Die Zukunft kann kommen
Nach nur dreieinhalb Stunden war die ordentliche Mitgliederversammlung 2009 beendet, die für eine der wichtigsten Entscheidungen in der Geschichte des Vereins RWE steht. Die Stimmung war trotz positiver Signale dennoch verhalten. Die Skepsis war, nachdem in den letzten Jahren so viel versprochen und so wenig gehalten wurde, beinahe spürbar und doch war alles irgendwie anders als sonst.
In der Vergangenheit war die Jahreshauptversammlung eine One-Man-Show von Rolf Hempelmann. Schon der Aufbau der Bühne zeigte, dass die Strippenzieher bei Rot-Weiss in Teamstärke auftraten. Ein Tisch war mittig platziert, an dem Vorstand, Geschäftsführer Sport und die Aufsichtsratssprecher Claus-Werner Genge und Dietmar Bückemeyer saßen. Bückemeyer moderierte die Veranstaltung souverän und sachlich. Überhaupt fielen ungewöhnlich klare Worte, was den momentanen Zustand des Vereins betrifft. Im Anschluss an die Ehrungen folgten die Jahresberichte des Präsidiums, in dem Stefan Meutsch die Bilanz des Vereins vorstellte. Die Zahlen sind abenteuerlich. Der Verein erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2008 ein Minus von 676.000 Euro. Der Schuldenstand stieg damit auf 11,646 Millionen Euro. Meutsch erklärte, dass ein normales Wirtschaftsunternehmen, das solche Zahlen vorweisen würde, nach 14 Tagen Insolvenz anmelden müsse. Diese wird allein durch die Rangrücktritte der Gläubiger verhindert.
Die Lizenzauflagen sehen unter anderem vor, dass das Eigenkapital sich nicht verschlechtern darf, was jedoch passiert ist. Stefan Meutsch versicherte, dass diese Verschlechterung mit dem DFB abgesprochen wurde und deshalb nicht sanktioniert wird. Er übergab dann an Nico Schäfer, der die Bedingungen und Auflagen für die Lizenz in der kommenden Saison bekannt gab. Einzige Bedingung ist eine Rücklage von 2,709 Millionen Euro. Diese Bedingung, so versicherten die Verantwortlichen, wird fristgerecht bis zum 15. Juni erfüllt. Die Auflagen bewegen sich im bekannten Rahmen. Diese sehen unter anderem einen hauptamtlichen kaufmännischen Geschäftsführer vor, einen Test der Beschallungsanlage des Georg-Melches-Stadions, eine Zwischenbilanz in der Sommerpause und weitere Punkte vor. Auch dies stellt den Verein vor keine unlösbaren Aufgaben. Schließlich stellte er den Etat dieser und der kommenden Saison vor. Grundsätzlich konnten die Planungen in fast jedem Bereich übertroffen werden. Allerdings übertrafen auch die erwarteten Kosten die Planungen des vergangenen Jahres. Für die kommende Saison wird mit einem höheren Etat als in dieser Spielzeit gerechnet. Er beträgt stolze 6,626 Millionen Euro.
Danach trat Thomas Strunz für den sportlichen Jahresbericht auf. Zunächst stellte er aber die Präsentation vor, die bereits beim Infotreffen im VIP-Zelt gezeigt wurde. Danach kam er zum Sportlichen. Der Saisonverlauf in der Liga sei inakzeptabel für Rot-Weiss Essen. Nur die Ergebnisse im Verbandspokal seien befriedigend. Um in der kommenden Saison den Aufstieg zu packen, denn das ist das ausgesprochene Ziel, hat der Geschäftsführer Sport einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt. Es müssen Führungsspieler kommen, die eine gesunde Hierarchie in die Mannschaft bringen. Verpflichtungen für die Defensive sollen die offensichtlichen Schwächen beheben. Der Kader, dem momentan 32 Spieler angehören soll verkleinert werden. Die Offensive soll ebenfalls verstärkt werden, damit die Mannschaft nicht allein von den Toren von Sascha Mölders abhängig ist. Außerdem soll Kontinuität in die Mannschaft kommen, deswegen wird auch ein Großteil der aktuellen Mannschaft in der kommenden Saison weiterhin an der Hafenstraße spielen.
Strunz stellte den Mitgliedern detailliert vor, auf welchen Positionen er die Mannschaft verstärken wird. Er sucht mindestens einen rechten Innverteidiger, der den Platz neben Sebastian Zinke besetzen soll. Außerdem sucht er einen Führungsspieler im zentralen defensiven Mittelfeld. Die komplette rechte Seite soll ausgetauscht werden, dazu werden eine rechter defensiver und ein rechter Offensivspieler gesucht. Zwei zusätzliche Stürmer sollen Sascha Mölders im Angriff entlasten. Ein weiterer Allroundspieler komplettiert die Wunschliste von Thomas Strunz. Da die Regeln der Regionalliga vorsehen, dass mindestens vier deutsche U23 Spieler auf dem Spielberichtsbogen stehen, werden einige Neuzugänge entsprechend jung sein. Zum Abschluss seiner Rede appellierte er an das Gemeinschaftsgefühl der Fans. Die Boykottaktion beim vergangenen Heimspiel hätte ohnehin niemandem geholfen. Die Szenen, die sich im Anschluss an das Spiel unter den Anhängern abspielte verurteilte er. Nur gemeinsam seien die kommenden Aufgaben zu lösen. Grabenkämpfe auf den Tribünen kann dabei niemand gebrauchen.
