Am nächsten Morgen rollten wir uns dann kurz nach zehn aus dem Bett. Der übermäßige 'Jupiler'-Genuß machte sich glücklicherweise nicht in körperlichen Beschwerden bemerkbar, so dass die bereitgelegten Aspirin+C wieder im Rucksack verschwanden.
Unser nächstes Ziel war Rotterdam, wo um 14:30 Uhr Feyenoord gegen den FC Utrecht anstoßen sollte. Wir machten uns in aller Ruhe fertig. Hatten ja bei nur einer Stunde Fahrzeit noch genug Zeit. Das glaubten wir zumindest - was sich noch rächen sollte. Auf dem Weg zur Autobahn fuhren wir noch mal am Willem II-Stadion vorbei. Leider wirkt die Hütte von außen eher wie ein Einkaufszentrum und bietet kein besonders attraktives Foto-Motiv.

Gegen 12:00 war Rotterdam in Sicht. Rotterdam hat in etwa so viele Einwohner wie Essen, dieses allerdings durch die riesigen beeindruckenden Hafenbereiche auf einer viel größeren Fläche. Die Ticketproblematik hatten wir für dieses Spiel auf inoffiziellem Wege geregelt. Der Kick gegen Utrecht hatte wiederum CC-Verpflichtung. Bei Feyenoord gibt es zwar das Schlupfloch, dass man sich über den offiziellen Internet-Auftritt ein Formular ausdrucken, dieses mit seinen persönlichen Daten versehen und zurückzusenden kann. Bei Verfügbarkeit erhält man dann eine Ticket-Reservierung. Bei ClubCard-Spielen werden allerdings nur Karten der teuersten Kategorie herausgegeben. Dieses hätte Euro 42,50 je Ticket bedeutet, ein bisschen viel für unseren Geschmack.

Also hatte ich mich vorab über den angesprochenen Internet-Marktplatz mit einem in Rotterdam wohnhaften Anbieter verabredet, der Tickets zum erträglichen Preis feilbot. Dieser hatte mir seine Adresse im Herzen Rotterdams genannt und so standen wir um kurz nach halb Eins bei ihm auf der Matte und hielten nach kurzem Smalltalk, unter anderem über Rot-Weiss, das in Holland einen überraschenden Bekanntheitsgrad besitzt (O-Ton: 'Everyone in the Netherlands knows Rot-Weiss Essen!') zum Kurs von jeweils 27,50 Euro zwei Karten in den Händen. Noch schnell in den holländischen Supermarkt und mit den landestypischen süßen Sauereien eingedeckt und dann ab zum Stadion - es waren ja noch immer über 90 Minuten Zeit bis zum Anpfiff.

Vielleicht hätte es uns verdächtig vorkommen sollen, dass unser Rotterdamer Freund erwähnte, dass er mit dem Rad zum Stadion fährt. Auch der Nebensatz, dass es schwierig sei am Stadion zu parken, versetzte uns nicht in Unruhe. Ein Fehler! Die letztendlich 43.000 Zuschauer verursachten über eine Stunde vor dem Spiel ein mittleres Verkehrschaos rund um 'De Kuip', was die Rush-Hour in Rom wie ein Kindergarten-Treffen erscheinen ließ! Der Plan, einigermaßen günstig zu parken, um ohne große Hektik im Anschluss zum letzten geplanten Kick ins zwanzig Kilometer entfernte Den Haag zu kommen, war nicht umzusetzen. Selbst für die großen Parkplätze am Stadion hätte man ein Parking-Season-Ticket benötigt, so dass uns nichts anderes übrig blieb, als in den umliegenden Wohn- und Gewerbegebieten unser Glück zu versuchen.

