02.04.2009
Wisla Krakau - Polonia Warschau
Ein Wochenendtrip in die polnische Stadt Krakau wurde natürlich dazu genutzt, auch in den Erstgenuss eines Spieles der polnischen 'Ekstraklasa' zu kommen. In Krakau sind zwei Vereine der höchsten Spielklasse beheimatet. Zum einen der gegen den Abstieg kämpfende KS (Klub Sportowy) Cracovia, zum anderen der TS (Towarzystwo Sportowe) Wisla. Die Vereine gelten als die beiden ältesten Fussballclubs Polens, gegründet im Jahre 1906. Zudem wurde Cracovia im Jahre 1921 erster polnischer Fussballmeister.
Wisla ist der wesentlich erfolgreichere Club. Allein seit 1999 konnte man sechs Mal den Gewinn der Meisterschaft erringen. Wisla ist amtierender Titelträger und auch in dieser Saison wieder mit guten Karten im Rennen um die Meister-Krone dabei.
An diesem Wochenende empfing Wisla das Team von Polonia Warschau, aktuell die Begegnung des Vierten gegen den Dritten, also durchaus eine Top-Begegnung. Polonia, ein Verein mit bewegter Geschichte, war in der letzten Saison noch Zweitligist und schloß diese nur als Siebter ab. Der Besitzer von Polonia kaufte jedoch die Lizenz des Erstligisten Dyskobolia Grodzisk und dadurch startete der Warschauer Club, der seit langem im Schatten des bekannteren Rivalen Legia steht, der ja erst kürzlich seine Visitenkarte an der Hafenstrasse abgab, in der aktuellen Saison in der Ekstraklasa, in der es erstaunlich gut für den Neuling läuft.
Das Stadion des TS Wisla liegt nur wenige hundert Meter entfernt von dem des Stadtrivalen Cracovia. Bis ins letzte Jahr hieß der Ground nur 'Wisla-Stadion' oder auch 'Stadion an der Reymonta-Strasse'. Erst dann erhielt die Spielstätte den Namen 'Henryk-Reyman-Stadion', benannt nach einem verdienten Wisla-Stürmer aus den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts.
Das Stadion befindet sich derzeit im Umbau, dessen Abschluss eigentlich bereits im letzten Jahr stattfinden sollte, nun aber für 2010 avisiert ist. Nach Beendigung des Umbaus steht ein schmuckes reines Fussballstadion mit vier einzelnen Tribünen, die Haupttribüne wird mit doppeltem Rang gebaut (ein Bild des Modells habe ich den Fotos hinzugefügt). Bemerkenswert ist, dass die Flutlichtmasten erhalten bleiben – heutzutage sicherlich nicht mehr selbstverständlich. Leider wird es sich um einen All-seater handeln. Die 'Versitzplatzung' hat längst auch in Osteuropa Einzug gehalten. Aktuell besteht der Ground nur aus drei Tribünen, so dass ich mich fast heimisch fühlen konnte. Momentan sind lediglich die beiden überdachten Hintertortribünen fertig gestellt. Die Gegengerade wurde abgerissen, dort ist man derzeit mit dem Fundament beschäftigt, und die Haupttribüne befindet sich unüberdacht in ursozialistischem Zustand. Das Fassungsvermögungen liegt derzeit bei knapp über 15.000. Die endgültige Kapazität soll 30.500 betragen.
Im Vorfeld hatte ich ein wenig Sorge, überhaupt Karten für das Spiel zu erhalten. Da Wisla in der Regel vor ca 14.000 Leuten spielt, hielt ich es für möglich, daß dieser wichtige Kick durchaus ein Sold-out bedeuten könnte. Einige polen-erfahrene Hopper deuteten an, daß man in Polen auf Emails wohl nicht so gern antwortet. Trotzdem zog ich zunächst diesen Weg einem Anruf-Versuch vor. Und siehe da – nach zwei Tagen bekam ich Antwort von einem Mitarbeiter des Ticket-Service, allerdings von dessen privater Mail-Addy, mit der Info, dass mir Tickets für eine der Hintertor-Tribünen zum Preis von 35 Zloty, etwa 7,50 Euro, hinterlegt würden. Scheinbar ein reiner Dienst der Freundlichkeit. Meine Vermutung, daß sich der Kamerad ein paar Zloty dazu verdienen wollte, war unberechtigt, wie ich bei der Abholung feststellen durfte. Der genannte Preis war auf der Karte aufgedruckt.
Das Spiel wollten letztlich nur 10.200 Zuschauer sehen, ziemlich enttäuschend für ein so wichtiges Top-Spiel. Allerdings präsentierte sich auch das Wetter recht bescheiden, so dass die alte unüberdachte Haupttribüne äußerst mäßig besucht war. Die Zahl der Zuschauer im direkt links neben mir befindlichen Gäste-Sektor war einfach zu bestimmen: Es waren exakt Null Anhänger der Warschauer Mannschaft zugegen! Möglicherweise waren auch keine Gäste-Fans zugelassen. Dieses kommt in der polnischen Liga bei Brisanzspielen vor. Allerdings verfügt Polonia Warschau weder über zahlreichen noch über besonders gewalttätigen Anhang. Jedoch pflegen die Polonia-Anhänger eine Freundschaft zum Wisla-Stadtrivalen Cracovia – vielleicht des Rätsels Lösung.
Zum Einlaufen der Teams präsentierte die Wisla-Kurve ein für mich nicht zu deutendes Spruchband und eine schmucke Choreografie, die das innere des Vereinswappens zeigte. Ein recht gelungener Einstand. Die Wisla-Elf übernahm sofort das Kommando und blieb über die gesamte erste Hälfte leicht überlegen mit dem wesentlich durchdachteren Angriffsspiel. Dieses mündete in der 26. Minute in den Führungstreffer. Die Stimmung im Stadion war zwar nicht abwechslungsreich aber trotzdem ansprechend. Es gab kaum Erholungsphasen des Fanblocks. Es war ständig irgendwo Bewegung zu erkennen und Gesang zu vernehmen. Auch ein Wechselgesang mit der anderen Hintertor-Tribüne, auf der ich mich befand, wurde des Öfteren praktiziert, vielleicht sogar ein wenig zu oft. In der Pause gönnte ich mir eine ‚leckere’ Krakauer – hier hat die ‚Fettpeitsche’ ihre Bezeichnung wirklich verdient – Alkohol wurde nicht ausgeschenkt.
Nach dem Pausentee zeigte das Gästeteam ein wenig mehr Initiative und wurde genauso zügig wie überraschend mit dem Ausgleich belohnt. Einen halbherzig geklärten Ball beförderte ein nachrückender Spieler gezielt ins linke untere Toreck. Das war es aber auch schon von den Gästen und Wisla übernahm wieder das Kommando. Eine Viertelstunde vor Schluss zeigte sich der Fussballgott dann gerecht und erlöste den Anhang der wesentlich aktiveren Mannschaft. Ein schöner Doppelpass im Strafraum wurde von Pawel Brozek, dem Schützen des ersten Tores und gleichzeitig dem Torjäger des Teams, mit einem Schlenzer ins linke obere Eck zum 2:1-Siegtreffer abgeschlossen.
Fazit: Fussball in Polen ist durchaus eine Reise wert. Geringere Zuschauerzahlen werden durch optische Schmankerl ausgeglichen. Derzeit befinden sich allerdings viele Stadion im Hinblick auf die EM 2012 noch im Bau. Wenn die diversen Um- und Neubauten fertig gestellt sind, werden die Zuschauerzahlen sicherlich steigen und Polen wird als Hopping-Ziel noch attraktiver.