Hoppingbericht Großbritannien Teil 1
Nordengland und AFC Sunderland vs. Wigan Athletic 4:2 (0:0)
Von der Erfüllung eines Jugendtraums
„Träume nicht Dein Leben, sondern lebe Deinen Traum!“ Nach diesem Motto
zogen vier Fußballverrückte aus Essen aus um sich Ihren ganz
persönlichen Traum zu erfüllen. Einmal wollte man Teil der englischen
Fußballkultur sein und ein Spiel der Premier League, der höchsten
englischen Spielklasse, sehen. Dieser Plan scheiterte oft an den
üblichen Problemen: Die fehlende Zeit, das fehlende Geld oder der
fehlende Entscheidungswille.
Doch nachdem man von seinen Freunden so oft
für seine Pläne belächelt wurde musste jetzt einfach ein endgültiger
Beschluss gefasst werden. Die Ostertage 2011 sollten aufgrund einer
Berufsentscheidung eines Mitfahrers der einzige mögliche Termin sein, um
diesen Traum doch noch zeitnah zu verwirklichen. Nach einigen
Überlegungen legten wir uns auf Newcastle als Ziel fest, und zwar aus
mehreren Gründen. Dorthin gab es eine direkte Fährverbindung von
Amsterdam aus und dies gab jedem die Gelegenheit, diese Fahrt mit einer
Party an Deck zu zelebrieren. Zudem wollten wir uns dem
Großstadtgetümmel etwas entziehen und ein wenig Land und Leute
kennenlernen. Denn Newcastle liegt in der Nähe zur schottischen „Grenze“
und nur anderthalb Stunden Zugfahrt von der Stadt Edinburgh entfernt,
die als einer der schönsten Metropolen Nordeuropas galt. Die Verbindung
zwischen Fußball- und Landeskultur reizte uns einfach mehr als der
Charme der Metropole Londons, wobei es uns sicherlich auch irgendwann
dorthin verschlagen wird. Schnell noch den Spielplan überprüft, der
leider vorsah, dass am Osterwochenende Newcastle United, der legendäre
Verein des Nordosten Englands, beim FC Blackpool ran musste. Allerdings
spielte der AFC Sunderland, dessen Stadion nur zwanzig Minuten Zugfahrt
von Newcastle entfernt lag, ein wichtiges Spiel gegen Wigan Athletic,
bei dem es um den puren Kampf gegen den Abstieg ging.
Vor unserer Tour galt es aber, einige Stoßgebete zum Himmel zu schicken,
dass wir auch den Abschluss einer geilen rot-weißen Saison miterleben
können. Und unsere Gebete wurde erhöht, die Mannschaft schaffte das
„Wunder von der Hafenstraße“ in Siegen und so konnten wir es gerade noch
so verschmerzen, dass wir am Ostermontag das Heimspiel gegen
Wegberg-Beeck verpassen würden. Zudem machte eine solche Fahrt mit dem
Aufstieg seines eigenen Teams einfach mehr Spaß. So traf sich die Gruppe
Fußballverrückter am Morgen des Karfreitags an einer U-Bahn-Station im
Essener Westen, um zu einem großen Abenteuer aufzubrechen. Vom Mülheim
Hauptbahnhof sollte es über die Umsteigebahnhöfe Viersen, Venlo und
Eindhoven nach Amsterdam gehen. Für ca. 24 Euro und ca. 3 ½ Stunden ist
die Fahrt in die niederländische Hauptstadt noch finanziell und auch
zeitlich erträglich. Eigentlich gefiel uns Amsterdam schon so sehr gut,
vor allem bei strahlendem Sonnenschein und einem Bierchen an den
Grachten kann man hier die Seele einfach baumeln lassen. Urlaubsfeeling
pur, aber von unserem Ziel waren wir noch etwa 20 Stunden entfernt.
