Hoppingbericht Großbritannien Teil 1

Nordengland und AFC Sunderland vs. Wigan Athletic 4:2 (0:0)

Von der Erfüllung eines Jugendtraums


„Träume nicht Dein Leben, sondern lebe Deinen Traum!“ Nach diesem Motto zogen vier Fußballverrückte aus Essen aus um sich Ihren ganz persönlichen Traum zu erfüllen. Einmal wollte man Teil der englischen Fußballkultur sein und ein Spiel der Premier League, der höchsten englischen Spielklasse, sehen. Dieser Plan scheiterte oft an den üblichen Problemen: Die fehlende Zeit, das fehlende Geld oder der fehlende Entscheidungswille.

Doch nachdem man von seinen Freunden so oft für seine Pläne belächelt wurde musste jetzt einfach ein endgültiger Beschluss gefasst werden. Die Ostertage 2011 sollten aufgrund einer Berufsentscheidung eines Mitfahrers der einzige mögliche Termin sein, um diesen Traum doch noch zeitnah zu verwirklichen. Nach einigen Überlegungen legten wir uns auf Newcastle als Ziel fest, und zwar aus mehreren Gründen. Dorthin gab es eine direkte Fährverbindung von Amsterdam aus und dies gab jedem die Gelegenheit, diese Fahrt mit einer Party an Deck zu zelebrieren. Zudem wollten wir uns dem Großstadtgetümmel etwas entziehen und ein wenig Land und Leute kennenlernen. Denn Newcastle liegt in der Nähe zur schottischen „Grenze“ und nur anderthalb Stunden Zugfahrt von der Stadt Edinburgh entfernt, die als einer der schönsten Metropolen Nordeuropas galt. Die Verbindung zwischen Fußball- und Landeskultur reizte uns einfach mehr als der Charme der Metropole Londons, wobei es uns sicherlich auch irgendwann dorthin verschlagen wird. Schnell noch den Spielplan überprüft, der leider vorsah, dass am Osterwochenende Newcastle United, der legendäre Verein des Nordosten Englands, beim FC Blackpool ran musste. Allerdings spielte der AFC Sunderland, dessen Stadion nur zwanzig Minuten Zugfahrt von Newcastle entfernt lag, ein wichtiges Spiel gegen Wigan Athletic, bei dem es um den puren Kampf gegen den Abstieg ging.

Vor unserer Tour galt es aber, einige Stoßgebete zum Himmel zu schicken, dass wir auch den Abschluss einer geilen rot-weißen Saison miterleben können. Und unsere Gebete wurde erhöht, die Mannschaft schaffte das „Wunder von der Hafenstraße“ in Siegen und so konnten wir es gerade noch so verschmerzen, dass wir am Ostermontag das Heimspiel gegen Wegberg-Beeck verpassen würden. Zudem machte eine solche Fahrt mit dem Aufstieg seines eigenen Teams einfach mehr Spaß. So traf sich die Gruppe Fußballverrückter am Morgen des Karfreitags an einer U-Bahn-Station im Essener Westen, um zu einem großen Abenteuer aufzubrechen. Vom Mülheim Hauptbahnhof sollte es über die Umsteigebahnhöfe Viersen, Venlo und Eindhoven nach Amsterdam gehen. Für ca. 24 Euro und ca. 3 ½ Stunden ist die Fahrt in die niederländische Hauptstadt noch finanziell und auch zeitlich erträglich. Eigentlich gefiel uns Amsterdam schon so sehr gut, vor allem bei strahlendem Sonnenschein und einem Bierchen an den Grachten kann man hier die Seele einfach baumeln lassen. Urlaubsfeeling pur, aber von unserem Ziel waren wir noch etwa 20 Stunden entfernt.

