Etwa alle 45 Minuten erhält in unserem Land jemand die Diagnose Leukämie. Fast 12.000 Menschen sind es jährlich. Doch was genau ist Leukämie und was kann dagegen getan werden?

Aus aktuellem Anlass, ausgelöst durch eine Knochenmarkspende eines RWE-Fans für einen 13jährigen Leukämie-Patienten, möchten wir dieses Thema aufgreifen und abseits von RWE und Fußball auf einzelne Schicksale hinweisen. Schicksale, von denen wir zwar alle wissen, dass es sie gibt, uns aber oftmals nicht die Zeit nehmen, über sie nachzudenken. Es sei denn, sie betreffen uns persönlich. Wie eben jenen RWE-Fan.



Teil I - Leukämie

Im Gegensatz zu Organkrebsarten wie Darm- oder Magenkrebs ist Leukämie - auch als Blutkrebs bekannt - für viele nicht direkt greifbar und damit auch eher unbekannt. Daher möchten wir zunächst vermitteln, was Leukämie ist, wo es entsteht, welche Defekte Leukämie auslöst und was man dagegen machen kann. Im Anschluss daran werden wir über die Erlebnisse des RWE-Fans Stefan berichten (Anm.: Name auf eigenen Wunsch von der Redaktion geändert) und uns parallel dazu mit der letzten Heilungsmöglichkeit von Leukämie, der Knochenmark- oder Stammzellenspende, auseinandersetzen.

Das Blut, welches in uns allen fließt, erfüllt vielfältige Aufgaben: Über den Blutkreislauf dient es der Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen, dem Abtransport von Kohlendioxid und Stoffwechselprodukten, der Wärmeregulation und der Verteilung von Enzymen und Hormonen. Der Sauerstoff wird in der Lunge, die restlichen Nährstoffe im Darm aufgenommen und beispielsweise zum Gehirn, den Organen oder Muskeln transportiert. Verarbeitete Stoffe werden von dort zur Speicherung und verbrauchte Stoffe wiederum zu den Ausscheidungsorganen zurücktransportiert.
Etwa ein Zwölftel des Körpergewichtes beträgt die Blutmenge eines erwachsenen Menschen. Bei 60 kg Gewicht entspricht dies zirka fünf bis sechs Liter Blut.

Blut besteht aus verschiedenen Bestandteilen. Zur Hälfte etwa besteht es aus Blutplasma, welches sich hauptsächlich aus Wasser und Eiweiß zusammensetzt. Die andere Hälfte sind Zellen, von denen es drei Arten gibt. Da wären zum einen die Roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Im Knochenmark gebildet haben sie die Aufgabe, den Sauerstoff aus der Lunge ins Gewebe zu transportieren. Nach etwa 120 Lebenstagen werden sie in der Milz wieder abgebaut. Die zweite Gruppe sind die Blutplättchen (Thrombozyten). Sie leben nur etwa acht bis zwölf Tage. Ihre Hauptfunktion ist die Sicherstellung der Blutgerinnung und der Abdichtung von Blutgefäßwänden bei Verletzungen. Als Letztes wären da noch die Weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Beim gesunden Menschen sind diese nur spärlich im Blut vorhanden und ihre Hauptaufgabe ist die Abwehr von Krankheitserregern. Zudem sind sie für die Beseitigung von Abfallstoffen, die durch Zerfall von Körperzellen entstehen, zuständig.

Weiße Blutkörperchen sind ebenfalls in drei Gruppen aufzuteilen: Granulozyten (60-70 %), Lymphozyten (20-30 %) und Monozyten (2-6 %).
Granulozyten haben eine sehr große Bedeutung für die Infektionsabwehr. Allerdings benötigen sie dazu die Hilfe der Lymphozyten. Diese produzieren so genannte Antikörper, die sich an Keime anhängen. So zeigen sie den Granulozyten die „Feinde“ an. Diese nehmen die „markierten“ Keime auf und töten sie mit Hilfe von Enzymen, die in ihren Zellkernen vorhanden sind, ab. Die Gruppe der Monozyten letztlich ist für die Aufnahme von Gewebetrümmern, Fremdkörper oder kleinsten Organismen zuständig.

Was passiert nun aber bei Leukämie? Unser Körper ist darauf trainiert, absterbende Zellen durch neue zu ersetzen. Dabei werden bei gesunden Menschen nur genau so viele neue Zellen produziert, wie gerade abgestorben sind. Eine Überproduktion wird verhindert.

