03.06.2017

Vor- und Nachteile

von Sebastian Hattermann

Alles rund um die Ausgliederung

Die Ausgliederung ist ein zweischneidiges Schwert mit scharfen Kanten, mit Vorteilen und Nachteilen. Im Vordergrund einer solchen Debatte stehen selbstverständlich die verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten. Um sich im Wettbewerb behaupten oder sich gar Vorteile verschaffen zu können, müssen Fußballvereine sich fortlaufend um frisches Geld bemühen. Statt auf Fremdkapital zurückzugreifen, was insbesondere bei RWE mit seiner problematischen Vergangenheit tunlichst vermieden werden sollte, besteht im KGaA-Modell also die Möglichkeit, neues Eigenkapital aufzunehmen. Einhergehend mit einem verringerten Verschuldungs- sowie Insolvenzrisiko.

Eine zentrale Rolle in den Überlegungen zu diesem Thema spielt in unserer Situation vorne weg  jedoch auch die Ligenstruktur, die mit ihrer unsäglichen Aufstiegsregelung auf der einen Seite dazu führt, dass man sich mit aller Gewalt durch dieses Nadelöhr prügeln will, auf der anderen Seite aber auch Warnung dafür sein sollte, dass sich ein Aufstieg auch mit erhöhten Geldmitteln nicht planen lässt. Die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein, würde sich ganz sicher erhöhen. Ob es für ganz oben reicht, steht jedoch in den Sternen. Spätestens in der Relegation allerdings können andere Faktoren deutlich entscheidender sein: Tagesform, Verletzungsstand, Erfahrungen im Umgang mit extremen Drucksituationen. Vielleicht sogar Schiedsrichterentscheidungen.

In diesem Zusammenhang wird häufig diskutiert, wann eine Ausgliederung am sinnvollsten wäre. In der dritten Liga, wenn der Wert der Anteile nominal höher ist? Oder in der vierten Liga, um überhaupt erst aus dieser Liga mit seiner mageren Durchlässigkeit nach oben rauszukommen? Sicher ein Punkt, über den man streiten kann. In den Infoveranstaltungen argumentierte Michael Welling auf nachvollziehbarer Art und Weise, dass die zu machenden Sprünge – im Vergleich mit den Etats der Konkurrenz – in der vierten Liga größer seien.

Gleichwohl wird durch eine Ausgliederung jedoch zunächst nur ein einmaliger, vergänglicher Effekt erzielt. Sind die Gelder der Investoren aufgezehrt, womöglich ohne das erhoffte Ziel Aufstieg erreicht zu haben, kann es neue Impulse nur durch die Veräußerung weiteren Tafelsilbers oder durch sog. Kapitalerhöhungen geben. Denkbar wäre, dass Investoren später auf den Verkauf von weiteren Anteilen oder gar Stimmrechten drängen. So wäre es ohne Frage möglich, dass Rot-Weiss Essen nach einigen Jahren noch in derselben Liga herumdümpeln würde, die Strukturen des Vereins aber unwiderruflich geändert worden sind.

Klar ist jedenfalls, dass derjenige, der viel Geld investiert, auch ein gewisses Mitspracherecht haben will. Das KGaA-Modell ist hier die beste Option, um das Zepter nicht völlig aus der Hand zu geben. Zum einen sehen die Strukturen dies grundsätzlich so vor, zum anderen lässt sich die Satzung der KGaA sehr frei gestalten. Die Vorstellung, dass ein Großinvestor keinerlei Einfluss auf das Tagesgeschäft hätte, ist jedoch zumeist nur graue Theorie. Da Investoren und Verein in der Regel ein beiderseitiges Interesse am sportlichen Erfolg haben, muss es hier nicht grundsätzlich zu Konflikten kommen. Ebenso kann es Vorteile in alle Richtungen mit sich bringen, wenn sich Personen aus der Wirtschaft mit guter Reputation und dem nötigen Sachverstand bei RWE einbringen. Und wenn es auch nur deren Strahlkraft ist, die weitere Sponsoren an den Verein heranbringen könnte. Nicht zuletzt bringen Anteilseigner häufig selbst zusätzliche Mittel ein, um den Verein voranzubringen.

