UEFA-Cup Gruppenphase, 5.Spieltag

NEC Nijmegen vs Udinese Calcio

Die Lust auf internationalen Fußball trieb mich an diesem trüben, von Nieselregen gezeichneten Donnerstag-Abend nach Nijmegen, um am letzen Spieltag der Gruppenphase des UEFA-Cups dem Kick des heimischen NEC gegen die bereits für die nächste Runde qualifizierten Italiener aus Udine beizuwohnen.

NEC Nijmegen vs Udinese Calcio

Durch telefonische Anfrage und nachher gesendete Email konnten auf unkompliziertem Wege Tickets für zur Abholung am Stadion reserviert werden. Ein wenig erstaunte mich, daß die Order derart einfach über die Bühne ging, da das Fassungsvermögen des Nijmeger Grounds zum einen nicht sehr hoch ist und zum anderen zu über 80% durch Dauerkarten belegt ist. Wenn man dann noch bedenkt, dass UEFA-Cup-Spiele in Nijmegen etwas absolut Besonderes sind, war eine gewisse Skepsis durchaus angebracht. Warum auch immer – eine sehr freundliche Mitarbeiterin des NEC bestätigte per Email die Tickets für den Event.

Also ging es am späten Nachmittag über die A57 nach Nijmegen, zunächst Richtung City, um noch einen kleinen Eindruck von der Stadt zu bekommen. Nijmegen, in der Provinz Gelderland gelegen, gilt als älteste Stadt der Niederlande mit über 2000jähriger Geschichte. Die Stadt hat knapp über 160tausend Einwohner und liegt am Rhein, der allerdings nach Grenzübertritt aus Deutschland 'Waal' heißt. Die Parkplatzsituation als Maßstab genommen sollte man meinen, dass Gäste nicht sonderlich erwünscht sind. Die City und der weiträumige Bereich drum herum sind Parkzone mit Berechtigungsausweis.

NEC Nijmegen vs Udinese Calcio Alternativ hat man die Möglichkeit einen nicht ganz günstigen Parkschein zu ziehen. Allerdings nehmen die Automaten keine Münzen, sondern lediglich Zahlkarten oder Kreditkarten an. Der Gott des bargeldlosen Zahlens muss aber wohl Holländer sein, denn meine sämtlichen mitgeführten Karten waren dem Automaten nicht gut genug und er verweigerte mir das begehrte Parkticket. Also hieß es den Wagen in einem noch teureren Parkhaus abzustellen, um im Anschluss einen kleinen Rundgang durch die teilweise von sehr schönen, alten Bauten geprägte Innenstadt zu starten. Als ich mich dem ‚Grote Markt’ näherte, drangen dann Fußball-Gesänge an mein Ohr. Als ich auf den Platz einbog, sah ich etwa 200 NEC-Anhänger, die sich vor und in einer Kneipe versammelt hatten und englisch anmutendes Liedgut von sich gaben. Kurz die Szenerie beobachtet und dann das einzig Vernünftige in Angriff genommen – ich kehrte in einen Imbiss ein, und schlug mir den Magen mit viel zu heißen Fritten und Frikandeln voll und fuhr danach zum Stadion.

Das Stadion ‚De Goffert’ hat eine lange Geschichte und wurde erstmalig im Jahr 1939 eröffnet. Das frühere Aussehen erinnerte stark an das alte Zoostadion in Wuppertal, da es auch über eine Radrennbahn verfügte. Der Name des Stadion findet seinen Grund in der gleichnamigen großen parkähnlichen Grünlage, in der es liegt. Wie viele andere holländische Clubs auch, bekam der NEC Ende des letzten Jahrtausends ein neues Stadion. Man baute allerdings nicht, wie anderenorts meist praktiziert, an einer anderen Stelle neu, sondern setzte die neue Spielstätte in das große Oval, das der alte Ground hinterließ. Die Gegebenheiten der neuen Anlage muß man sich nun ähnlich vorstellen, wie die des neuen Zentralstadions in Leipzig, nur halt um ein Vielfaches kleiner.

