„Ich sehe RWE in einem schönen neuen Stadion
in der ersten Liga spielen!“
Mit diesen bedeutungsschwangeren Worten lässt
sich Rolf Hempelmann vor der Kulisse des Berliner
Reichstags aus seinem Abgeordnetenbüro heraus
am Ende des Jubiläumsfilms 100 Jahre RWE zitieren.
Es mag am Umfeld der Hauptstadt liegen, dass der Mann
ins Schwärmen gerät und einen für Politiker
typischen alles rosarotfärbenden Satz heraushaut.
Wir würden Ihnen nur allzu gerne glauben, Herr
Präsident.
Aber der einfache RWE-Fan kann genau wie Sie von diesem
Szenario nur träumen. Genau genommen denken wir
schon wieder sehr intensiv darüber nach, wie
die Bratwurst in Verl schmecken wird. Dieser ostwestfälische
Provinzklub ist aus der Oberliga zurück in die
Regionalliga aufgestiegen und ist eine Metapher des
rot-weißen Abstiegsschreckens.
Alle Jahre wieder versucht sich RWE in der zweiten
Bundesliga. Zuletzt gelang den Essenern dort der Klassenerhalt
im Jahre des Herrn 1991. Was folgte, war der erste
schuldenbedingte Lizenzentzug der Vereinsgeschichte.
Nach der Rückkehr ins Unterhaus wiederholte sich
das Spielchen. Im Spätherbst 1993 zog der DFB
erneut die Rote Karte, diesmal war mit ominösen
Vertragswerken gemauschelt worden, so dass einem ehemals
ambitioniertem Jungpräsidenten am Ende nur der
Rückzug ins Fan-Forum blieb, wo er sich gemüßigt
fühlt, trotz seiner „großen Erfolge“
seinen Nachfolgern gute Ratschläge zu erteilen.
Auch das ist ein Stück RWE. Statt als Elder Statesman
im Ruhestand zu agieren, fetzt sich ein Ex-Präsi
mit Fans im virtuellen Netz. Irgendwie typisch für
Essener Vereinsstrukturen.
Denn es ist nicht so, dass die Leute um Rolf Hempelmann,
Nico Schäfer und Co nicht dringend guter Ratschläge
benötigen würden. Als sie das Vereinsschiff
im Frühjahr 1998 übernahmen, war RWE im
Begriff von der zweiten Liga in die Oberliga durchzumarschieren.
Der Patient klinisch tot. Essen machte einen Deal
mit Michael Kölmels Kinowelt. Mithilfe dieser
fetten Finanzspritze gelang die direkte Rückkehr
in die Regionalliga, wo im darauf folgenden Jahr die
Qualifikation für die zweigleisige Spielklasse
gelang. Schon hatte man wieder höhere Ambitionen,
doch am Ende der Spielzeit 2000/2001 rettete Sascha
Wolf mit einem Last-Minute-Tor in Braunschweig RWE
vor dem erneuten Absturz in die Viertklassigkeit.
Doch noch lauerte eine weitaus größere
Bedrohung. Kölmels Kinowelt hatte den finanziellen
Crash erlitten und RWE fehlten auf einen Schlag etwa
6 Millionen DM. Und das wenige Tage vor dem Fristablauf,
zu dem wasserdichte Unterlagen beim DFB in Frankfurt
vorliegen sollten.
In dieser fatalen Situation zeigte sich Präsident
Hempelmanns Geschick und große Stärke.
In allerletzter Sekunde brachte er die Essener Großunternehmen
STEAG und Namensvetter RWE ins rot-weiße Boot.