Das Wohlbefinden des Vereins steht und fällt letztlich immer mit den handelnden Personen. Um das deutlich zu machen, bietet sich erneut ein Blick nach Giesing an, der Heimat der Münchener Löwen, wo seit 2011 Hasan Ismaik sein Unwesen treibt. Ein Jordanier mit viel Geld und wenig Ahnung von deutscher Fußball- geschweige denn Fankultur, der 1860 München seinerzeit in einer finanziellen Notlage unter die Arme griff und diese bis heute nicht losgelassen hat. Im Gegenteil: Im sechsköpfigen Aufsichtsrat der KGaA tragen heute gleich drei Personen den Namen Ismaik. Hasan und zwei Brüder des Multimillionärs. Im Beirat der 1860-Geschäftsführungs-GmbH stellt die Familie ebenfalls die Hälfte aller Mitglieder. Nach der verpatzten Relegation und dem drohenden Szenario eines Absturzes in die Regionalliga versuchte Hasan Ismaik obendrein das Weisungsrecht des Stammvereins partiell abzuschaffen, was schon aufgrund der DFB-Statuten gar nicht möglich gewesen wäre. Noch nicht.

Richtig bleibt also, dass Kommanditaktionäre nur einen geringen Einfluss sowie wenig Entscheidungsgewalt über das Personal und die Handlungen der Geschäftsführung haben. Durch die Öffentlichkeit, durch ein entsprechendes Netzwerk oder auch einfach den Druck eines millionenschweren Geldgebers lässt sich aber auch innerhalb dieser Strukturen entscheidend Einfluss gewinnen. Einen Schutz grundlegender Dinge, die es im Voraus noch klar zu definieren gilt, bringt das KGaA-Modell in derlei Hinsicht mit sich, dass Beschlüsse, Satzungsänderungen u.Ä. erst die Zustimmung der Komplementärs-GmbH benötigen. Der Aufsichtsrat dieser GmbH wird direkt durch die Mitgliederversammlung des e.V. gewählt, die vertretungsberechtigte Geschäftsführung der GmbH durch den Aufsichtsrat berufen. Nach demselben Muster läuft es auch nach aktueller Satzung im Verein.

Der Unterschied liegt jedoch darin, dass der Vorstandsvorsitzende des e.V. persönlich haftend ist und somit vorsichtiger agieren wird als ein nicht persönlich haftender Geschäftsführer einer GmbH. Logisch ist auch, das in den folgenden Jahrzehnten nach einer Ausgliederung ein anderes Klientel ein Interesse an solche Posten haben könnte, als es das für den Vorsitz eines e.V. der Fall wäre. Die Entlastung ließe sich den handelnden Personen in der GmbH nicht mehr verweigern, so dass ein  Intervenieren seitens der Mitglieder im KGaA-Modell nicht ohne weiteres möglich wäre, wenn das Handeln des Geldgebers bzw. dessen Interessenvertreter in den – womöglich – verschiedenen Organen nicht zu den Vorstellungen der Mitglieder passt.  In diesem Zusammenhang ist aber auch zu erwähnen, dass der Ursprungsverein im Falle einer Insolvenz unberührt bliebe und einer Löschung aus dem Vereinsregister damit im ‚worst case‘ vorgebeugt wäre. Ein nicht unbeträchtlicher Vorteil, insbesondere für den deutschen Lizenzentzugsrekordhalter Rot-Weiss Essen. Es bleibt festzuhalten: Ein Investor wird Teil des Vereins bleiben, auch wenn es zu einer Überwerfung oder sonstigen  Problemen kommt. Eine Enteignung ist nicht möglich. Inwiefern bei einem möglichen Weiterverkauf der Anteile seitens des Vereins Einfluss auf die Auswahl des neuen Anteilseigners besteht, ist zu definieren.

Eine Vielzahl von Vereinen hat gezeigt, dass eine Ausgliederung nicht mit Erfolg gleichzusetzen ist. Ganz im Gegenteil kann diese eher noch zu Folgeproblemen führen, wenn die Ziele nicht erreicht werden. Ist die Anschubfinanzierung aufgezehrt und der Verein wieder darauf angewiesen, sich aus den laufenden Einnahmen zu finanzieren, muss das Gehaltsniveau der Spieler angepasst werden, bevor dieses zu finanziellen Problemen führt. Das ist zwar auch heute der Fall, wenn ein großer Sponsor wie etwa innogy seinen Vertrag nicht verlängert, die finanziellen Sphären dürften aber andere sein. Das Konzept, die finanzielle Abhängigkeit auf viele Schultern zu verteilen, ließ den innogy-Absprung für RWE schmerzhaft, aber verkraftbar sein, was in einem Investoren-Modell vermutlich nicht mehr dermaßen gut funktionieren würde.

Die Vorbeugung einer Rechtsformverfehlung besitzt als Pro-Argument eine eher unbedeutende Rolle. Zum einen, weil das Amtsgericht München einen Antrag auf Löschung des FC Bayern München e.V. aus dem Vereinsregister bereits abgelehnt hat. Zum anderen, weil es im Falle eines Falles ein weitgreifendes Problem gäbe, zu dessen Lösung es eine angemessene Übergangsphase für alle betroffenen Vereine geben würde. Unwahrscheinlich.

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