich im RWE-Forum Vorwürfe, der Schiedsrichter
hätte mit seinem wohl eher fragwürdigen
Elfmeterpfiff Essens Abstieg besiegelt. Mal ehrlich:
Hat uns der MSV gestern in Liga 3 geschossen oder
die sportlich ebenfalls abgestiegenen oder beinahe
abgestiegenen Burghauser und Offenbacher mit Sonntagsschüssen
kurz vor Schluss? Ist nicht das unsägliche Auftreten
bei Heimspielen viel eher Schuld am sportlichen Scheitern!?
Es ist so leicht, nachher mit dem Finger auf alle
zu zeigen und zu sagen: „Hätte der Janßen
mal anders eingekauft, hätte man einen anderen
Trainer geholt, hätte der Spieler nur durchgespielt“,
doch keiner von uns hat doch bei den Rahmenbedingungen
gedacht, dass wir in der schwächsten Saison seit
Gründung der 2. Bundesliga sportlich nicht würden
bestehen können.
Doch nun lautet die Frage, wie schon so oft in den
letzten Jahren: Wie geht es weiter, RWE?
Zuerst sollten wir die Fehler analysieren, die gemacht
wurden:
- Trotz offensichtlicher Mängel im Offensivbereich
wurden weiterhin fleißig Abwehrspieler und Torhüter
verpflichtet. Für einen Aufsteiger in eine Liga
ist dies sicherlich nicht unbedingt falsch, dennoch
muss man auch offensiv eine gewisse Qualität
haben, um in einer höheren Liga zu bestehen.
O. Janßen sollte aus diesem Fehler gelernt haben,
die Mannschaft in Zukunft variabler zusammenzustellen
und Positionen nach (finanzieller) Möglichkeit
doppelt abzusichern.
- Auch wenn ich LGK persönlich für keinen
schlechten Trainer halte, vor allem im Umgang mit
einer jungen Truppe, dürfte, wie man so schön
sagt, das „Tischtuch zerschnitten sein“
zwischen dem Verein samt sportlicher Leitung und ihm.
Daher ist eine Trennung unumgänglich. Man sollte
nun aber darauf achten, nicht in den üblichen
RWE-Klüngel zu verfallen und einen neuen Uwe
Neuhaus als Hauslösung zu verpflichten, ob er
nun Schreier, Bonan oder wie auch immer heißt.
Man sollte versuchen, einen möglichst unbefleckten
erfahrenen Trainer von außerhalb zu bekommen.
Lösungen à la Finke, Heiko Weber (Jena)
oder ähnlichen „hausgemachten Lösungen“
funktionieren nur in Vereinen mit einem relativ ruhigen
Umfeld, nicht jedoch in einem Verein mit so einem
gewaltigen Fanlager und „Vereinsumfeld“.
- Es muss endlich eingestanden werden, dass Abstiege
nicht immer nur kurzzeitige und schnell zu beseitigende
Betriebsunfälle sind, sondern man dauerhaft aktuell
im Profifußball nicht bestehen kann. Jetzt muss
die ganze Konzentration auf die Qualifikation zur
eingleisigen Dritten Liga gelegt werden. Hier muss
sich dann in den nächsten zwei Jahren behauptet
werden und erst dann darf sich, auf solider sportlicher
Basis, wieder um einen Aufstieg bemüht werden.
Ansonsten ist die sportliche Berg- und Talfahrt langfristig
nicht zu überleben.
- Es darf im Verein nun keinesfalls alles auf den
Kopf gestellt werden. Rolf Hempelmann und Nico Schäfer
müssen zum Weitermachen bewegt werden. Der Verein
muss seinen Mitarbeiterstab so wie sein Umfeld nun
gezielt verstärken und Fehlbesetzungen wie Jaritz
und Co. müssen durch Leute ersetzt werden, die
das, was sie da tun, wirklich auch mal gelernt haben.
Die Zusammenarbeit mit den Fans muss intensiviert
werden anstatt sie durch schwachsinnige Einzelaktionen
à la „Ultrastark“ weiter zu zerstören.
- Es muss schleunigst die entsprechende Ausstattung
des Mediencenters verbessert werden, vielleicht sollte
man hier über eine Erweiterung der Zeltlösung
in der Westkurve nachdenken, um dort mehr Platz für
Journalisten zu haben.
- Die Arbeit des Fanprojektes sollte ebenfalls mal
hinterfragt werden, da sowohl der Fanbeauftragte als
auch das Fanprojekt an sich aktuell teilweise wohl
recht wenig mit der Arbeit am Fan und dessen Betreuung
besonders bei Auswärtsspielen beschäftigt
sind. Hier sind die meisten anderen „schlafenden
Riesen“ der Traditionsvereine sicherlich schon
deutlich weiter.
- Es muss weiterhin eine Lösung in der Stadionfrage
angestrebt werden. Wenn ein Stadion an der Hafenstraße
auf lange Sicht finanziell einfach nicht zu stemmen
ist, muss dies endlich auch offen gesagt werden, anstatt
bei jeder Krise oder nächsten politischen Wahl
wieder mit utopischen Plänen beim „Pöbel“
punkten zu wollen. Wenn RWE es alleine nicht schafft,
muss man, so schmerzlich es auch sein mag, die Lösung
„Zusammenarbeit Moskitos“ oder, für
viele Fans sicherlich ein Graus, eine Zusammenarbeit
mit dem Nachbarn aus Oberhausen durchdacht werden.
Denn sind wir doch mal ehrlich: Lieber langfristig
Profifußball in einer gemeinsamen „Ruhrarena“
als irgendwann dauerhaft in der Bedeutungslosigkeit
von Liga 4 oder tiefer zu versinken.
- Und auch wir Fans, auch wir müssen etwas tun:
Wir müssen endlich verstehen und akzeptieren,
dass unser RWE eben nicht ein kleiner schlafender
Superclub ist, sondern ein ziemlich maroder und in
die Jahre gekommener Traditionsverein, der zwar wahrscheinlich
nicht zuletzt noch deswegen lebt, weil er eine unerschrockene
Horde treuerster Fans hinter sich weiß. Doch
es reicht aktuell einfach nicht für die 2. Liga
oder mehr! Wir können uns nicht mit Köln,
Duisburg, Bochum, GE, Dortmund oder sonst wem messen.
Unsere Messlatte ist nun mal der WSV oder die Berliner
Union. Wir müssen geduldig werden und dürfen
eben nicht wie Lemminge den Dünnbrettbohrern
blindlings folgen, die jetzt wieder überall aus
ihren Löchern hervor kriechen und uns das Blaue
vom Himmel versprechen. Wir müssen endlich auch
akzeptieren, dass wir erst mal ein paar Jahre sportlich
und im Umfeld solide Aufbauarbeit leisten müssen,
bevor wieder große Ziele in Angriff genommen
werden können. Es tut weh, sich so was einzugestehen,
aber es ist sicherlich auf Dauer erfolgreicher für
uns und unsere Liebe.
Martin
Noll