Nachdem wir uns mit dem Nötigsten für die Überfahrt eingedeckt hatten machten wir uns auf dem Weg zum Bus, der uns zum Fährhafen nach IJmuiden bringen sollte. Wahrscheinlich kennt das jeder von uns: Egal wo man sich auf der Welt aufhält, trifft man irgendjemanden, der aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft kommt und wahrscheinlich noch dasselbe Ziel hat. Und tatsächlich begegneten wir mitten in der Schlange einen RWE-Fan und einen BVB-Fan, die eine Fußballreise nach Sunderland gebucht hatten. Unglaublich, aber wahr. Zunächst galt es aber, eine angeblich halbstündige Fahrt nach IJmuiden für stolze 10 Euro zu überstehen. Im Internet gäbe es diese Fahrt angeblich billiger zu buchen, aber dazu hatten wir auf der Homepage nichts gefunden. Nachdem der Busfahrer auch nicht in der Lage war, einen holländischen Trecker zu überholen, zog sich die Fahrt auch über eine Stunde hin. Das erste kleinere Negativerlebnis der Fahrt, welches aber nicht weiter schlimm war. Vor dem Einchecken auf der Fähre verabredeten wir uns noch mit unseren Fußballfreunden ein gemeinsames Bierchen an der Bar einzunehmen.

Die Überfahrt nach Newcastle dauerte 16 Stunden und dies kann eine lange Zeit sein. Vorbei an unzähligen Windparks erzählten wir uns gemeinsame Fußballgeschichten an Deck, während die Sonne allmählich unterging. Hier gilt ein besonderer Dank an die beiden Jungs aus Essen und Dortmund. Die Geschichte über ein bestelltes Trikot des Ostvereins Stahl Brandenburg mit anschließender Einladung des Vereinsvorsitzenden, Führung durch die Spielerkabine und Erhebung zu Ehrenmitgliedern war mit das Witzigste, was ich je in Zusammenhang mit Fußballhopping gehört habe. Einfach grandioses Kino! An Deck wurde es immer kälter und so verzog man sich in eine Bar im Schiffsbauch, wo bis in den nächsten Tag hinein gefeiert wurde.

Der Morgen danach war dafür umso härter, aber eine Dusche in der Kabine kann ein Wunder bewirken. Wer übrigens so eine Überfahrt planen sollte ist gut beraten, sich im Vorfeld um Verpflegung zu kümmern. An Deck sind die Preise trotz eines guten Überfahrtsangebots (55 Euro pro Person für eine Kabine mit Meeresblick) schweineteuer. Wir verzichteten daher ein Frühstück an Bord und beschlossen, an Land zu essen. Nachdem wir schon die Klippen der englischen Küste sehen konnten legte das Schiff pünktlich um 9 Uhr Ortszeit an. Wieder in einen Bus gestiegen ging es innerhalb von 30 Minuten zum Hauptbahnhof von Newcastle. Die Stadt wirkte auf den ersten Blick wie eine typische britische Hafenstadt, etwas anrüchig und an allen möglichen Ecken zugebaut. Doch dann sahen wir sie von weitem, eine Kathedrale, welche über die ganze Stadt thront und unseren Atem raubte. Der "St. James Park", die legendäre Spielstätte von Newcastle United, überragte ähnlich wie der Betzenberg in Kaiserslautern die gesamte Stadt. Auch wenn dort an diesem Wochenende kein Spiel stattfinden sollte stand für uns fest: Da wollen wir unbedingt hin! Zum Glück lag das Stadion unweit von unserem Hotel, dem „Holiday Inn“, so dass wir nach dem Hinterlegen unserer Sachen und einem typischen englischen Frühstück, welches mir fast meine Magenschleimhaut zersetzte, uns zum St. James Park aufmachen konnten.

