Machen wir ein Worst-Case-Szenario auf. In der dritten Liga befinden sich mit dem VfB Stuttgart, dem FC Bayern und Werder Bremen drei Zweitvertretungen. Nehmen wir an, alle drei Clubs halten die Klasse, was angesichts der Leistungen der vergangenen Jahre sehr wahrscheinlich ist. In der Regionalliga Nord spielt der VfL Wolfsburg oben mit, in der Weststaffel die Schalker. Zusätzlich drängen in der Südstaffel momentan Hoffenheim, Karlsruhe und 1860 München auf die Spitzenplätze. Im schlimmsten Fall befänden sich gleich sechs Nachwuchsteams in der Dritten Liga, die ohnehin in ihrer Zusammensetzung schon eher unattraktiv ist, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen. Ein Zustand der ebenso wenig zu akzeptieren ist, wie die unerträgliche Fülle dieser Teams in den Regionalligen. Dies regt nun den Zorn der Vereine, die in diesen Ligen beheimatet sind.
Nun setze man sich mit der Argumentation der Verantwortlichen der Zweitteams auseinander. So verweisen sie auf den sportlichen Erfolg, den sie haben und der sie zur Teilnahme am Wettbewerb berechtigt. Diese Tatsache will niemand leugnen, doch sollte man schauen, über welche Mittel diese Mannschaften verfügen. Geldsorgen kennen sie nicht. Außerdem profitieren sie vom vereinseigenen Scoutingsystem, das sich ein normaler Viert- oder gar Fünftligist überhaupt nicht leisten kann. Die Spitze des Eisbergs sind die Abstellungen aus dem Profibereich, die ein Ungleichgewicht hervorrufen und damit zu Wettbewerbsverzerrung führen.
Die hervorragende Jugendarbeit sei gefährdet argumentieren die Befürworter des Status Quo weiter. Nun ja, hehre Worte, doch wie sieht es aus mit der Jugendarbeit, die da betrieben wird. Man betrachte hier den FC Schalke 04 II mal ohne die Brille der Rivalität, da es ausgerechnet dieses Team ist, das ein Musterbeispiel für die ins absurde gehende Politik der Zweiten Mannschaften ist. Seit geraumer Zeit läuft Albert Streit in dieser Mannschaft auf, dessen Gehalt allein wohl das Budgets des Großteils der in der Liga befindlichen Vereine dieser Liga sprengen würde.
Hinzu kommt ein Transfer, der aufhorchen ließ. So verpflichteten die Königsblauen vor der Saison den Abwehrrecken Frank Fahrenhorst, der aus Bundesliga und europäischem Wettbewerb (!) bekannt ist. Der 32-jährige Nachwuchskicker bringt die ganze Tristesse und Ungerechtigkeit zum Ausdruck. Keiner der Vereine in der Liga hätten einen Fußballer mit dieser Biographie zu sich locken können. Die Aussicht auf Einsätze in der Bundesliga und ein wahrscheinlich nicht unbeträchtliches Gehalt lassen einen guten Spieler sind allerdings gute Argumente, mal unter sein Niveau zu gehen. Keine Sorge, es soll kein Schalkebashing werden. Das Verhalten ist kein Einzelfall. Bochum ließ sich bereitwillig von Paul Freier unterstützen und auch in Dortmund hilft der Profikader großzügig aus. Weitere Beispiele sind von allen diesen Teams bekannt.
Die unfassbare Arroganz, die die Vertreter der Proficlubs in die Diskussion bringen, kommt hinzu und ist teilweise unterträglich. So ätzt Nico Michaty vom VfL Bochum II in der Reviersport, dass es für die Zuschauerzahl unerheblich sei, ob jetzt Bielefeld II oder Fortuna Köln antreten würde. Falsch gedacht Herr Michaty! Neben dem mangelnden Respekt vor der historischen Leistung von Clubs wie Windeck, ETB (das in der Vereinsvitrine im Gegensatz zum VfL immerhin eine Trophäe stehen hat) und Fortuna Köln, ist es eben doch ein Unterschied, gegen wen man antritt. Fortuna Köln bringt nicht nur ein paar Gästefans mit, sondern zieht auch deutlich mehr eigene Zuschauer als jede Zweitvertretung.
Heinz Keppmann von Borussia Dortmund zeigt in derselben Ausgabe dann sein wahres Gesicht. „Um die Pläne einer Regionalliga-Reform durchzusetzen, müsste eine Satzungsänderung gemacht werden. Das wäre aber nur möglich wenn dem alle Vereine der 1. und 2. Bundesliga zustimmen und das ist sehr unwahrscheinlich.“ – Im Klartext: Redet wie ihr wollt, am Ende bügeln wir euch doch ab. Der Hinweis, dass die Jungs die Stimmung in den Stadien wie Wuppertal und Essen auch mal erleben müssen lässt einen auch nur noch laut auflachen.
Was muss anders werden:
1. Zuerst einmal sollten die Verhältnisse geändert werden. Was in anderen Sportarten schon lange Gang und Gäbe ist muss auch im Fußball umgesetzt werden. Wer in der Bundesliga gemeldet ist, darf nicht in einer Liga, die darunter ist antreten. Nachwuchsarbeit umfasst nämlich nicht hochklassige Aufbauarbeit für Rekonvaleszenten und Stars in einer Formkrise.
2. Nachwuchskicker, die sechs Mal in der Ersten Mannschaft eingesetzt wurden, haben sich festgespielt. Auch hier ist ein Einsatz in einer Liga unter der Bundesliga fortan ausgeschlossen.
3. Das Label U23 sollte verpflichtend sein. Ex-Profis, die ihre letzten Runden drehen haben in Nachwuchsteams nichts verloren.
Am Ende bleibt nur die Erkenntnis, dass die eigene Zweitmannschaftsstaffel kommen muss. Die Teilnehmer der Regionalliga West brauchen sich gar nicht zu beschweren, da es für sie eigentlich keinen Unterschied macht. Die Duelle mit den „stimmungsvollen Traditionsteams“ sind so rar gesät, dass sie auch wegfallen können, die diese Vereine durch die vielen Zweiten Mannschaften nahezu alle aus der Liga hinausgepresst wurden. Es gäbe allerdings lukrative Alternativen für eine Jugendarbeit. Verträge mit unterklassigen Vereinen und Verleihgeschäfte sind aus vielerlei Hinsicht positiv. Man spart die Kosten für eine aufwendige Zweite Mannschaft und der Schützling muss sich schon mal im Ligabetrieb beweisen und auch in einem Verein durchsetzen, in dem er keinen Welpenschutz genießt. Dies ist unbestreitbar eine unbezahlbare Erfahrung.
Da uns aber niemand fragt bleibt nur die wage Hoffnung, dass der DFB ein Einsehen mit der Not in diesen Ligen hat, die er nun schon seit Jahren nur stiefmütterlich behandelt. Aktuelle Meldungen deuten darauf hin, dass er das nicht hat. Wie kürzlich mitgeteilt wurde, soll beschlossen werden, dass alles beim Alten bleiben wird. Alles andere wäre wohl eine Überraschung gewesen. Für geschickte Verhandlungspolitik ist der schwerfällige Verband nicht gerade bekannt und für so eine Entscheidung ist ein dickes Fell und auch jede Menge Diplomatie vonnöten. Dennoch müssen wir Gegner dieser unzumutbaren Zustände uns positionieren. Die Kampfansage an die Versammlung lautet: Ihr werdet unsere Stimme hören!