Nachdem wir uns mit dem Nötigsten für die Überfahrt eingedeckt hatten
machten wir uns auf dem Weg zum Bus, der uns zum Fährhafen nach IJmuiden
bringen sollte. Wahrscheinlich kennt das jeder von uns: Egal wo man
sich auf der Welt aufhält, trifft man irgendjemanden, der aus seiner
unmittelbaren Nachbarschaft kommt und wahrscheinlich noch dasselbe Ziel
hat. Und tatsächlich begegneten wir mitten in der Schlange einen RWE-Fan
und einen BVB-Fan, die eine Fußballreise nach Sunderland gebucht
hatten. Unglaublich, aber wahr. Zunächst galt es aber, eine angeblich
halbstündige Fahrt nach IJmuiden für stolze 10 Euro zu überstehen. Im
Internet gäbe es diese Fahrt angeblich billiger zu buchen, aber dazu
hatten wir auf der Homepage nichts gefunden. Nachdem der Busfahrer auch
nicht in der Lage war, einen holländischen Trecker zu überholen, zog
sich die Fahrt auch über eine Stunde hin. Das erste kleinere
Negativerlebnis der Fahrt, welches aber nicht weiter schlimm war. Vor
dem Einchecken auf der Fähre verabredeten wir uns noch mit unseren
Fußballfreunden ein gemeinsames Bierchen an der Bar einzunehmen.
Die Überfahrt nach Newcastle dauerte 16 Stunden und dies kann eine lange
Zeit sein. Vorbei an unzähligen Windparks erzählten wir uns gemeinsame
Fußballgeschichten an Deck, während die Sonne allmählich unterging. Hier
gilt ein besonderer Dank an die beiden Jungs aus Essen und Dortmund.
Die Geschichte über ein bestelltes Trikot des Ostvereins Stahl
Brandenburg mit anschließender Einladung des Vereinsvorsitzenden,
Führung durch die Spielerkabine und Erhebung zu Ehrenmitgliedern war mit
das Witzigste, was ich je in Zusammenhang mit Fußballhopping gehört
habe. Einfach grandioses Kino! An Deck wurde es immer kälter und so
verzog man sich in eine Bar im Schiffsbauch, wo bis in den nächsten Tag
hinein gefeiert wurde.
Der Morgen danach war dafür umso härter, aber eine Dusche in der Kabine
kann ein Wunder bewirken. Wer übrigens so eine Überfahrt planen sollte
ist gut beraten, sich im Vorfeld um Verpflegung zu kümmern. An Deck sind
die Preise trotz eines guten Überfahrtsangebots (55 Euro pro Person für
eine Kabine mit Meeresblick) schweineteuer. Wir verzichteten daher ein
Frühstück an Bord und beschlossen, an Land zu essen. Nachdem wir schon
die Klippen der englischen Küste sehen konnten legte das Schiff
pünktlich um 9 Uhr Ortszeit an. Wieder in einen Bus gestiegen ging es
innerhalb von 30 Minuten zum Hauptbahnhof von Newcastle. Die Stadt
wirkte auf den ersten Blick wie eine typische britische Hafenstadt,
etwas anrüchig und an allen möglichen Ecken zugebaut. Doch dann sahen
wir sie von weitem, eine Kathedrale, welche über die ganze Stadt thront
und unseren Atem raubte. Der "St. James Park", die legendäre Spielstätte
von Newcastle United, überragte ähnlich wie der Betzenberg in
Kaiserslautern die gesamte Stadt. Auch wenn dort an diesem Wochenende
kein Spiel stattfinden sollte stand für uns fest: Da wollen wir
unbedingt hin! Zum Glück lag das Stadion unweit von unserem Hotel, dem
„Holiday Inn“, so dass wir nach dem Hinterlegen unserer Sachen und einem
typischen englischen Frühstück, welches mir fast meine Magenschleimhaut
zersetzte, uns zum St. James Park aufmachen konnten.