Bei Leukämiepatienten ist diese Zellproduktion gestört: Die Zellen teilen sich ungehemmt und unkontrolliert und werden dadurch aber nicht funktionsfähig produziert. Sie können folglich ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen. Leukämie ist keine Erkrankung des Blutes, sondern der Organe des Körpers, die Blut bilden. Zu ihnen gehören das Knochenmark und das Lymphsystem. Dort wachsen die Zellen heran, bis sie reif genug sind, in die Blutbahn überzugehen.

Der Begriff Leukämie kommt übrigens aus dem Griechischen und bezeichnet das weißliche bzw. blasse Blut mit sehr hohen Zahlen an bösartigen weißen Blutkörperchen.

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Blutbild bei gesundem Menschen und bei Leukämie-Patienten
Fotos: www.deutsches-museum.de, © Deutsches Museum


Wie genau Leukämie entsteht ist noch nicht komplett erforscht. Eben das macht die Krankheit so tückisch: Sie kann durch bestimmte Faktoren bei jedem Menschen und jederzeit ausgelöst werden. Als sicher gilt bisher, dass radioaktive und auch Röntgenstrahlen Leukämie auslösen können. Aus diesem Grund werden Röntgenuntersuchungen nie kurz nacheinander durchgeführt.

Zirka zehn Prozent aller Fälle wird vermutlich durch Zigarettenrauchen ausgelöst, weitere Auslöser sind chemische Stoffe wie Insektizide oder Pflanzenschutzmittel.
Eine erbliche Veranlagung konnte dagegen bisher nicht nachgewiesen werden. Alleine das Risiko, Leukämie überhaupt zu bekommen ist größer, wenn in der Familie bereits häufiger bösartige Erkrankungen aufgetreten sind.

Grundsätzlich unterscheidet man auf der einen Seite zwischen akuter und chronischer Leukämie sowie andererseits zwischen lymphatischer und myeloischen Leukämie.
Chronische Leukämien werden oft über längere Zeiträume nicht entdeckt. Meist treten die Zellen dann in ausgereifterer Form auf als bei den akuten Arten. Vier Arten von Leukämie gibt es also: Die akute lymphatische Leukämie (ALL), die chronische lymphatische Leukämie (CLL), die akute myeloische Leukämie (AML) und die chronische myeloische Leukämie (CML).

Erstgenannte ALL ist die typische im Kindesalter, hierbei sind die Lymphozyten bösartig. Diese können keine Antikörper mehr bilden, so dass Keime nicht mehr als „Feinde“ erkannt und von den Granulozyten aufgenommen werden können. An CLL erkranken meistens Menschen ab dem 50. Lebensjahr. Auch hier sind die Lymphozyten betroffen. Teilweise bilden diese bis zu 95 % (üblich sind 20-30 %) der ohnehin stark erhöhten Konzentration an weißen Blutkörperchen. Die AML ist die häufigste Leukämieform bei Erwachsenen. Häufig sind hierbei die Monozyten stark vermehrt, die aber ihre Funktion, Fremdkörper und kleinste Organismen abzubauen, ebenfalls nicht wahrnehmen können. Bei der CML schließlich sind erheblich mehr weiße Blutkörperchen im Blut vorhanden, die zwar zum Teil noch ihre Funktion wahrnehmen können aber die anderen Zell-Gruppen (Blutplättchen und Rote Blutkörperchen) durch ihre Masse verdrängen.

Besteht der Verdacht auf Leukämie müssen sofort umfangreiche Untersuchungen erfolgen. Zuerst gibt natürlich das Blutbild eine erste Erkenntnis. Der betroffene Blutbestandteil, der in viel zu hoher Menge im Blut vorhanden ist, gibt eine erste Auskunft über die Art der Leukämie. Weiter werden Chromosomenuntersuchungen durchgeführt, das Knochenmark analysiert und auch der Nervenwasserkanal untersucht, da bei akuter Leukämie auch die weichen Hirnhäute befallen sein könnten. Eine Ultraschalluntersuchung verschafft einen Überblick über den Zustand der Organe, die bei Leukämien ebenfalls befallen werden können. Zudem werden Computertomographien, Röntgenaufnahmen und Kernspintomographien durchgeführt. Alle Untersuchungen sind abhängig von der Leukämie-Art.


(tj)