„In der NRW-Liga ist RWE der Verein, wo man sagt: Geil!‘“

Die Saison endet mit einem Paukenschlag! Nach der Rückkehr der Mannschaft aus Mallorca verkündete die sportliche Leitung, dass der Vertrag mit Alexander Thamm nicht verlängert werden wird. Unverständlich, meinen viele Fans. Rot Weiss Essen verliere damit unnötigerweise nicht nur einen guten Innenverteidiger, sondern auch eine Führungsfigur. Ein Kommentar.

Als Alexander Thamm am 5. Juli 2010 von den Sportfreunden Lotte zu Rot-Weiss Essen wechselte rieben sich viele verwundert die Augen. Warum wechselt ein gestandener Innenverteidiger freiwillig eine Liga tiefer zu einem Verein, dessen Zukunft mehr als unsicher ist? Thamm gab die Antwort: „In der NRW-Liga ist RWE der Verein, wo man sagt: ‚geil!‘“ Knapp 90 Tage später kürte ihn die Sportschau zum Torschützen des Monats. Es folgte eine traumhafte Saison in der der 28jährige nicht nur der RWE-Spieler mit den meisten Einsatzminuten wurde, sondern auch maßgeblichen Anteil an der Stabilität der Defensive hatte. Auf und neben dem Platz stand der 1,91m Hüne für das neue Rot-Weiss-Team. Der „Opa“ unter den Jungspunden wurde schnell zur Führungsfigur und zum Publikumsliebling. 11 Monate später ist sein Abschied beschlossene Sache.

"Alex hat in der vergangenen Saison viel für den Verein getan. Allerdings haben wir uns ausschließlich aus sportlichen Gründen entschieden, den Vertrag mit Alex nicht zu verlängern. Wir wünschen Alex für seine weitere sportliche Zukunft alles Gute", so Team-Manager Damian Jamro. Hintergrund dieser Aussage ist wohl die Sorge, dass Thamm, nach eingehender Videoanalyse durch die sportliche Leitung, in der kommenden Saison gegen die pfeilschnellen Stürmer der vielen Zweitvertretungen die dort warten, Probleme bekommen könnte. Thamms Spieleröffnung identifizierten die Verantwortlichen zudem als weiteren Schwachpunkt. So soll ein schnellerer Mann, Aachens U23-Kapitän Sebastian Jansen, die Lücke schließen.

Der Abschied Thamms und die intensive Diskussion darüber beweist vor allem eines: Mannschaft und Fans sind wieder richtig eng zusammengerückt. Selten wurde in den letzten Jahren der Abschied eines Spielers, der darüber hinaus auch noch finanziell zu halten gewesen wäre, so bedauert. Ein Grund den beliebten Innenverteidiger doch zu halten? Nostalgische Fan-Gefühle versperren manchmal den Blick für das Wesentliche. Thamms Abschied erscheint wie ein Schritt zurück, ist aber in Wahrheit einer nach vorn, auch wenn es weh tut. Waldemar Wrobel und Damian Jamro wissen um das Standing des beliebten Innenverteidigers bei den Fans, allerdings wissen sie auch um dessen Schwächen. Die Gelegenheit die Trennung vor einer Saison zu vollziehen, in der sich eine neue perspektivisch besser ausgerichtete Innenverteidigung ohne allzu großes Wagnis einspielen kann, erscheint günstig.

Nichtsdestotrotz stellt diese unpopuläre Entscheidung auch ein großes Risiko dar, eben weil Thamm mehr als „nur“ ein Innenverteidiger ist. Er war Teil eines funktionierenden Mannschaftsgefüges, sein Standing innerhalb des Teams als Führungsspieler ist deutlich geworden, für die Fans war er eine Integrationsfigur, sein Nachfolger wird sich daran messen lassen müssen. Irritierend erscheint daher weniger das Warum, als die Art und Weise des Abschieds. Damian Jamro bekräftigte noch vor wenigen Wochen auf einer Pressekonferenz den anwesenden Medienvertretern, man wolle Thamm halten. Es ist anzunehmen, dass man schon zu diesem Zeitpunkt um den sportlichen Wert des Innenverteidigers wusste. Thamm erst zu informieren, nachdem die Gespräche aus Aachen positiv gestaltet werden konnten, ist hart, aber absoluter Usus im Geschäft. Als Fan wünscht man sich hier mehr Fingerspitzengefühl, gerade weil es sich bei Thamm um einen verdienten Spieler handelt. Aber das sportliche Gespann handelt lediglich nach den Gesetzmäßigkeiten des Geschäfts, dort wo Nostalgie keinen Platz hat.

Das dürfen sich allenfalls wir Fans erlauben, und so schwelgen wir ein bisschen: mit Alexander Thamm verliert die Mannschaft einen echten Typen. Ein Spieler, der hier gern gespielt hat, weil er geil auf RWE war und sich auf, so wie neben dem Platz Freunde gemacht hat. Ein Abschied vor den Fans wäre ihm zu gönnen gewesen. So bleiben die Bilder auf dem Aufstiegstruck in unserer Erinnerung haften. Unvergessen bleibt sicher auch seine Humba auf dem Zaun und natürlich sein spektakuläres Tor zum 1:0 gegen den VfB Homburg. Thamm läutete mit diesem Treffer eine Saison voller Freude und mit einem großen Lächeln ein. Jetzt beschließen wir diese Saison mit einer Träne und bedanken uns bei Alex für eine wunderbare Saison. Machet jut Alex, du bist hier immer gern gesehen!

Sebastian Brandt