Andernfalls wären die Grablichter an der Hafenstraße
angezündet worden. Sportlich gings aufwärts,
Essen war nun Regio-Spitzenteam, nach zwei gescheiterten
Anläufen gelang 2004 der Sprung zurück in
Liga Zwei. Und nun hatte der Verein und seine treue
Anhängerschar die Zeche dafür zu zahlen,
dass der Vorstand zwar die Finanzen ganz anders als
seine Vorgänger zu überblicken weiß,
aber in sportlicher Hinsicht ein ganz kleiner Fisch
im Karpfenteich Profifußball ist. RWE-Unikum
Manni Sander war schon zu Regionalligazeiten mit der
Aussage nach vorne geprescht, dringend sportliches
Know-How in die Gremien bringen zu müssen. Dafür
wähnte man Ex-Spieler Frank Kontny für den
richtigen Mann. Dieser schien ein gutes Händchen
für die Jugendarbeit zu haben und ist ein netter
Kerl, allerdings hätte man auch sein Bild im
Lexikon unter dem Stichwort „Überforderung“
abbilden können. Während andere Zweitligisten
kräftig aufrüsteten, warteten die RWE-Anhänger
wochenlang auf den ersten Neuzugang, der kam dann
in Person des Mainzers Sandro Schwarz, der ebenso
wie das Gros der neuen RWE-Akteure zum Fehleinkauf
mutierte. Als Paradebeispiel mag der Einkauf des dänischen
Stürmers Peter Foldgast herhalten. Der Mann von
Bröndby war zwar sportlich scheinbar eine wirkliche
Hausnummer, wie drei Tore in seinen ersten zwei Ligaspielen
andeuteten, kam aber mit einer dicken Knieverletzung
an die Hafenstraße und war fortan kaum noch
einsetzbar. Warum das den Essenern trotz Medizin-Schecks
nicht aufgefallen war, blieb bislang ein Geheimnis.
Auch Trainer Jürgen Gelsdorf trug nicht wirklich
zur Stabilisierung der Lage bei, durfte aber lange,
sehr lange, zu lange auf der Trainerbank Platz nehmen.
Handlungs- und Führungsstärke waren in sportlichen
Angelegenheiten noch nie die Sache vom Vorsitzenden
Hempelmann. Als man dann am Ende wohlverdient abgestiegen
war, wurde verlautet, aus Fehlern würde man lernen,
RWE wieder kommen und sich dann etablieren. Nun, der
direkte Wiederaufstieg gelang, aber aus Fehlern sollte
man gelernt haben? Pustekuchen. Es wäre müßig
alle gemachten Fehler dieser Saison erneut aufzuzählen
Siehe dazu Jawattdenn-Kommentar „Zweitligajährlich
grüßt das Zweitliga-Murmeltier“
vom 8.11.2006.
Ob man Trainer LGK in allen Punkten folgen muss, ist
zwar fraglich, aber das dem Mann die Hutschnur gewaltig
hoch geht, bei dem, was er an der Hafenstraße
vorgefunden hat, ist nur allzu verständlich.
Auch die Art und Weise, wie der streitbare Franke
die RWE-Verantwortlichen am Nasenring durch die Medien
führt, stimmt einfach nur bedenklich. Eines ist
sonnenklar, unabhängig davon, ob die Rot-Weissen
in einem letzten Kraftakt in Duisburg die Klasse halten
oder nicht. Von wirklich professionellen Strukturen
ist RWE so weit entfernt wie die Menschheit von der
umgehenden Besiedlung des Mars. Es ist zwar schön,
wenn das Vertrauen der Frankfurter Ligamacher in das
einstige Sorgenkind mittlerweile so groß ist,
dass ein Nico Schäfer Funktionsträger am
Main wird. Aber ohne den Zuwachs von sportlicher Kompetenz
wird das Vereinsschiff immer wieder leck schlagen,
bis es dann endgültig untergegangen ist. Guten
Willen und auch Seriosität kann man den Verantwortlichen
nicht ernsthaft absprechen. Aber das allein reicht
nicht.
Mit Otto Rehhagel wird geliebäugelt, das Stadionprojekt
wird unter Umständen doch noch umgesetzt. Aber
schließe ich als RWE-Fan die Augen, dann rieche
ich den Bratwurstduft von Verl. Dieser ist näher
als ihre eingangs genannte Prognose Herr Hempelmann.
Also, lernen Sie, handeln Sie, färben Sie nicht
schön. Wir alle haben nichts davon, außer
dass wir uns immer wieder im Kreise drehen und nicht
vorankommen.