Da der Zug uns um ca. 13 Uhr Richtung Sunderland bringen sollte, wollten wir eigentlich nur einmal um das Stadion herum und vielleicht einen kleinen Blick in das Innere werfen. Doch schon hatte der "St. James Park" uns in seinen Bann und wir besuchten zunächst den Fanshop, der über 2 Etagen keine Wünsche eines Newcastle United Fans offen lassen sollte. Doch von außen konnte man an keiner Stelle in das Stadion hineinsehen, die Stadiontore ließen nicht nur den kleinsten Sonnenschein durch. Also kam einer von uns auf die glorreiche Idee, bei der Stadionsicherheit unter der Haupttribüne zu fragen, ob es nicht doch möglich wäre, kurz in das Innere des Stadions zu schauen. Man verwies uns in einen Seitentrakt des Stadions, wo wir über einen Fahrstuhl in das Museum des Vereins gelangten. Es begann eine unglaubliche Reise in die Tradition eines englischen Vorzeigeclubs. Zur jeder Epoche des Vereins waren in mühevoller Arbeit Zeitungsartikel, Urkunden, Pokale, Fotos und Spielutensilien zusammen getragen worden und in Vitrinen ausgestellt. Nach einer kurzen Wartezeit trafen wir auf zwei Mitarbeiter des Clubs, die uns mitteilten, dass die Stadiontour schon vor 20 Minuten begonnen hatte. Mittlerweile hatten sich zwei United-Fans zu uns gesellt, die extra aus Glasgow für einen Rundgang durch das Stadion angereist waren. Wir einigten uns mit ihnen, für die Hälfte des ursprünglichen Preises (5 statt 10 Pfund) die schon besuchten Stellen des Stadions kurz abzugehen und uns dann in die eigentliche Gruppe zu begeben.

Nach dieser Tour würde jeder von uns sagen können, dass wir das Geschäft unseres Lebens gemacht haben. Einer der Mitarbeiter führte uns in die oberste siebte Etage des Stadions. Bei diesem Anblick stockte uns noch mehr der Atem als bei dem Ansicht des Stadions von außen. Die Haupttribüne und die beiden Seitentribüne wurden irgendwann aufgestockt und wirkten mehr als doppelt so hoch wie das alte Stadion, dessen Abgrenzung wir an der Höhe der Gegengerade erkennen konnten. Dadurch bot sich ein fantastischer Blick über die Innenstadt von Newcastle, deren Dächer durch die optische Täuschung als ein Teil des Stadions auf uns wirkten. Von dieser Ebene ging es direkt auf die unteren Ebenen, wo wir zunächst Einlass auf den Pressebereich erhielten und dann die Ehrentribüne betraten. Hier wurden wir zum ersten Mal mit dem Mythos Bobby Robson konfrontiert, der wie ein allgegenwärtiger Geist in dem Stadion schwebte. Der 2009 verstorbene ehemalige englische Nationaltrainer gilt als die Ikone von Newcastle United, welcher den Verein 2002 bis in die Champions League führte. Sein Raum, wo er sich nach seiner Zeit als Trainer aufhielt um die Spiele der „Magpies“ zu sehen, und sein Sitz im Stadion sind erhalten geblieben und für die Besucher besonders gekennzeichnet. Wir verließen den Seitentrakt und gelangten über den Eingang zum Haupttrakt in die heiligen Hallen des Stadions, die sonst nur die Spieler und Verantwortlichen des Vereins betreten dürfen. Zunächst führte uns eine Mitarbeiterin in die alte Spielerkabine von United, die von Spieler- und Trainerlegende so angelegt war, dass die Spieler nur das Nötigste mit in die Kabine nehmen durften. Neben einer schlichten Sitzbank gab es nur ein Schuhfach über den Sitzen. Keegan wollte so den Mannschaftsgeist durch das enge Beieinander schüren und hatte in seiner Ära auch großen Erfolg damit. Heute müssen sich die gegnerischen Teams mit den Gegebenheiten der alten Kabine zurechtfinden, was wohl nicht immer auf viel Gegenliebe stößt. Die neue United-Kabine, die wir anschließend besuchten, beinhaltet hingegen jedweden Luxus eines modernen Fußballstadions: Massagebank, Sitzkissen aus Leder, Entmüdungsbecken usw. Sofort viel uns auch das Trikot eines ehemaligen Bekannten aus der Bundesliga auf. Peter Lovenkrands, ehemals Herne-Ost, schnürt jetzt die Schuhe von Newcastle United und spielt eine recht erfolgreiche Saison in der Premier League. Eigentlich klar, dass ein Spieler aus GE für die englische Partnerstadt antritt. Die Essener Partnerstadt, Sunderland, wurde übrigens bei jeder Gelegenheit geringgeschätzt. Hier fühlten wir uns doch sehr stark an die Rivalität von RWE und Herne-Ost erinnert und fanden es irgendwie witzig, dass zwischen beiden Partnerstädten auch eine sehr starke Abneigung zu spüren war.

