08.09.2015

Auf Wiedersehen UE

von Hendrik Stürznickel

Am Sonntag gaben die Ultras Essen ihre Auflösung bekannt. Wir meinen: Ein herber Schlag für die Essener-Fanszene. Wir möchten uns aber natürlich für euren jahrelangen Einsatz und die gute Zusammenarbeit bedanken.


„Niemand von uns lebt für sich selbst
und niemand stirbt für sich selbst.
Wenn wir leben, leben wir für den RWE,
und wenn wir sterben, sterben wir für den RWE.
Wir gehören zum RWE – im Leben und im Tod.

ROT – WEISS – ROT
BIS IN DEN TOD
(Vorspann Ultras Essen. The Video – Episode 2)


Wer wissen will, was Fußball, was Fanleidenschaft, was Rot-Weiss Essen ausmacht, der sollte sich die dreiminütige Eröffnungssequenz des zweiten Films der Ultras Essen ansehen, denn mit einem Zusammenschnitt von beeindruckenden Bildern und Radioreportagen sieht man, was die Faszination Fußball ausmacht. Einen Teil dieser Faszination begleiteten die Ultras Essen nicht nur, sie prägten die Essener Fanszene nachhaltig und mit ihrer Auflösung hinterlassen sie eine Lücke, von der heute noch niemand weiß, wie sie zu schließen ist.

Das Ende des ehemals größten Fanclubs in Essen war so gar nicht pompös und pathetisch, wie ansonsten die Auftritte der Ultras zu erleben waren. In einem Vierzeiler gab die Gruppe ihr endgültiges Aus bekannt, das Kenner der Fanszene bereits herannahen sahen. Dies bietet viel Anlass zu mehr oder weniger seriöser Spekulation, die teilweise rufschädigend für den Verein Rot-Weiss Essen daherkommen und denen man konsequent widersprechen sollte. Die Gruppe allerdings blieb bei ihrer Politik, nicht zu kommentieren, was der Gruppe nachgesagt wurde.

Die Ultras gründeten sich vor 13 Jahren und polarisierten von da an wie keine andere Gruppe. Der Ultragedanke, der sich von der Kommerzialisierung des Fußballs abgrenzt und in dieser Reaktion den eigenen Verein umklammert, hielt Einzug in das altehrwürdige Georg-Melches Stadion. Die Gruppe produzierte Bilder, die bleiben werden. Die gesamte Nordtribüne diente gegen den VfL Osnabrück als Kulisse für eine der beeindruckendsten Choreographien, in der ein Piratenschiff gen Aufstieg ausläuft.

Immer wieder gestalteten die Ultras Essen diese Bilder, von denen dem Autor die Choreo in Anlehnung an den Spieleklassiker Super Mario am schönsten im Gedächtnis blieb, aber auch der Abschied von Helmut Rahn und dem Georg-Melches Stadion wurden würdig zelebriert und sorgten für Gänsehautatmosphäre im gesamten Stadion.

Dass es nicht nur Freunde dieser Bewegung gab, soll an der Stelle nicht verschwiegen werden. Immer wieder wurde der Einsatz von Pyrotechnik kritisiert, der zum Teil zu empfindlichen Geldstrafen für den Verein führte. Darüber hinaus störten sich einige Zuschauer an der Vormachtstellung in der Kurve, kritisierten den Dauergesang, und insbesondere die Fankoordination mit Hilfe eines Megaphons war in Essen eine für viele Anhänger schwer hinnehmbare Neuerung.

Doch muss man feststellen, dass die Ultras Essen im Gegensatz zu vielen anderen Bewegungen immer wieder die Nähe der Fankurve gesucht und in Diskussionsabenden versucht haben, alle Wünsche überein zu bringen.

Auch im Verhältnis zum Verein wurde kontrovers gestritten. Man denke an die aggressive Merchandising-Kampagne von Detlev Jaritz, als er die Gruppe mit T-Shirts, die die Aufschrift „Ultrastark“ trugen, brüskierte. Hier bewegten sich beide Seiten aufeinander zu und die Ultras Essen organisierten im Stadion groß angelegte Besserungswünsche an Jaritz, als dieser schwer krank im Krankenhaus lag. Er wird nun zitiert, dass es das beste Erlebnis im Zusammenhang mit RWE gewesen ist. Dadurch wurde die Gruppe allerdings nicht zahm, was zuletzt im eskalierenden Streit um ein hochpolitisches Plakat erkennbar war, in der die Gruppe ihre Solidarität mit einem aus ihrer Sicht zu Unrecht inhaftierten Fußballfan zum Ausdruck brachte.

Außergewöhnlich waren die Filme, von denen die Ultras Essen drei Stück produzierten, die Fans und Verein in ein beeindruckendes Licht rückten. Hier wurde deutlich, mit wie viel Herzblut die Gruppe den Verein unterstützte und sie zeigen ebenfalls den Niedergang, den Rot-Weiss Essen in den vergangenen Jahren erlebte. Hier sehen wir den abgewendeten Lizenzentzug genauso wie den wirklich erlebten Sturz in die Viert- und Fünftklassigkeit. Doch die Gruppe sowie die Fans von RWE waren trotzdem immer in großer Zahl dabei.

Das ändert sich nun. Mit der Auflösung der Ultras Essen stehen nun viele Ängste um Fans und Stimmung in Essen im Raum. So waren es die Ultras Essen, die mit den qUErulanten die jugendlichen Zuschauer an den Verein banden und so aktiv Nachwuchsakquise unter den Fans betrieben haben. Gleichzeitig waren sie federführend daran beteiligt, das Stadion zum Kochen zu bringen. Die Zukunft wird zeigen, ob wir Fans diese Lücke schließen zu können. Schließlich waren sie es in Zweit- und Drittligazeiten, die Anfahrten organisierten und dafür sorgten, dass man trotz Anfahrt mit Bus und Bahn gewaltsamen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen konnte.

Die Streitigkeiten sollten nach der Auflösung der Ultras Essen beiseite geschoben werden. Es ist an der Zeit zu danken; zu danken für viele intensive Momente, für Momente von unglaublichem Glück und Aufstiegen sowie Ärger, Frust und Trauer, Lizenzentzug, Insolvenz und Abstiegen, die ihr immer mitbegleitet habt. Danke für die ständige Motivation. Danke für alles, was ihr für unser aller Klub Rot-Weiss Essen getan habt. Ihr werdet uns fehlen.