Dieses gelang auch letztendlich, jedoch hatten wir nun nur noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Kick-Off. Der Plan, sich in Ruhe umzusehen und Fotos zu schießen, hatte sich leider längst erledigt. Zehn Minuten vor dem Anpfiff hatten wir endlich den Ground erreicht, orientierten uns kurz und peilten den Eingang zu unserem Block an. In der Schlange vorm Tor hatten wir dann unser Deja Vu-Erlebnis. Plötzlich zieht neben uns ein junger Typ einen ganzen Satz Tickets aus der Tasche, verteilt diese an seine Freunde, hat letztlich vier über und bietet an, uns diese kostenlos zu überlassen!! Wenn man es geahnt hätte... Leider war die Zeit zu knapp um ein ähnliches Kartenschnippchen wie am Vorabend zu schlagen und wir mussten ablehnen.

Sicherheit wird in der 'Wanne', denn nichts anderes bedeutet 'Kuip', groß geschrieben. Nach dem manuellen Scannen der Eintrittskarte öffnet und schließt sich immer wieder ein Metalltor, durch das die Besucher einzeln eingelassen werden. So bildet sich zum anschließenden Abtasten durch die Ordner kein Gedränge wie beispielsweise hinter dem Eingang zur Nordtribüne an der Hafenstrasse und diese können ohne Stress ihre Arbeit verrichten.

Der 'Kuip' ist ein großes rundherum überdachtes reines Fußballstadion, vollständig mit blauen Sitzschalen versehen, und wirkt wesentlich beeindruckender als TV-Übertragungen vermitteln. Der Ground verfügt über zwei große Ringe, wobei der Obere den Unteren überlappt. Wer das alte Müngersdorfer Stadion kennt, weiß was gemeint ist. Da das Stadion ein leichtes Oval bildet, bleiben schmale freie Flächen hinter den Toren und entlang der Seitenlinien. Auf diesen Flächen sind - allerdings fest installierte - Tribünen in Stahlrohrbauweise aufgestellt. Ein wenig stören das Gesamtbild die etwas betagt anmutenden Flutlichtmasten. Hier hätte man besser daran getan, die Lichtanlage im Zuge der Renovierung zur EM 2000 in das Stadiondach zu integrieren.

Da heute nur knapp 8.000 Plätze frei blieben war das Stadion wirklich ansprechend gefüllt. Unsere Plätze befanden sich bei freier Platzwahl im mittleren Ring, seitlich versetzt zum Tor. Die Sicht war gut, wie wohl von jedem anderen Platz auch. Der Gäste-Anhang aus Utrecht war fast direkt über uns und machte sich ab und an durchaus lautstark bemerkbar. Ohne den Mob sehen zu können, schätzte ich die Menge auf ca. 600 bis 800 Leute, was für einen Auswärtsmob in Holland schon eine ansprechende Zahl ist. Eigentlich hatten wir die Befürchtung, dass bis zum Ende des Spiels keiner von uns beiden mehr fahrtüchtig sein würde, bei den benebelnd süßlichen Tabak-Gerüchen, die aus allen Richtungen in die Nase zogen. Bei genauerer Betrachtung der im Block befindlichen und teilweise etwas verwegen aussehenden Leute kam zudem der Eindruck auf, dass jeder zweite ein potentieller Fußball-Gewalttäter sein könnte.

 Es spielte übrigens der Dreizehnte gegen den Achten. Der Verein ist übrigens nach dem Stadtteil Feijenoord benannt, in dem er 1908 gegründet wurde. Die Umbenennung in ‚Feyenoord' ist den ausländischen Besuchern geschuldet die Mühe mit dem ‚ij' im Club-Namen hatten. Feyenoord ist mit nur zwei Siegen aus den ersten neun Spielen sehr schlecht in die Saison gestartet und schickt sich an das Feld nun von hinten aufzurollen. Dass man damit auch im Spiel gegen die Gäste aus Utrecht nicht lange warten wollte war nach drei Minuten klar. Ein leicht abgefälschter Freistoß, abgesendet von Giovanni van Bronckhorst, zappelte im Netz, was die ohnehin gute Stimmung im Stadion weiter in die Höhe trieb. Die Feyenoord-Fans befinden sich in der Nordkurve des Stadions. Allerdings lässt sich das gesamte Heim-Publikum (wie in England) oft vom eigentlichen Fanblock anstiften, in den Support einzustimmen. So bekamen wir des Öfteren einen Eindruck davon, wie laut es wohl bei Spielen gegen Intimfeind Ajax oder auf europäischer Ebene werden kann.