Abschließend durften wir noch durch den Spielertunnel zum heiligen Rasen durchqueren. Typisch britisch wurde an dem Rasen gerade schwer gearbeitet, schon vor dem Beginn der Führung wurde fleißig gemäht und nach anderthalb Stunden waren die Helfer immer noch nicht fertig. Es ergab sich ein Plausch mit unseren schottischen Mitreisenden. Diese konnten allerdings nicht verstehen, warum wir als Deutsche Manchester United gegen unseren Erzrivalen in der Champions League die Daumen drückten. Als wir dann in einem eher mittelmäßigen Englisch erklärten, dass „Schalke is for us like Sunderland for you“, war ihnen alles klar. Die erste Völkerverständigung hatte nach anfänglichen Schwierigkeiten doch geklappt. Nach der Besichtigung der Trainerbank, einem Gang um das Spielfeld zur Gegengerade und abschließenden Fotos verließen wir etwas wehmütig und mit schlechtem Gewissen den St. James Park zum Rivalen AFC Sunderland.

Der Hauptbahnhof war von dem Stadion nicht weit weg und hatte den Charme eines alten Miss Marple Films. Dort trafen wir tatsächlich einige wenige Fans, die sich von Newcastle im Sunderland-Trikot völlig unaufgeregt in die Stadt des Rivalen begaben. Von einem Fan erhielten wir noch letzte Informationen bezüglich der Lage des Stadions und die Versorgung von Karten. Passend dazu begann es zu regnen, aber er versicherte uns, dass dies zum ersten Mal seit Wochen auf der Insel der Fall gewesen wäre. Kurz vor der Ankunft am Bahnhof sahen wir es schon, dass „Stadium of Light“ mit 49.000 Plätze. Es ist kaum nachvollziehbar, dass in fast jeder englischen Großstadt ein fantastisches Stadion steht. Das Stadion wirkte von außen nicht so beeindruckend wie der „St. James Park“ in Newcastle, allerdings wurde es ähnlich wie in Nou Camp/Barcelona in den Boden hinein gebaut. Nach der Ankunft im Bahnhof mussten wir nur ein paar Schritte zurück laufen und den Fluss Wear überqueren um zum „Stadium of Light“ zu gelangen. Hier viel uns schon auf, warum es zu einer Partnerschaft zwischen Essen und Sunderland kam. Ähnlich wie in Essen wurde in Sunderland jahrelang Kohle abgebaut. Die letzte Zeche schloss allerdings acht Jahre nach der Zeche Zollverein in Essen, auch Sunderland war gezwungen, einen Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsstadt zu vollziehen. Mittlerweile ist Sunderland ein Zentrum für viele Callcenter geworden. Sunderland ist ebenso wie Essen ein Ziel von Bombenangriffen im zweiten Weltkrieg geworden und daher existieren vor allem Nachkriegsbauten in der Innenstadt.

Eines ist allerdings in Sunderland wesentlich erfolgreicher als in Essen: Der Fußball. Nach einigen Aufenthalten in der zweiten englischen Liga ist der Verein ein fester Bestandteil der Premier League geworden und hat sich im Mittelfeld festgesetzt. Allerdings hatten sich die „Black Cats“ durch vier Niederlagen in Folge selbst in Schwierigkeiten gebracht und steckten am Rande des Abstiegskampfes fest. Unser Informant aus dem Zug seufzte laut auf, als er über die Niederlage in Birmingham sprach, da er viele Kilometer für ein „very bad game“ zurück gelegt hatte. Das kam einem als RWE-Fan irgendwie alles bekannt vor. Für Wigan war ein Sieg so wichtig wie die Luft zu atmen, da sich der Verein auf einem Abstiegsplatz befand. Für Spannung sollte also gesorgt sein. Vor dem Stadion aßen wir noch einen Cheeseburger, die an jeder Stelle um das Stadion gebraten wurden. Nicht gerade besonders gesund, aber lecker. Um das Stadion herum kreisten die Möven, und dies hunderte Kilometer weit weg vom Rhein-Herne-Kanal. Es schien so, als ob die gesamte Stadt für das Spiel auf den Beinen wäre. Deshalb wollten wir uns schnell die Karten sicher, auch wenn unser Informant sagte, dass das Spiel gegen Wigan jetzt nicht so der Straßenfeger wäre. Wir suchten an den Eingängen einen Ticketschalter, aber vergebens. Auch die Suche um das Stadion blieb ergebnislos. Schließlich wurden wir nach langem Nachfragen fündig, es gibt tatsächlich nur ein zentrales Ticketcenter an den englischen Stadien. Also stellten wir uns in die lange Schlange an und fragten die Verkäufer, wo denn der Stimmungsblock im Stadion sei. „Everywhere“ war jetzt keine befriedigende Antwort, aber dann konnten wir wenigstens nicht so viel falsch machen. Für 28 Pfund erhielten wir Karten hinter dem Tor direkt am Spielfeld, dieser Preis war für die Premier League mehr als okay, dass es etwas teurer wurde war jedem von uns klar.

