Mannschaft trifft auf Fans - Thema wird ausschließlich
die Stimmung an der Hafenstraße sein
Klarer hätte die Einladung kaum formuliert
sein können. Mannschaft und Trainerstab stellten
sich im VIP-Zelt den Fans zur Verfügung, um über
die aktuell vorherrschenden Stimmungsprobleme zu sprechen.
Circa 300 RWE-Anhängern nahmen das Angebot an.
Zu Beginn der Veranstaltung gab es kurze Ansprachen
von Geschäftsführer Nico Schäfer und
Mannschaftskapitän Stefan Lorenz. Im Anschluss
daran folgte eine Fragerunde, nach deren Ende die
Spieler sich unter die Fans mischten und ihnen Rede
und Antwort standen.
Der Abend, eigentlich eine gute Idee des Teams um
Trainer Heiko Bonan, wurde jedoch bedauerlicherweise
kaum dazu genutzt mit der Mannschaft über das
angedachte Thema zu diskutieren. Gleich zu Beginn
uferte die Diskussion völlig aus, als die gesamte
Mannschaft pauschal für schlechte Leistungen,
fehlenden Kampfeswillen und Lustlosigkeit an den Pranger
gestellt wurde. Der mehrmalige Hinweis, worum es an
diesem Abend gehen sollte, nämlich die Stimmung
an der Hafenstraße, verpuffte wirkungslos.
Beispiele von einigen Fans für genannte Gründe,
warum die Stimmung auf den Rängen im Georg-Melches-Stadion
so schlecht sei:
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die Mannschaft zeigt keinen Kampf oder Einsatzwillen
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der Spieler Tim Erfen kann angeblich "nicht mal drei Meter geradeaus laufen"
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Heiko Bonan kündigt bereits Montags in der Zeitung an, dass der Gegner stark ist
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Mannschaften wie HSV II erdreisten es sich, sich vom großen RWE nicht willenlos 5:0 abschlachten zu lassen
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bei Eckbällen steht kein Spieler am langen Pfosten
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Evonik zieht sich als Hauptsponsor zurück
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seit dem Weggang von Erwin Koen gibt es in Essen keine Spieler mehr, die einfach mal "sinnlos einen Gegenspieler an der Mittellinie umtreten"
Über die Qualität dieser Aussagen
kann sich jeder selbst eine Meinung bilden.
Großer Respekt gebührt der Mannschaft und
sicherlich besonders Tim Erfen, sich nach solchen
Angriffen noch um eine Rechtfertigung zu bemühen.
Ob einzelne Spieler sich nach so manchem verbalen
Totalausfall einiger Fans motivierter sehen, sich
für RWE "den Arsch aufzureißen"
als noch vor dem Treffen, sei mal dahingestellt.
Immer wieder wich man vom eigentlichen Thema ab. Auch
der Versuch des Fanvertreters Andre Severin, für
etwas Ordnung zu sorgen, brachte kaum Besserung. Vielmehr
schien einigen Anwesenden der Abend gut gelegen zu
kommen, der Mannschaft ihren persönlichen Frust
etwas näher zu bringen.
Die gut gemeinte Geste des Vereins, bei dieser Veranstaltung
das Bier für 1 Euro anzubieten, verfehlte ihren
Sinn völlig. Einige Redebeiträge, allen
voran ein 3 Minuten Monolog eines jungen Mannes, der
sowohl im Satzbau als auch im Zusammenhang bereits
sprachliche Ausfälle aufzeigte, straften die
Organisatoren dafür ab. Auch die Aggressivität
einer Dame ist wohl mit übermäßigem
Zuspruch zum 1-Euro-Angebot erklärbar.
Dagegen gingen nur wenige Anwesende an, unter anderem
die Ultras, die Rotmützen und eine junge Dame,
die recht emotional schilderte, dass sie noch immer
an der Hafenstraße "ein Kribbeln im Bauch"
verspüre und das Team und den Verein auch weiterhin
treu unterstütze, auch ohne dafür vorher
"erstmal was geboten zu bekommen", wie es
einige Zuschauer immer wieder forderten.
Erst nach circa einer Stunde begann nach einer deutlichen
Intervention von Stefan Lorenz und der Führungsspitze
der Ultras dann die eigentliche Diskussion zum Thema
Stimmung. Hierbei gab es einen verbalen Schlagabtausch
zwischen den Vertretern der Nordtribüne und den
Ultras, die die Osttribüne vertraten. Leider
wurde diese (endlich sinnvolle) Diskussion jedoch
recht schnell durch den Medienbeauftragen beendet.
Der Zeitplan ließ eine ausführliche Aussprache
anscheinend nicht zu.
Anschließend hatten alle Fans die Möglichkeit,
sich an Tischen mit einzelnen Spielern auszutauschen.
Hier gab es sicherlich einige interessante Gespräche.
Das eigentliche Thema, die Stimmung in großer
Runde zu besprechen, war jedoch nicht mehr möglich.
Vielleicht konnten jedoch die sehr engagierten Spieler
den ein oder anderen Fanclubvertreter im Einzelgespräch
noch überzeugen, wieder für Stimmung zu
sorgen. Hier sind übrigens nicht nur langjährige
RWE-Spieler wie die Lorenz-Brüder oder gebürtige
Essener wie Mario Klinger zu nennen, sondern auch
Vollprofis wie Markus Kurth und Sercan Güvenisik,
die es sicherlich nicht unbedingt nötig hätten,
sich den Fans in dieser Weise zu stellen, dies aber
trotzdem noch bis weit in den Abend hinein getan haben.
Ein Fazit zu ziehen ist schwer nach diesem Abend.
Leider waren wohl nicht nur die eingeladenen Fanclubs
zugegen, sondern auch viele Leute, die sich für
Stimmung eher weniger interessierten. Diese waren
viel mehr auf Stunk, Handyfotos mit Spielern oder
günstiges Bier aus. Viele Anwesende scheinen
sich sehr sicher zu sein, dass man als Fussballfan
erst dann anfängt, sein Team anzufeuern (oder
auch einfach nur mal aufhört, bei jedem Fehlpass
laut zu pfeifen), wenn das Team ein Spiel bereits
gewonnen hat. Viele halten es scheinbar generell für
vollkommenen Schwachsinn, dass Fans auf der Tribüne
schuld sein sollen, wenn die Fans auf der Tribüne
nicht singen.
Protest bei schlechten Leistungen ist sicherlich angebracht.
Ohne uns als Fans wird aber der Mythos Hafenstraße
nie mehr auferstehen, unabhängig, welche Mannschaft
in welcher Liga auf dem Platz steht.