Da in diesem Jahr der Tag der Deutschen Einheit glücklicherweise auf einen Freitag fiel, entschied sich die achtköpfige Reisegruppe gen Osten zu fahren, um ein verlängertes Wochenende in Prag zu verbringen. Just an diesem Sonntag stand das Prager Derby Slavia gegen Sparta auf dem Spielplan der „Gambrinus-Liga" (benannt nach einer tschechischen Bierbrauerei). Allerdings mussten wir bald feststellen, dass das Spiel auf den Montag verschoben wurde und wir somit nach einem verpassten Konzert einen weiteren Punkt auf unserer Liste streichen mussten. Karten für das Spiel gab es selbst am Montag noch für umgerechnet circa 7,00 EUR. Als alternatives Programm schauten wir uns dann am Sonntag das Spiel Bohemians Prag gegen FK Teplice an.
Die Bohemians sind neben Sparta, Slavia und Viktoria Zizkov einer von vier Erstligisten in der Hauptstadt. Mit den Letztgenannten teilen sich Bohemians das Stadion, wovon man im Stadion aber nichts mitbekommt, da eindeutig die Farben von Viktoria Zizkov dominieren. Lediglich ein 1x1m großer Verkaufsstand lässt vermuten, dass hier auch der Verein Bohemians Prag ansässig ist. Wirklich viel Auswahl hatte dieser Stand allerdings nicht. Unser Hostel-Portier erklärte uns schon vor dem Spiel, dass Bohemians in Prag recht unbeliebt ist und wir kaum mit Fans rechnen sollten, obwohl es sich immerhin um ein Erstligaspiel handelte. In Zeiten, in denen ein Verein wie Hoffenheim in der ersten Liga spielt, wunderte mich das schon fast gar nicht mehr.
Laut Aussage des Portiers resultiert diese Abneigung daher, dass es sich bei den Bohemians nur noch um Fassade handelt. Die „wahren Bohemians" kamen in Geldnot und waren so zum Verkauf von Name und Logo gezwungen. Seit dem sind sie unter dem Namen "Bohemians 1905" im Spielbetrieb gemeldet und kicken aktuell in der zweiten Liga. Die Fans hielten dem ursprünglichen Verein weiterhin die Treue.
Das Stadion liegt etwa fünf Minuten Taxifahrt von der Karlsbrücke entfernt in einem Viertel, das von zweitklassigen Nachtclubs geprägt ist. Es umfasst vier Sitzplatztribünen mit insgesamt 5.600 Plätzen (wenn man die Fensterplätze um das Stadion herum nicht mitzählt). Erst im letzten Jahr wurde eine weitere Hintertortribüne aus Stahlrohren hinzugebaut. Bis auf die Sitzschalen machte das Stadion einen recht heruntergekommenen Eindruck.
Für umgerechnet 4,50 EUR (Haupttribüne) stürmten wir also den „Ground" und bedienten uns am Bierstand und freuten uns über das 1,00 EUR „teure" Bier (0,5 L). Bis zum Anpfiff fanden sich grob geschätzt 300-400 Zuschauer ein, wobei die örtliche Tageszeitung 1600 Fans gesehen haben will. Handgezählte 30 Gästefans machten sich auf den „weiten" Weg (Teplice liegt nur eine Autofahrstunde von Prag entfernt) um ihre Mannschaft zu sehen. Auf jeden Fan kam genau ein Polizist im Gästeblock. Einen „Mutanten-Ost-Block-Hool-Mob" suchten wir vergebens, lediglich die Ordner hätten diesen Titel verdient gehabt. Recht ungläubig schauten wir, als wir über die Stadionboxen ein Punk-Lied hörten, in dem man das Wort „Hooligan" recht eindeutig heraushören konnte.
So wie das Stadion und die Anzahl der Fans nicht an ein Erstligaspiel erinnerten, war auch das Spiel selbst einfach unterirdisch. Keine Struktur, keine Taktik, nur wildes Gebolze und Getrete konnte man beobachten. Es war ein rauhes und hartes Spiel, wobei der Schiri wohl nicht fürs Pfeifen bezahlt wurde. Sonst hätte es eindeutig mehr als die gezeigten acht gelben Karten geben müssen. 90 Minuten Dauersupport gab es aus dem Block der Bohemians, zumindest von den vier Herren mit Trompeten, die wohl froh waren, dass sie mal etwas Publikum hatten. Im Gästeblock zogen 99% der Gästefans mit, was bei 30 Mann nicht besonders schwierig ist. Durch die angrenzenden Häuser ergab sich allerdings eine äußerst gute Akustik, sodass man die 30 Mann recht laut vernehmen konnte. Neue oder unbekannte Melodien gab es nicht zu hören. Das Spiel endete mit 1:0 für Bohemians. Das Tor kam in der 12. Minute durch einen Foulelfmeter zustande.
Nach 90 Minuten waren wir durchgefroren, aber glücklich einen ersten Länderpunkt gemacht zu haben. Zumindest war das bei mir so. Vom Stadion aus machten wir uns dann noch auf, um ein örtliches Restaurant zu besuchen.