Beim Eintritt in das Stadion verwechselten wir erst einmal die Blöcke, aber das war nun auch egal. Wir waren der Erfüllung unseres Traums sehr nahe gekommen und waren sehr gespannt, wie die Stimmung im Unterschied zu den deutschen Stadien sein wird. Den ersten Unterschied bemerkten wir sofort: An jeder Ecke gab es Wettbüros und Fernseher, bei denen die Wettscheine hochgehalten und die Ergebnisse auf den anderen Plätzen genau verfolgt wurden. Schnell tranken wir noch ein Bier vor dem Eintritt auf die Ränge, da dort striktes Alkoholverbot herrschte. Auch wenn es nur noch ca. eine halbe Stunde vor dem Anpfiff war, das Stadion war nur halb gefüllt. Aber auch dies ist normal für englische Stadien. Zunächst aber fiel auf, dass nahezu jeder männlicher Besucher mindestens ein Tattoo auf seinem Körper zierte. Mein Vater hätte auf seiner typischen Art des Ruhrpotts wohl gesagt, dass hier „tausend Jahre Knast“ im Stadion herumliefen. Auch die Besucher, die sich direkt vor uns setzen, konnten man dieser Kategorie getrost zuordnen. So saßen wir mit einem mulmigen Gefühl auf der Tribüne, aber voller Spannung auf den Anpfiff. Vor dem Spiel wurde auf viel Show verzichtet, es lief etwas Musik und ein wenig Werbung auf einer Anzeigentafel, die stark an die Tafeln bei „Bundesliga Manager Hattrick“ erinnerten. Nur eine Blockfahne wurde durch das Stadion getragen, sonst blieb es weites gehend ruhig.

Zum Spiel in Halbzeit eins gab es kaum etwas zu berichten. Einen Stimmungsblock gab es tatsächlich nicht, allerdings war die Ecke links von uns neben den Block der Auswärtsfans etwas aktiver als der Rest des Stadions. Von den Wigan Fans sind tatsächlich nur wenige mitgereist, diese waren aber deutlich hörbar. Die Stimmung war schlichtweg anders als in Deutschland. Es wird nicht das ganze Spiel durchgesungen, die Stimmung ist deutlicher auf die Spielsituationen bezogen. Bei einem Foul an der Seitenlinie oder einer klaren Torchance geht allerdings die Post ab. Dann wird gebrüllt, geschrien und gejubelt was das Zeug hält. Wenn einmal etwas angesungen wird, egal aus welcher Ecke des Stadions, zieht der Rest immer mit. Nur den explosiven Torjubel, den wir aus England kennen und auf den wir so heiß waren, hörten wir nicht. Die Horrorgeschichten, die wir über die schlechte Stimmungslage bei den großen englischen Vereinen hörten, können wir für Sunderland nicht bestätigen. Im Spiel selbst traten zwei nervöse Mannschaften aufeinander, die keinen entscheidenden Fehler machen wollten. Der Spielfluss wurde zudem von zwei schweren Verletzungen auf Seiten der Gastgeber unterbrochen, für Abwehrspieler Philipp Bardsley und Stürmer Danny Welbeck war die Partie nach 10 bzw. 25 Minuten schon beendet. Torchancen blieben Mangelware, und die englischen Torhüter blieben ihrem Ruf treu. Bei jeder Aktion auf das Tor wackelten beide Keeper gehörig, allerdings gab es keine schwerwiegenden Folgen.