Da der Zug uns um ca. 13 Uhr Richtung Sunderland bringen sollte, wollten
wir eigentlich nur einmal um das Stadion herum und vielleicht einen
kleinen Blick in das Innere werfen. Doch schon hatte der "St. James
Park" uns in seinen Bann und wir besuchten zunächst den Fanshop, der
über 2 Etagen keine Wünsche eines Newcastle United Fans offen lassen
sollte. Doch von außen konnte man an keiner Stelle in das Stadion
hineinsehen, die Stadiontore ließen nicht nur den kleinsten Sonnenschein
durch. Also kam einer von uns auf die glorreiche Idee, bei der
Stadionsicherheit unter der Haupttribüne zu fragen, ob es nicht doch
möglich wäre, kurz in das Innere des Stadions zu schauen. Man verwies
uns in einen Seitentrakt des Stadions, wo wir über einen Fahrstuhl in
das Museum des Vereins gelangten. Es begann eine unglaubliche Reise in
die Tradition eines englischen Vorzeigeclubs. Zur jeder Epoche des
Vereins waren in mühevoller Arbeit Zeitungsartikel, Urkunden, Pokale,
Fotos und Spielutensilien zusammen getragen worden und in Vitrinen
ausgestellt. Nach einer kurzen Wartezeit trafen wir auf zwei Mitarbeiter
des Clubs, die uns mitteilten, dass die Stadiontour schon vor 20
Minuten begonnen hatte. Mittlerweile hatten sich zwei United-Fans zu uns
gesellt, die extra aus Glasgow für einen Rundgang durch das Stadion
angereist waren. Wir einigten uns mit ihnen, für die Hälfte des
ursprünglichen Preises (5 statt 10 Pfund) die schon besuchten Stellen
des Stadions kurz abzugehen und uns dann in die eigentliche Gruppe zu
begeben.
Nach dieser Tour würde jeder von uns sagen können, dass wir das Geschäft
unseres Lebens gemacht haben. Einer der Mitarbeiter führte uns in die
oberste siebte Etage des Stadions. Bei diesem Anblick stockte uns noch
mehr der Atem als bei dem Ansicht des Stadions von außen. Die
Haupttribüne und die beiden Seitentribüne wurden irgendwann aufgestockt
und wirkten mehr als doppelt so hoch wie das alte Stadion, dessen
Abgrenzung wir an der Höhe der Gegengerade erkennen konnten. Dadurch bot
sich ein fantastischer Blick über die Innenstadt von Newcastle, deren
Dächer durch die optische Täuschung als ein Teil des Stadions auf uns
wirkten. Von dieser Ebene ging es direkt auf die unteren Ebenen, wo wir
zunächst Einlass auf den Pressebereich erhielten und dann die
Ehrentribüne betraten. Hier wurden wir zum ersten Mal mit dem Mythos
Bobby Robson konfrontiert, der wie ein allgegenwärtiger Geist in dem
Stadion schwebte. Der 2009 verstorbene ehemalige englische
Nationaltrainer gilt als die Ikone von Newcastle United, welcher den
Verein 2002 bis in die Champions League führte. Sein Raum, wo er sich
nach seiner Zeit als Trainer aufhielt um die Spiele der „Magpies“ zu
sehen, und sein Sitz im Stadion sind erhalten geblieben und für die
Besucher besonders gekennzeichnet. Wir verließen den Seitentrakt und
gelangten über den Eingang zum Haupttrakt in die heiligen Hallen des
Stadions, die sonst nur die Spieler und Verantwortlichen des Vereins
betreten dürfen. Zunächst führte uns eine Mitarbeiterin in die alte
Spielerkabine von United, die von Spieler- und Trainerlegende so
angelegt war, dass die Spieler nur das Nötigste mit in die Kabine nehmen
durften. Neben einer schlichten Sitzbank gab es nur ein Schuhfach über
den Sitzen. Keegan wollte so den Mannschaftsgeist durch das enge
Beieinander schüren und hatte in seiner Ära auch großen Erfolg damit.
Heute müssen sich die gegnerischen Teams mit den Gegebenheiten der alten
Kabine zurechtfinden, was wohl nicht immer auf viel Gegenliebe stößt.
Die neue United-Kabine, die wir anschließend besuchten, beinhaltet
hingegen jedweden Luxus eines modernen Fußballstadions: Massagebank,
Sitzkissen aus Leder, Entmüdungsbecken usw. Sofort viel uns auch das
Trikot eines ehemaligen Bekannten aus der Bundesliga auf. Peter
Lovenkrands, ehemals Herne-Ost, schnürt jetzt die Schuhe von Newcastle
United und spielt eine recht erfolgreiche Saison in der Premier League.
Eigentlich klar, dass ein Spieler aus GE für die englische Partnerstadt
antritt. Die Essener Partnerstadt, Sunderland, wurde übrigens bei jeder
Gelegenheit geringgeschätzt. Hier fühlten wir uns doch sehr stark an die
Rivalität von RWE und Herne-Ost erinnert und fanden es irgendwie
witzig, dass zwischen beiden Partnerstädten auch eine sehr starke
Abneigung zu spüren war.