Der Bau selbst ist ein kleines reines Fußballstadion für 12.500 Zuschauer und ähnelt stark den anderen kleineren Grounds in Holland. Auch hier wurde versäumt, die Flutlichtanlage in das Tribünendach zu integrieren und so verschandeln vier Lichtmasten die Optik. Die Baukosten des in nur einem halben Jahr Bauzeit errichteten Stadions beliefen sich übrigens auf lediglich 8 Mio. Euro!! Von einem kleinen Parkplatz vor dem Haupteingang abgesehen, gibt es keine Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge. An der Infrastruktur wurde also offenbar gespart. Das Stadion trägt nach dem Verkauf der Namensrechte im Jahr 2005 den offiziellen Namen ‚McDos Goffertstadion’, wird aber von den NEC-Fans weiterhin nur nach dem alten Namen ‚De Goffert’ genannt. Die Arena ist ein Allseater, bestückt mit Sitzschalen in den Clubfarben Rot, Grün und Schwarz. Auf der Hauptseite befinden sich unter dem recht niedrigen, rundherum auf gleichem Niveau befindlichen Dach einige Vip-Boxen. Das Spielfeld ist wie in vielen anderen holländischen Stadien durch einen Graben von den Rängen getrennt, damit ein 'Entern' des Rasens erschwert wird. In diesen Graben sind die Catering-Stände und sanitären Anlagen integriert.

NEC Nijmegen vs Udinese Calcio Der gastgebende NEC (Nijemgen Eendracht Combinatie) wurde 1900 gegründet und hat bei nationalen Erfolgen eine satte 'Null' im Briefkopf stehen. Man konnte zwar das Pokalfinale vier Mal erreichen, brachte aber das Kunststück fertig dieses auch vier Mal zu verlieren. Seit 1994 spielt NEC nun ohne Unterbrechung in der Eredivisie. Mal landete man im sicheren Mittelfeld, mal hatte man leichtere Abstiegsnöte. Lediglich 2003 erreichte man bereits einen UEFA-Cup-Startplatz. So auch in der abgelaufenen Saison. Diesen Trend kann man im bisherigen Verlauf der aktuellen Saison mit dem derzeit siebten Tabellenplatz bestätigen. Dazu ist noch zu sagen, dass nicht alle internationalen Starter mit der Abschlusstabelle feststehen, sondern sich an das Saisonende ein verworrenes Play-off-System um CL- und UEFA-Cup-Plätze anschließt. Auf diesem Wege hat man sich auch für den diesjährigen Wettbewerb qualifizieren können.

Die Situation vor diesem Spiel war so, dass der NEC nach zwei Auftakt-Niederlagen durch einen überraschenden Last-Minute-Sieg bei Spartak Moskau den dritten Tabellenplatz in der Gruppe ergattert hatte, punktgleich mit den Russen, aber mit dem minimal besseren Torverhältnis. Es bestand also eine realistische Chance, den dritten Platz zu halten und in die nächste Runde einzuziehen. Dazu war einerseits ein entsprechendes Ergebnis im Parallelspiel zwischen Tottenham Hotspur und Moskau nötig – dort brauchten beide Teams ebenfalls noch Zählbares zum Weiterkommen. Andererseits war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Unentschieden oder ein Sieg gegen die aus NEC-Sicht übermächtig erscheinenden, wenn auch schon qualifizierten Italiener nötig. Je nachdem wie das Spiel in London ausginge, hätte man auch verlieren dürfen. Es waren diverse Konstellationen denkbar. Die einfachste Formel hieß: Mindestens das Ergebnis erreichen, dass Moskau bei den Spurs erzielt. Dieses hätte bedeutet, dass man auf jeden Fall vor Spartak, also auf Platz Drei blieb.

NEC Nijmegen vs Udinese Calcio Die Mannschaften betraten zu den Klängen von 'Eye of the Tiger' (wenn auch oft benutzt, so doch ein geiler Song zum Einlauf der Teams) das Feld und die Heim-Fans begrüßten Ihre 'Elftal' lautstark. Die Fankurve gab eine kleine aber feine Zettel-Choreo zum Besten, die Gegenseite hatte einige Fähnchen zu bieten und der Gästeblock schickte eine kleine Rauchsäule gen Himmel. Der Gästeblock war mit ca 400 Leuten gefüllt. Eine ganz ordentliche Zahl vor dem Hintergrund, dass es ein Away-Kick unter der Woche und aus italienischer Sicht ein Sinnlos-Spiel war. Der Gäste-Support war aber insgesamt schwach, allerdings auch, weil sich die Gastgeber umso mehr ins Zeug legten.