Enttäuscht von der ersten Halbzeit konnten wir nur hoffen, dass es nach dem Wiederanpfiff deutlich besser werden würde. Vor allem die Stars Asamoah Gyan aus Ghana und der Newcomer Jordan Henderson, der mittlerweile zur neuen Saison zum großen FC Liverpool gewechselt ist, blieben bislang blass. Doch die zweite Halbzeit sollte für deutlich mehr Spannung sorgen, aber anders als für die Anhänger von Sunderland gedacht. Ein Hammer von dem Franzosen Mohamed Diame eröffnete das Tore schießen. Aus zwanzig Meter knallte er in der 52. Minute zur Freude der Gästefans das Ding so unter die Latte, das jetzt noch das Tor zittert. In diesem Moment steckte Sunderland richtig tief im Abstiegssumpf. Unter einigen Pfiffen antwortete nur drei Minute Asamoah Gyan mit den Schuss zum Ausgleich. Wir hatten unseren legendären Torjubel, und er war genauso wie wir uns ihn vorstellten: Emotional, mitreißend, explosiv. Schnell waren wir ein Teil der Sunderlandfans. Mit uns wurde abgeklatscht, wir wurden umarmt und in einem sehr unverständlichen Dialekt Dinge gefragt, die wir einfach nicht verstehen konnten. Allerdings richteten wir mehr unsere Augen aus Spielfeld, denn jetzt begann die Show von Jordan Henderson. Mit einem Solo ließ er vier Gegenspieler von Wigan stehen und vollendete seinen Lauf mit dem 2:1 für Sunderland. Es gab kein Halten mehr, und die „Black Cats“ waren nicht satt. Nach einem rüden Foul gab es Elfmeter für den AFC, Stéphane Sessegnon tritt an – 3:1. Sunderland hatten sich so eben wieder in das sichere Mittelfeld geschossen. Mittlerweile war allerdings Asamoah Gyan mit einem Muskelfaserriss als dritter Spieler verletzt ausgeschieden. Das konnte aber Jordan Henderson nicht stoppen. Ganz frei auf der rechten Angriffsseite setzte er sich durch, nur eines fehlte: Die Flanke seines Mitspielers, der ihn überhaupt nicht gesehen hatte. Das ganze Stadion schrie, da bemerkte er Henderson auch, der noch rechtzeitig zum 4:1 einnetzen konnte. Die Partie im Stadion konnte beginnen, selbst das Abstaubertor von Franco Di Santo von Wigan Athletic tat der guten Stimmung keinen Abbruch. Besser hätte der Fußballnachmittag für uns gar nicht laufen können, das Erlebnis war einfach überwältigend.

Die Zuschauer verließen sehr schnell das Stadion, eine traditionelle Verabschiedung von den Spielern gab es nicht. Wir reisten sehr zügig nach Newcastle zurück, um dort noch etwas von der Stadt zu sehen. Dort wurde gerade der Junggesellenabschied der künftigen Prinzessin Kate Middelton von den Frauen der Stadt gefeiert. Wer denkt, dass britische Frauen nur im Urlaub schlecht gekleidet herum liefen, der irrte sich gewaltig. Die ganze Stadt schien in einem Rausch zu sein, an jeder Ecke roch es nach Alkohol. Da die Pubs recht früh schließen hatten wir dort die große Party verpasst. Nach einem Essen beim Italiener (vom englischen Essen hatten wir nach dem Frühstück erst einmal genug) sahen wir uns etwas die Stadt an, die aber kaum Sehenswürdigkeiten beinhaltete. Die legendäre Tyne-Bridge und die Konzerthalle „The Sage“ waren ganz ansehnlich, aber touristisch ist die Stadt nicht unbedingt empfehlenswert. Nach einem Spaziergang am Flussufer entschieden wir uns auf unser Hotel zu gehen und früh zu schlafen. Denn wir wollten ja früh nach Edinburgh aufbrechen, um dort mehr von der Insel sehen zu können. In Erinnerung bleibt ein unvergessliches Erlebnis, was jetzt schon alle Mühen wert war.

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