Wie vielen bekannt sein wird, ist die Ticketbeschaffung für Spiele der Eredivisie nicht so einfach wie für Spiele in Deutschland. Nachdem es in den Neunzigern immer häufiger zu teilweise äusserst heftigen gewaltsamen Ausschreitungen inklusive Platzstürmen kam, wurde der ‚Personalausweis' für Fussballfans eingeführt - die ‚ClubCard'! So ist also jeder holländische Fussballfan, der sich nicht bereits durch den Dauerkartenkauf bei seinem Club ‚registriert' hat, gezwungen, sich für eine ClubCard zu bewerben, sofern er möglichst frei in der Wahl der zu besuchenden Spiel seines Vereins sein will.
Ziel dieser Maßnahme ist natürlich, über die persönlichen Daten möglichst eines jeden Stadionbesuchers verfügen zu können und so präventiv an das Unterbewußstsein der Fans zu appellieren, sich im Ground ja ordentlich zu benehmen. Diese ClubCard ist für mehrere Saisons gültig und wird in der Regel auch ohne große Probleme erteilt, wenn man nicht einschlägig vorbelastet ist. Natürlich hat sie für den normalen Fan Nachteile. Zum Beispiel wird für die Erstellung der Karte von den meisten Vereinen eine Gebühr erhoben; teilweise bis zu 15 Euro und mehr. Außerdem ist man ausschließlich zum Kartenkauf für die Heim- und Auswärtsspiele des ausstellenden Vereins legitimiert. Man darf auch nur die ClubCard eines einzigen Vereins besitzen. Die Registrierung bei mehreren Clubs ist nicht möglich. Nationales Hopping ist für die holländischen Fans also fast ausgeschlossen! Fast, weil manche Spiele keiner ClubCard-Verpflichtung unterliegen. Diese sind dann natürlich eher uninteressante Begegnungen, die nicht als Risiko-Spiel eingestuft werden.
Als ausländischer Besucher kommt man in vielen Fällen auch für Spiele mit ClubCard-Verpflichtung an Tickets, wenn man einfach vorher beim ausgewählten Verein anruft. Meist erreicht man eine hilfsbereite deutsch oder englisch sprechende Person, die sich im Normalfall auch hilfsbereit zeigt. Wenn man sich dann noch unaufgefordert bereit erklärt, eine Kopie seines 'Perso' per Email zu senden, steht dem Spielbesuch meist nichts mehr im Wege und man kann Karten hinterlegen lassen.
Wenn alle Stricke reißen und der Verein partout keine Eintrittskarte rausrücken will (z.B. haben in Enschede und Groningen generell alle Spiele ClubCard-Verpflichtung), besteht noch eine gute Chance über diverse Internet-Plattformen auf halblegalem Wege Tickets zu erwerben. Auch dieses sollte in unserem Falle zur Karten-Beschaffung verhelfen.
Unser erstes Ziel nach dem samstäglichen RWE-Kick sollte Tilburg sein. Der gastgebende Verein Willem II erwartete am Abend Roda Kerkrade, ein Spiel mit CC-Verpflichtung, jedoch durften wir hierfür auf dem beschriebenen Email-Wege Tickets zur Abholung vor dem Spiel reservieren.
So überquerten wir nach dem enttäuschenden Remis in Kleve die Grenze und steuerten auf direktem Wege die Provinz Nordbrabant an, was entgegen seinem verbalen Klang in Südholland liegt, und erreichten Tilburg nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt. Tilburg hat ziemlich genau 200.000 Einwohner, ist also etwas kleiner als Mülheim. Zunächst suchte man sich ein geeignetes Quartier für die Nacht. Dieses gelang auch ohne große Probleme und auf der Fahrt durch die Innenstadt, durften wir schon mal vermuten, dass Tilburg offenbar ein angenehmes und abwechslungsreiches Nachtleben zu bieten hat, wie die Kneipendichte erahnen ließ. Dieses wollten und sollten wir auf keinen Fall verpassen.
Doch zunächst erwartete um 20:45 Uhr der heimische Klub Willem II den Gast aus Kerkrade. Der bereits 1896 gegründete Heimverein wurde nach König Willem II. benannt, der sich im vorletzten Jahrhundert in Tilburg beliebt gemacht hatte. Willem II, die Saisonerfolge betreffend eine typische graue Maus, konnte in den Fünfzigern zwei Meisterschaften einfahren, ist aber seit dem Pokalgewinn 1963 ohne jeden Titel. Überhaupt konnten in Holland seit 1960 nur zwei andere Vereine als die drei Grossen (PSV, Ajax, Feyenoord) den Meistertitel erlangen.