Er verlor zusätzlich noch ein paar Worte zu Ernst Middendorp. Diese Verpflichtung wurde von ihm und den entscheidenden Gremien getragen. Nach nur wenigen Tagen stellte sich aber heraus, dass der Trainer eine ungewöhnliche Arbeitsauffassung hatte. Er habe einige Spieler zerstört, weswegen nach nur 29 Tagen die Reißleine gezogen wurde. Da Strunz weiterhin von der Qualität der Truppe überzeugt ist, übernahm er die Verantwortung und wird als Teamchef bis Saisonende an der Seitenlinie stehen. Mit den Verhandlungen mit möglichen Nachfolgern beschäftigt sich Strunz bislang nicht, da er erst einmal die Saison anständig zu Ende spielen will.
Claus-Werner Genge schloss die Jahresberichte mit den erfreulichen Ergebnissen der Nachwuchsmannschaften ab. Die Jugendmannschaften sind auf dem besten Weg ihre Plätze in den höchsten Spielklassen zu halten. Die U23 wird trotz schwieriger Rahmenbedingungen als Aufsteiger die Liga halten und auch in der kommenden Saison dort antreten. Insgesamt bestätigte er die Einschätzung von Präsidium und Geschäftsführung, forderte aber vehement deutliche Verbesserungen im sportlichen Bereich.
Nach der Entlastung von Präsidium und Aufsichtsrat erklärte Prof. Buchberger den Mitgliedern die Neuregelung der Rechtsverhältnisse zwischen der MK Medien und Rot-Weiss Essen. Außerdem stellte er detailliert die neuen Vereinsstrukturen und die notwendige Satzungsänderung vor. Das Präsidium wird durch einen Vorstand, wie er in Vereinen üblich ist, ersetzt, da die Aufgaben durch einen Vorstand effektiver gelöst werden können als durch einen Präsidenten.
Danach kam es zur Erklärung wie der Verein im Moment aufgebaut ist. Die Mitgliederversammlung im Jahr 1999 hatte bereits eine Auslagerung einer Spielbetriebsgesellschaft beschlossen, an der RWE zu 51% und die MK Medien zu 49% beteiligt sind. Diese Gesellschaft ist bis heute aber aus verbandsrechtlichen und finanziellen Gründen inaktiv geblieben. Der Gesellschafteranteil der MK Medien wird von nun an von der GVE übernommen, die dann die 49% hält. Dieser Anteil soll bei Bedarf noch einmal aufgesplittet werden. Bis zu 23,9% könnte eine noch zu gründende Investorengesellschaft übernehmen, welche bis zu zehn finanzkräftige Partner umfassen soll, die den Verein zukünftig in diesem Rahmen unterstützen sollen.
Darüber hinaus hält der Verein 25% an der Sportwerbe und -service Gesellschaft (SWS). Diese Gesellschaft, deren Hauptanteilseigner die MK Medien mit 75% ist, hält die Vermarktungsrechte. Diese tritt die SWS komplett ab und im Gegenzug erhält die MK Medien 25% dieser Gesellschaft, ist also alleiniger Eigner. Die einzige Verbindung, die von nun an zwischen der SWS und RWE besteht ist eine vertraglich zugesicherte Summe von 15% aus den Fernseheinnahmen. Diese Summe erhält die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit. Die Vermarktungsrechte werden zukünftig von einer Vermarktungsgesellschaft übernommen, an der die GVE mit 51% und RWE mit 49% beteiligt ist. Ziel der GVE ist es, dem Verein, wenn er gesundet ist, die Anteile zurückzugeben. Die GVE übernimmt die Schulden der Gläubiger von RWE und tritt fortan selbst als Gläubiger von Rot-Weiss Essen auf.
Nachdem die Befürchtungen den Vereinsnamen und die Vereinsfarben betreffend ausgeräumt wurden, bat Dietmar Bückemeyer zur Abstimmung. Die Satzungsänderung und die neuen Strukturen wurden mit überwältigender Mehrheit angenommen. Als neuer Vorstandsvorsitzender wurde Stefan Meutsch vorgeschlagen, der dieses Amt annahm. Sichtlich erleichtert brachte das Team auf der Bühne die Veranstaltung dann schnell zu Ende.
Welchen Weg der Verein nun einschlägt wird die Zukunft zeigen. Die Mitglieder haben den Weg zur Professionalisierung des Vereins und für das neue Stadion geöffnet. Sie haben den handelnden Personen einen enormen Vertrauensvorschuss gegeben. Nun liegt es an ihnen dieses Vertrauen zu belohnen und RWE in eine bessere Zukunft zu führen.
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