Abschließend durften wir noch durch den Spielertunnel zum heiligen Rasen
durchqueren. Typisch britisch wurde an dem Rasen gerade schwer
gearbeitet, schon vor dem Beginn der Führung wurde fleißig gemäht und
nach anderthalb Stunden waren die Helfer immer noch nicht fertig. Es
ergab sich ein Plausch mit unseren schottischen Mitreisenden. Diese
konnten allerdings nicht verstehen, warum wir als Deutsche Manchester
United gegen unseren Erzrivalen in der Champions League die Daumen
drückten. Als wir dann in einem eher mittelmäßigen Englisch erklärten,
dass „Schalke is for us like Sunderland for you“, war ihnen alles klar.
Die erste Völkerverständigung hatte nach anfänglichen Schwierigkeiten
doch geklappt. Nach der Besichtigung der Trainerbank, einem Gang um das
Spielfeld zur Gegengerade und abschließenden Fotos verließen wir etwas
wehmütig und mit schlechtem Gewissen den St. James Park zum Rivalen AFC
Sunderland.
Der Hauptbahnhof war von dem Stadion nicht weit weg und hatte den Charme
eines alten Miss Marple Films. Dort trafen wir tatsächlich einige
wenige Fans, die sich von Newcastle im Sunderland-Trikot völlig
unaufgeregt in die Stadt des Rivalen begaben. Von einem Fan erhielten
wir noch letzte Informationen bezüglich der Lage des Stadions und die
Versorgung von Karten. Passend dazu begann es zu regnen, aber er
versicherte uns, dass dies zum ersten Mal seit Wochen auf der Insel der
Fall gewesen wäre. Kurz vor der Ankunft am Bahnhof sahen wir es schon,
dass „Stadium of Light“ mit 49.000 Plätze. Es ist kaum nachvollziehbar,
dass in fast jeder englischen Großstadt ein fantastisches Stadion steht.
Das Stadion wirkte von außen nicht so beeindruckend wie der „St. James
Park“ in Newcastle, allerdings wurde es ähnlich wie in Nou
Camp/Barcelona in den Boden hinein gebaut. Nach der Ankunft im Bahnhof
mussten wir nur ein paar Schritte zurück laufen und den Fluss Wear
überqueren um zum „Stadium of Light“ zu gelangen. Hier viel uns schon
auf, warum es zu einer Partnerschaft zwischen Essen und Sunderland kam.
Ähnlich wie in Essen wurde in Sunderland jahrelang Kohle abgebaut. Die
letzte Zeche schloss allerdings acht Jahre nach der Zeche Zollverein in
Essen, auch Sunderland war gezwungen, einen Wandel von der Industrie-
zur Dienstleistungsstadt zu vollziehen. Mittlerweile ist Sunderland ein
Zentrum für viele Callcenter geworden. Sunderland ist ebenso wie Essen
ein Ziel von Bombenangriffen im zweiten Weltkrieg geworden und daher
existieren vor allem Nachkriegsbauten in der Innenstadt.
Eines ist allerdings in Sunderland wesentlich erfolgreicher als in
Essen: Der Fußball. Nach einigen Aufenthalten in der zweiten englischen
Liga ist der Verein ein fester Bestandteil der Premier League geworden
und hat sich im Mittelfeld festgesetzt. Allerdings hatten sich die
„Black Cats“ durch vier Niederlagen in Folge selbst in Schwierigkeiten
gebracht und steckten am Rande des Abstiegskampfes fest. Unser Informant
aus dem Zug seufzte laut auf, als er über die Niederlage in Birmingham
sprach, da er viele Kilometer für ein „very bad game“ zurück gelegt
hatte. Das kam einem als RWE-Fan irgendwie alles bekannt vor. Für Wigan
war ein Sieg so wichtig wie die Luft zu atmen, da sich der Verein auf
einem Abstiegsplatz befand. Für Spannung sollte also gesorgt sein. Vor
dem Stadion aßen wir noch einen Cheeseburger, die an jeder Stelle um das
Stadion gebraten wurden. Nicht gerade besonders gesund, aber lecker. Um
das Stadion herum kreisten die Möven, und dies hunderte Kilometer weit
weg vom Rhein-Herne-Kanal. Es schien so, als ob die gesamte Stadt für
das Spiel auf den Beinen wäre. Deshalb wollten wir uns schnell die
Karten sicher, auch wenn unser Informant sagte, dass das Spiel gegen
Wigan jetzt nicht so der Straßenfeger wäre. Wir suchten an den Eingängen
einen Ticketschalter, aber vergebens. Auch die Suche um das Stadion
blieb ergebnislos. Schließlich wurden wir nach langem Nachfragen fündig,
es gibt tatsächlich nur ein zentrales Ticketcenter an den englischen
Stadien. Also stellten wir uns in die lange Schlange an und fragten die
Verkäufer, wo denn der Stimmungsblock im Stadion sei. „Everywhere“ war
jetzt keine befriedigende Antwort, aber dann konnten wir wenigstens
nicht so viel falsch machen. Für 28 Pfund erhielten wir Karten hinter
dem Tor direkt am Spielfeld, dieser Preis war für die Premier League
mehr als okay, dass es etwas teurer wurde war jedem von uns klar.