Letztmalig AZ Alkmaar im Jahre 1981. Ziemlich langweilige Geschichte also. Willem II verbuchte Ende des letzten Jahrtausends einen kurzen Höhenflug und konnte nach der Vizemeisterschaft 1999 gar in die Champions League einziehen, wo man sich mit etablierten europäischen Kräften wie Girondins Bordeaux und Spartak Moskau messen durfte, schied nach der Gruppenphase allerdings sieglos aus. Danach verschwand man wieder im Mittelmaß der Liga und mußte in den letzten Jahren gar gegen den Abstieg kämpfen.
Die Heimspiele werden im gleichnamigen Stadion ausgetragen. Es handelt sich um einen Allseater und wie mittlerweile überall in Holland um ein reines Fußballstadion. Es wurde Mitte der Neunziger in den jetzigen Zustand umgebaut, damit war es eins der ersten neueren Stadien in den Niederlanden. Seit der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre wurden nach und nach die Stadien aller Profi-Vereine, die Derartiges noch nicht zu bieten hatten, in moderne reine Fußballarenen verwandelt, die fast ausschließlich mit Sitzplätzen ausgestattet wurden. Dabei verfügen die Kapazität betreffend die beiden großen Vereine Feyenoord und Ajax (je knapp 52.000) sowie der PSV (36.500) über ansprechend große Stadien. Die restlichen Vereine müssen mit einem Fassungsvermögen teilweise weit unter 30.000 auskommen, einige Stadien in kleineren Städten bieten gar nur um die 10.000 und weniger Plätze.
Diese Platzpolitik wählte man, da man lieber kleine, gut gefüllte bis ausverkaufte Stadien haben wollte, statt große und halbleere Arenen. Zur Folge hat dieses, dass die meisten kleineren Grounds in der Innenansicht fast identisch sind. Das Willem II-Stadion unterscheidet sich von diesen zumindest in der elegant geschwungenen Dachkonstruktion, die ohne innere Stützpfeiler auskommt und frei Sicht aufs Feld ermöglicht. Eine der beiden Geraden ist im oberen Bereich mit VIP-Boxen ausgestattet. Die Gegengerade zeigt durch weiß abgesetzte Sitzschalen den Vereinsnamen. Die übrigen Sitze sind blau. Der Ground fasst 14.700 Zuschauer; zu normalen Spielen begrüßt Willem II immer um die 12.000 bis 13.000 Besucher.
Nachdem wir unser Fahrzeug in der Hotel-Tiefgarage versenkt hatten, fuhren wir mit dem Bus zum fahrgastfreundlichen Preis von einen Euro zum Stadion. Die Haltestelle befand sich genau gegenüber der Kneipe des 'sportlich ambitionierten' Teils des Tilburger Anhangs. Vor dem Etablissements lauerten ca. 50-60 zwielichtige Gestalten auf Sparringspartner. Irgendwie beschlich mich der Eindruck, dass wir trotz Dunkelheit und 30 Meter Luftlinie umgehend als Deutsche erkannt worden waren. Also nix wie zum Stadion, um die Tickets abzuholen. Auch dieses sollte ohne Probleme gelingen. Das nette Mädel in der Ticketbox überreichte mir gegen 37 Euronen die zwei gebuchten Karten. Als ich mich umdrehte, sah ich noch so eben wie meinem verdutzten Kumpel von einer etwas dubios aussehenden Person zwei Freikarten in die Hand gedruckt wurden! Nun standen wird da mit vier Tickets für zwei Leute. Hätte der Freikartenspender nicht eine Minute eher auflaufen können?? Aber nicht weiter tragisch. Wir verscheuerten die gekauften Tickets für 30 Ocken an ein junges Pärchen, so dass sich das finanzielle Ärgernis in Grenzen hielt. Danach enterten wir das Stadion.
Von den bisherigen Heimpartien der Saison konnte Willem II nur zwei gewinnen. Überraschenderweise gegen die bisher schwächelnden Liga-Giganten Feyenoord und Ajax, gegen die sonst nicht viel zu holen ist. Ansonsten hat man sich wie üblich im unteren Mittelfeld der Tabelle 'etabliert'. Jährlich grüßt also wieder einmal das tilburgische Fußball-Murmeltier. Die heutige Partie des Elften gegen den Sechzehnten wollten 12.500 Menschen sehen, davon etwa 100 Anhänger der Gäste aus Limburg.
