Trotz eines schnellen Ganges zum Wagen, ging der Plan wegen schlechter Verkehrsführung, niedrigem Tempolimit und hohem Verkehrsaufkommen nicht auf. Zumindest liegt das Stadion in Den Haag direkt am Autobahnkreuz, so dass uns der Stadtverkehr erspart blieb. Der mittlerweile fast dunkle, nasskalte Himmel war flutlichtgeschwängert und machte schnell Lust auf den Kick. Hell leuchtende Flutlichtmasten aus zwei-, dreihundert Metern Entfernung sind immer wieder ein geiler Anblick. Ich genieße diese Atmosphäre auch an der Hafenstrasse bei Abendspielen immer wieder in vollen Zügen, wenn man sich dem Stadion nähert.

Glücklicherweise war ein Parkplatz schnell gefunden und wir waren in wenigen Minuten am Stadion. Nun das nächste Problem. Die Karten hatten wir wie in Tilburg per Email mit Ausweiskopie hinterlegen lassen. In weiser Vorahnung hatte ich dem Mitarbeiter, der mir die Reservierung bestätigt hatte, noch mitgeteilt, dass wir möglicherweise ein paar Minuten nach dem Anpfiff eintreffen würden. Daraufhin hatte er mir seine Handy-Nummer mitgeteilt und geschrieben, ich solle mich entspannen, alles würde glatt gehen. Also versuchte ich, den Mann zu erreichen - erfolglos. Er nahm nicht ab. Schöne Sch....! Die Kassenhäuschen waren erstaunlicherweise auch schon dicht. Also schlugen wir uns zum Eingang für die ‚Wichtigen' auf der Rückseite der Haupttribüne durch, wo uns eine freundliche Blondine mitteilte, dass sie leider nichts für uns tun könne. Wir sollten versuchen unseren Kontaktmann zu erreichen. Im Zuge der Diskussion waren allerdings noch drei verspätete ADO-Anhänger eingetrudelt, die ihren Unmut über die Situation deutlich zu verstehen gaben. Glücklicherweise kam in diesem Augenblick eine Dame vorbei, die etwas mit dem Ticketverkauf zu tun haben schien. Diese Dame und die Blondine schlossen sich kurz und es wurden doch noch Tickets organisiert. Über diese ganze Geschichte war natürlich eine ganze Zeit vergangen und wir hetzten nun auf die andere Seite des Grounds, auf der sich unser Block befand. Mittlerweile war über eine halbe Stunde gespielt. Sauber - je 21 Euronen für nicht mal 60 Minuten Fussball. Man gönnt sich ja sonst nichts!!

Am Eingang angekommen trauten wir unseren Augen kaum. Da ich mich schon lange für den holländischen Fußball interessiere, war mir geläufig, dass der Anhang von ADO Den Haag einen ‚eindeutigen' Ruf zu verteidigen hat. Der ADO-Mob hat schon des Öfteren negative Schlagzeilen gemacht, zuletzt 2006 als der unzufriedene Anhang beim Stande von 0:3 gegen Vitesse Arnheim den Rasen stürmte und das Spiel abgebrochen wurde. Dieses geschah noch im alten ‚Zuiderparkstadion', einem kultigen Ground im 'Oldschool-Look', der mit seinen vier einzelnen überdachten Tribünen stark an die englischen Stadien vor deren Rundumerneuerung erinnert. Das ‚Nieuw Stadion' (neues Stadion) hört sich noch recht namenlos an und wurde erst 2007 eröffnet. Es wurde mit der Zielvorgabe höchster Sicherheitsvorkehrungen gebaut. Um es betreten zu können muss man erst das hinter sich bringen, was sich nun vor uns offenbarte. Es öffnet sich automatisch eine Tür die wie ein Saloon-Tür ‚Marke Zukunft' erscheint. Durch diese Tür betritt man eine Schleuse. Wenn man in der Schleuse steht, schließt sich zunächst die Tür. Seitlich befindet sich ein Schalter, in den man durch ein schmales Fenster seine Eintrittskarte reicht. Während diese vom Staff gescannt wird, produziert eine Kamera ein biometrisches Pass-Foto vom Gesicht des ‚Kunden'. Erst danach öffnet sich Saloon-Tür Numero Zwei und man steht in den Katakomben des Grounds.

Ehrlich - die Kontrollen an den Flughäfen in den USA erscheinen wie ein Scheiß dagegen. Nachdem man durch die futuristische Passage ins Stadion gebeamt worden ist, fällt der Blick zunächst auf die Mauer oberhalb derer sich das erhöhte Spielfeld befindet. Auf dieser Mauer ist ein wohl genehmigtes ADO-Graffiti gesprüht worden. Es zeigt den Schriftzug ‚Midden-Noord' sowie rechts und links davon das Wappentier des Vereins, einen Schwan. Als absoluter Clou ist in den Schriftzug eine Abbildung der Haupttribüne des alten ‚Zuiderparks' gesprüht. Ein wirklich gelungenes Werk!!

Das Spielfeld ist nur von der Haupttribünenseite durch den Spielertunnel regulär zu betreten und befindet sich über zwei Meter erhöht über dem Normalniveau unter den Tribünen, wo sich Toiletten und Imbissstände befinden. Die Tribünen erreicht man über nach oben führende Treppen, von denen man das Spielfeld ebenfalls nicht erreichen kann. Man hat also trotz Verzicht auf Zäune durch ein Art Graben größtmögliche Sicherheit geschaffen, um neuerliches Ungemach zu verhindern. Zusätzlich befinden sich im Stadion annähernd hundert Kameras (keine Übertreibung), die biometrische Überwachungsmethoden ermöglichen. Diesen stimmt man übrigens mit dem Kauf der Eintrittskarte zu.