Bis zur dreißigsten Minute zappelte die Kirsche zwei weitere Male im Utrechter Netz. Diese konnten die Spannung aber durch den sofortigen Treffer zum 3-1 glücklicherweise retten. So ging es in die Pause. Wir nutzten dies zum kleinen Catering und begutachteten den benachbarten Gästebereich hinter der Tribüne, der rigoros abgetrennt ist, wie es in Holland üblich ist. Die Gästebereiche in den Stadien sind so angelegt, dass ein Kontakt zu den gegnerischen Zuschauern quasi völlig ausgeschlossen ist. Die entsprechenden Blöcke in den Stadien sind immer durch hohe Plexiglaswände abgetrennt und zusätzlich mit Netzen überspannt. Aus dem Block führt direkt ein vergitterter Gang, meist als Brücke gebaut, zu den geparkten Bussen. Dort werden die auswärtigen Besucher vor dem Spiel 'ausgeladen' und nach dem Spiel umgehend wieder aufgenommen, um den Aufenthalt im fremden Terrain ausschließlich auf das Spiel zu beschränken.

 Bei Risikospielen können Eintrittskarten zu Auswärtsspielen in der Regel nur als so genannte 'verpflichtende Bus-Kombi' erworben werden. Das heißt, man fährt am eigenen Stadion mit dem Bus los, kommt erst kurz vor Spielbeginn an, erfährt das beschriebene Prozedere, und gurkt direkt nach dem Spiel wieder nach Hause. Ebenso muss man bei dieser Regelung, egal von wo man kommt, am eigenen Stadion in den Bus steigen. Auf Deutschland übertragen hieße das also beispielsweise, als in Stuttgart wohnender HSV-Fan zum Auswärtsspiel in Karlsruhe erst nach Hamburg zu reisen, um von dort zum Spiel zu fahren. Eine entspannte alkoholgetränkte Zug-Tour wie in Deutschland dürfte dementsprechend nur schwer zu verwirklichen sein.

Mit Beginn der zweiten Halbzeit verflachte das spielerische Niveau ein wenig. Feyenoord schien die Sache im Griff zu haben. Bis zur 55. Minute. Einen zu kurz geratenen Rückpass konnte der Rotterdamer Torhüter soeben noch vor dem heraneilenden Gästestürmer weg schlagen, schoss diesen aber an und von dort trudelte der Ball im hohen Bogen an den Innenpfosten und anschließend ins Tor ohne dass der Stürmer darauf entscheidenden Einfluss nehmen konnte. Eine selten dämliche Bude!! Andererseits beweist dieses, dass das oft sinnlos wirkende Nachsetzen der Stürmer im vielleicht fünfhundertsten Versuch dann doch mal belohnt wird.

Die Partie wurde nun zum offenen Schlagabtausch ohne an Niveau zu gewinnen. Wir mussten nun langsam die Entscheidung treffen, ob wir den laufenden Kick in Ruhe zu Enden schauen oder wie geplant, die Partie in Den Haag zwischen dem heimischen Club ADO und dem SC Heerenveen anpeilen sollten, die um 16:30 Uhr angepfiffen werden sollte. Letzteres hieße, trotz der geringen Entfernung nach Den Haag - beide Stadien sind ungefähr so weit voneinander entfernt wie das Georg-Melches-Stadion und das Ruhrstadion in Bochum - den ‚Kuip' spätestens eine Viertelstunde vor Spielschluss zu verlassen, da der Plan mit dem stadionnahen Parkplatz nicht aufgegangen war. Da sich das Spiel zwischen Feyenoord und Utrecht mittlerweile zum Grottenkick entwickelt hatte, entschieden wir uns nach Den Haag zu hetzen. Aus dem Radio erfuhren wir später, dass Feyenoord in der Schlussphase noch zwei späte Treffer zum Endstand von 5-2 nachgelegt hatte, ein Tor davon erzielt durch Roy Makaay.

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Michael vorm Walde