Die Rollen fürs Spiel waren klar verteilt: Nijmegen als deutlicher Außenseiter gegen den Favoriten aus Italien. So taten die Holländer das einzig Richtige, legten jeglichen Respekt ab, suchten ihr Heil in der Offensive und stürmten wie die Feuerwehr auf das Tor von Udine. Klare Torchancen blieben zunächst Mangelware, spätestens ab Minute 15 boten sich aber immer wieder gute Einschussmöglichkeiten. Udine kam überhaupt nicht zur Entfaltung. Die Stimmung war recht ordentlich. Allerdings erhielt diese einen herben Dämpfer, als nach gespielten dreißig Minuten das Zwischenergebnis aus London auf der Anzeigetafel eingeblendet wurde: 2:0 für den Gast aus Russland. Nijmegen war zu diesem Zeitpunkt sicher ausgeschieden.

NEC Nijmegen vs Udinese Calcio Nun musste ebenfalls ein 2:0 her. Das Publikum war kurz geschockt, die Mannschaft des NEC keineswegs, gab weiter Vollgas und riss die Fans wieder mit. Bis zur Halbzeit änderte sich aber nichts an den Spielständen.
Nach dem Seitenwechsel das gleiche Bild. Spielrichtung: Tor von Udine. Der holländische Trainer hatte einen dritten Stürmer gebracht, um den Druck weiter zu erhöhen. Es wurde deutlich, dass die Südländer, obwohl dieses Spiel keine Bedeutung für sie hatte, mit dem Verlauf mehr als unzufrieden waren. Dieses entlud sich in gröber werdendem Spiel, was der gute tschechische Referee mit einigen Verwarnungskarten belohnte. Ungefähr um die 65. Minute sickerte durch, dass die Spurs den Anschlusstreffer geschafft hatten, was über die Anzeigetafelkurz danach bestätigt wurde. Hoffnung keimte auf – nun würde ein Treffer reichen. Der NEC spielte mittlerweile ‚Alles oder Nichts’.

Eine Viertelstunde vor Ende brandete in einigen Ecken des Stadions Jubel auf. Die Vermutung lag nah – und wurde umgehend über die Anzeigetafel bestätigt: In London war der Ausgleich gefallen. Nun überschlugen sich die Ereignisse. Genau in dem Moment, wo Grossteile des Publikums Ihren Blick von der Leinwand wieder auf das Spielgeschehen richteten, schlug der Ball im italienischen Gehäuse ein. Der Ball sah äußerst haltbar aus. Mir schien es, als ob der Udine-Schnapper selber zur Anzeigetafel geschaut hatte. Nun gab es kein Halten mehr und es folgte ein Tor-Pogo par Excellence! Die Fans des NEC purzelten alle nur so durcheinander. Der Torschütze war übrigens der zur zweiten Halbzeit eingewechselte Mann. Da spricht man wohl vom glücklichen Händchen des Trainers. Keine drei Zeigerumdrehungen später lag die Murmel zum zweiten Mal im Netz der Italiener und der Einzug in die K.O.-Runde war kaum noch zu nehmen. Der Rest war Schaulaufen und mit dem Schlusspfiff wurde gefeiert als hätte man grad die Champions League gewonnen. Sogar ein Feuerwerk hinter der Gegengeraden gab es zu sehen. Allerdings kann man auch durchaus sagen, dass der bisher größte Vereinserfolg geschafft war. Die Spieler liefen noch eine ausführliche Ehrenrunde und auch der Gästeanhang zeigte sich fair und spendete ausgiebig Beifall.

Ein geiles Spiel mit wirklich geiler Stimmung war zu Ende und machte Lust auf mehr. Der Rückweg über eine fast leere A57 (darf am Niederrhein eigentlich keiner mehr auf die Strasse, wenn es dunkel ist?) war schnell bewältigt und nach etwas mehr als einer Stunde war ich wieder in meinen vier Wänden. Als am nächsten Tag der HSV als Gegner aus dem Lostopf gezogen wurde, war mir sofort klar, dass ich versuchen würde auch für dieses Spiel Tickets zu bekommen. Also hoffentlich: Fortsetzung folgt!

Michael vorm Walde