Beim Eintritt in das Stadion verwechselten wir erst einmal die Blöcke,
aber das war nun auch egal. Wir waren der Erfüllung unseres Traums sehr
nahe gekommen und waren sehr gespannt, wie die Stimmung im Unterschied
zu den deutschen Stadien sein wird. Den ersten Unterschied bemerkten wir
sofort: An jeder Ecke gab es Wettbüros und Fernseher, bei denen die
Wettscheine hochgehalten und die Ergebnisse auf den anderen Plätzen
genau verfolgt wurden. Schnell tranken wir noch ein Bier vor dem
Eintritt auf die Ränge, da dort striktes Alkoholverbot herrschte. Auch
wenn es nur noch ca. eine halbe Stunde vor dem Anpfiff war, das Stadion
war nur halb gefüllt. Aber auch dies ist normal für englische Stadien.
Zunächst aber fiel auf, dass nahezu jeder männlicher Besucher mindestens
ein Tattoo auf seinem Körper zierte. Mein Vater hätte auf seiner
typischen Art des Ruhrpotts wohl gesagt, dass hier „tausend Jahre Knast“
im Stadion herumliefen. Auch die Besucher, die sich direkt vor uns
setzen, konnten man dieser Kategorie getrost zuordnen. So saßen wir mit
einem mulmigen Gefühl auf der Tribüne, aber voller Spannung auf den
Anpfiff. Vor dem Spiel wurde auf viel Show verzichtet, es lief etwas
Musik und ein wenig Werbung auf einer Anzeigentafel, die stark an die
Tafeln bei „Bundesliga Manager Hattrick“ erinnerten. Nur eine Blockfahne
wurde durch das Stadion getragen, sonst blieb es weites gehend ruhig.
Zum Spiel in Halbzeit eins gab es kaum etwas zu berichten. Einen
Stimmungsblock gab es tatsächlich nicht, allerdings war die Ecke links
von uns neben den Block der Auswärtsfans etwas aktiver als der Rest des
Stadions. Von den Wigan Fans sind tatsächlich nur wenige mitgereist,
diese waren aber deutlich hörbar. Die Stimmung war schlichtweg anders
als in Deutschland. Es wird nicht das ganze Spiel durchgesungen, die
Stimmung ist deutlicher auf die Spielsituationen bezogen. Bei einem Foul
an der Seitenlinie oder einer klaren Torchance geht allerdings die Post
ab. Dann wird gebrüllt, geschrien und gejubelt was das Zeug hält. Wenn
einmal etwas angesungen wird, egal aus welcher Ecke des Stadions, zieht
der Rest immer mit. Nur den explosiven Torjubel, den wir aus England
kennen und auf den wir so heiß waren, hörten wir nicht. Die
Horrorgeschichten, die wir über die schlechte Stimmungslage bei den
großen englischen Vereinen hörten, können wir für Sunderland nicht
bestätigen. Im Spiel selbst traten zwei nervöse Mannschaften
aufeinander, die keinen entscheidenden Fehler machen wollten. Der
Spielfluss wurde zudem von zwei schweren Verletzungen auf Seiten der
Gastgeber unterbrochen, für Abwehrspieler Philipp Bardsley und Stürmer
Danny Welbeck war die Partie nach 10 bzw. 25 Minuten schon beendet.