Vor Spielbeginn holten wir uns noch schnell ein paar Gerstensäfte. Witzig war, dass über jedem Tribünen-Eingang ein deutlicher Hinweis auf das Verbot der Mitnahme alkoholischer Getränke hingewiesen wurde, aber man letztendlich doch unbehelligt mit einem Becher in jeder Hand bewaffnet die Ordner passieren konnte. Zur Bezahlung der Flüssig-Verpflegung musste man sich erst an einem 'Spielautomaten' die entsprechende Anzahl Coins ziehen. Immerhin nicht so ein Unsinn wie mit den 'Arena-Karten' bei unseren geliebten Nachbarn, wo am Ende immer ein paar Euro auf der Karte überbleiben.
Nun schnell einen Platz im betreffenden Block gesucht (freie Platzwahl) und dann gemütlich in die Sitzschale gekuschelt. Trotz nur sechs Grad Außentemperatur hätte man sich bequem seiner Jacke entledigen können. Wir hatten uns schon vor dem Stadion gewundert, dass manche Fans bei diesen Temperaturen im kurzärmeligen Trikot herumliefen. Die Erklärung dafür war, dass unter den Tribünendächern (wie in einigen anderen holländischen Stadien auch) Heizstrahler angebracht sind, die einem auch an nasskalten Herbstabenden den Allerwertesten wärmen und einen angenehmen Fußballbesuch ermöglichen.
Optisch gab es zum Einlauf der Teams leider nicht viel zu sehen. Das Spiel nahm auch gleich die erwartete Richtung. Die Mannschaft von Roda geriet nach einer guten Chance zu Beginn zunehmend in die Defensive. Kein Wunder, dass man erst sechs Punkte verbuchen konnte. In der 27. Minute war es dann soweit. Ein zweifelhafter Freistoß aus gut zwanzig Metern gelangte unplatziert durch die Mauer mit 'Mach 3' ins Kerkrader Gehäuse - die Führung für die Hausherren! Das Spiel blieb danach unverändert einseitig, allerdings ohne spektakuläre Szenen. So konnte man sich ein wenig auf die Atmosphäre konzentrieren. Der in Holland ohnehin recht einseitige, meist englisch angehauchte Support brandete aufgrund des recht unspannenden Spiels nur selten auf. Interessant, dass sich der hinter einem Tor angesiedelte Heimblock unmittelbar neben dem in einer Ecke des Stadions eingerichteten und durch Plexiglas und Netz abgetrennten Gäste-Block befindet. Zusätzlich halten sich wiederum die 'erlebnisorientierten' Heimfans auf der anderen Seite neben dem Gästeblock auf, so dass sich der Auswärtsanhang nicht über mangelnde Aufmerksamkeit und fehlende Dauerbepöbelung beschweren braucht.
Mit dem 1:0 ging es in die Kabine und für uns an die Frikandelbude, um sich am breiten Spektrum des holländischen Fastfoods ausgiebig zu laben. Mit aufgefüllten Getränkebechern nahmen wir pünktlich zum Beginn der zweiten Spielhälfte wieder unsere Plätze ein. Die Gäste hatten nun offenbar begriffen, dass man tatsächlich mal nach vorne spielen muss, wenn man ein Tor erzielen will, und taten dies nun mehr oder minder durchdacht. Richtige Gefahr kam allerdings selten auf und Willem II übte sich nun im Konterspiel. Dieses sollte sich in der 73. Minute erfolgreich auszahlen als der flinke Linksaußen die gesamte Abwehr austanzte, den Ball auf den Schützen des ersten Tores querlegte, der wenig Mühe hatte aus fünf Metern seinen zweiten Treffer zu erzielen. Das Spiel war gelaufen - meinte man. Roda besann sich noch einmal auf die beschränkten Fähigkeiten und warf alles nach vorne. Drei Minuten vor dem offiziellen Ende fasste sich ein dunkelhäutiger Gästestürmer ein Herz und drosch einen unglaublichen Flatterball - es sah aus, als ob die Murmel im Flug zehn Mal die Richtung wechselte - aus mehr als zwanzig Metern in die Maschen. Es half jedoch nichts mehr. Wenige Minuten später war die Kirsche gegessen, die Wiese gemäht, der Drops gelutscht. Die Punkte blieben in Tilburg. Eine kurze Ehrenrunde des Heim-Teams und dann wieder das faszinierende Erlebnis, wie schnell sich ein Stadion leeren kann. Diese Fähigkeit betreffend erstaunen mich die Holländer immer wieder.
Wir begaben uns mit dem Bus wieder ins Stadtzentrum und genossen den weiteren Abend bei dem einen oder anderen Getränk in diversen Bars und Diskotheken. By the way - wirklich hübsch anzuschauen, die Holländerinnen....
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