Torchancen blieben Mangelware, und die englischen Torhüter blieben ihrem
Ruf treu. Bei jeder Aktion auf das Tor wackelten beide Keeper gehörig,
allerdings gab es keine schwerwiegenden Folgen.
Enttäuscht von der ersten Halbzeit konnten wir nur hoffen, dass es nach
dem Wiederanpfiff deutlich besser werden würde. Vor allem die Stars
Asamoah Gyan aus Ghana und der Newcomer Jordan Henderson, der
mittlerweile zur neuen Saison zum großen FC Liverpool gewechselt ist,
blieben bislang blass. Doch die zweite Halbzeit sollte für deutlich mehr
Spannung sorgen, aber anders als für die Anhänger von Sunderland
gedacht. Ein Hammer von dem Franzosen Mohamed Diame eröffnete das Tore
schießen. Aus zwanzig Meter knallte er in der 52. Minute zur Freude der
Gästefans das Ding so unter die Latte, das jetzt noch das Tor zittert.
In diesem Moment steckte Sunderland richtig tief im Abstiegssumpf. Unter
einigen Pfiffen antwortete nur drei Minute Asamoah Gyan mit den Schuss
zum Ausgleich. Wir hatten unseren legendären Torjubel, und er war
genauso wie wir uns ihn vorstellten: Emotional, mitreißend, explosiv.
Schnell waren wir ein Teil der Sunderlandfans. Mit uns wurde
abgeklatscht, wir wurden umarmt und in einem sehr unverständlichen
Dialekt Dinge gefragt, die wir einfach nicht verstehen konnten.
Allerdings richteten wir mehr unsere Augen aus Spielfeld, denn jetzt
begann die Show von Jordan Henderson. Mit einem Solo ließ er vier
Gegenspieler von Wigan stehen und vollendete seinen Lauf mit dem 2:1 für
Sunderland. Es gab kein Halten mehr, und die „Black Cats“ waren nicht
satt. Nach einem rüden Foul gab es Elfmeter für den AFC, Stéphane
Sessegnon tritt an – 3:1. Sunderland hatten sich so eben wieder in das
sichere Mittelfeld geschossen. Mittlerweile war allerdings Asamoah Gyan
mit einem Muskelfaserriss als dritter Spieler verletzt ausgeschieden.
Das konnte aber Jordan Henderson nicht stoppen. Ganz frei auf der
rechten Angriffsseite setzte er sich durch, nur eines fehlte: Die Flanke
seines Mitspielers, der ihn überhaupt nicht gesehen hatte. Das ganze
Stadion schrie, da bemerkte er Henderson auch, der noch rechtzeitig zum
4:1 einnetzen konnte. Die Partie im Stadion konnte beginnen, selbst das
Abstaubertor von Franco Di Santo von Wigan Athletic tat der guten
Stimmung keinen Abbruch. Besser hätte der Fußballnachmittag für uns gar
nicht laufen können, das Erlebnis war einfach überwältigend.
Die Zuschauer verließen sehr schnell das Stadion, eine traditionelle
Verabschiedung von den Spielern gab es nicht. Wir reisten sehr zügig
nach Newcastle zurück, um dort noch etwas von der Stadt zu sehen. Dort
wurde gerade der Junggesellenabschied der künftigen Prinzessin Kate
Middelton von den Frauen der Stadt gefeiert. Wer denkt, dass britische
Frauen nur im Urlaub schlecht gekleidet herum liefen, der irrte sich
gewaltig. Die ganze Stadt schien in einem Rausch zu sein, an jeder Ecke
roch es nach Alkohol. Da die Pubs recht früh schließen hatten wir dort
die große Party verpasst. Nach einem Essen beim Italiener (vom
englischen Essen hatten wir nach dem Frühstück erst einmal genug) sahen
wir uns etwas die Stadt an, die aber kaum Sehenswürdigkeiten
beinhaltete. Die legendäre Tyne-Bridge und die Konzerthalle „The Sage“
waren ganz ansehnlich, aber touristisch ist die Stadt nicht unbedingt
empfehlenswert. Nach einem Spaziergang am Flussufer entschieden wir uns
auf unser Hotel zu gehen und früh zu schlafen. Denn wir wollten ja früh
nach Edinburgh aufbrechen, um dort mehr von der Insel sehen zu können.
In Erinnerung bleibt ein unvergessliches Erlebnis, was jetzt schon alle
Mühen wert war.