Das Stadion an sich, weiß schon zu gefallen. Es fasst 15.000 Zuschauer und hebt sich von holländischen Stadien dieser Größenordung wohltuend ab. Von außen wirkt es durch eine komplette Aluminium-Ummantelung fast wie ein UFO. Innen ist es nicht unbedingt spektakulär, ermöglicht aber durch die rundherum geschlossene Bauweise gute Stimmung. Es ist natürlich ein reines Sitzplatzstadion, versehen mit dunkelgrünen Sitzschalen. Auf der Gegentribüne ist mit andersfarbigen Stühlen ein Teilausschnitt des ADO-Wappens eingearbeitet. Die Haupttribüne ist höher und nach hinten breiter gebaut und weist natürlich die obligatorischen Sky-Boxen auf.

Negativ ist wie bei fast allen holländischen Stadien die Existenz von Flutlichtmasten. Unverständlich, dass die Spielfeldbeleuchtungen nicht in das Tribünendach eingebracht werden. Das Stadion ist übrigens so gebaut, dass es auf das doppelte Fassungsvermögen ausgebaut werden kann, falls dieses einmal Sinn machen sollte. Im jetzigen Zustand hat es 28 Mio. Euro gekostet. Es ist also möglich mit einem überschaubaren Budget ein ordentliches Stadion zu errichten - Gruß an die Essener Stadtspitze!

Wir sahen uns die wenigen bis zur Halbzeit verbleibenden Minuten in Ruhe an. Es stand noch torlos unentschieden. 10.150 Fans wollten die Partie zwischen den Teams aus dem Niemandsland der Tabelle, zwischen dem Zwölften und dem Neunten, sehen. ADO, 1905 gegründet, hat schon wesentlich bessere Zeiten erlebt. Noch unter dem Namen FC Den Haag war man Ende der Sechziger und in den Siebzigern eines der stärksten Teams in den Niederlanden. Nach schwachen achtziger Jahren mit dem Abstieg, findet man sich seit Ende der Neunziger zumindest wieder meistens in der Ehrendivision wieder. Letzte Saison war man mal wieder zweitklassig, schloss die Tabelle nur als Sechster ab, fand aber durch das komplizierte Relegationssystem wieder nach oben. Seit dem Ende des letzten Jahrtausends heißt der Club offiziell HFC ADO Den Haag. HFC steht für ‚Haaglandse Football Club', wobei das ‚Haagland' der Name der Region ist. ADO steht für ‚Alles Door Oefening', frei übersetzt ‚Alles durch Übung'. Nun ja - merkwürdige Vereinsnamen kommen in Holland ja mehrfach vor. Die Fans nennen ihren Club allerdings weiter FC Den Haag, wie man den Fahnen und Sprechchören entnehmen kann.

Bis zur Halbzeit tat sich nichts mehr und wir suchten uns dann ein paar Plätze am Rande der Gegengeraden. Schräg gegenüber befand sich der Gästeblock. Aus Heerenveen war grad mal eine enttäuschende Busladung mitgekommen. Okay, Auswärtsfahren ist in Holland nicht in den Massen üblich wie in Deutschland und Heerenveen - in Friesland gelegen - ist nach dem FC Groningen der nördlichste Club. Aber der SCH spielt daheim im Schnitt vor 25.000 und 200 Km sollten an einem Sonntag-Nachmittag doch zu bewältigen sein. Allerdings besteht für alle Fans sämtlicher Vereine für Spiele in Den Haag die beschriebene Buskombi-Verpflichtung.

Der sangesinteressierte Heim-Anhang verteilt sich auf die dem Gästeblock gegenüber befindliche Hintertortribüne sowie die Gegengerade. Auffallend war, dass trotz ‚Versitzplatzung' über 90% der Fans standen, was in Holland sonst nur im Stimmungsblock selbst üblich ist. Das Spiel fiel in die Kategorie 'unterirdisch'. Laut wurde es daher leider nur selten, aber wenn der ADO-Anhang anstimmte, kam das schon recht ordentlich rüber. Was die Ausstrahlung des Publikums angeht, schienen sich, wie in Rotterdam, auch hier einige tausend Jahre Knast versammelt haben. Schade, diesen Mob hätte ich gern im Tor-Pogo gesehen. Dazu sollte es aber leider nicht kommen.

ADO mühte sich redlich, hatte aber nur eine Handvoll halbherziger Chancen. Man hatte den Eindruck, dass Heerenveen jederzeit eine Schippe hätte drauf legen können. Die Gäste beschränkten sich aber darauf, den Gegner im Zaum und vom eigenen Tor fern zu halten und ab an einen gefälligen Konter zu fahren. Diese beschworen aber auch nur selten echte Torgefahr herauf. Wir hatten mittlerweile von den Sitzschalen Gebrauch gemacht. Dadurch fiel uns in Verbindung mit der abendlich kalten Witterung ein deutlicher Mangel des Stadions auf - es gibt keine Heizstrahler.

Vier Minuten vor Ende der Partie bot sich den Gästen erneut eine Kontermöglichkeit. Bonaventure Kalou, WM-Teilnehmer 2006 mit der Elfenbeinküste und in früheren Jahren bereits bei PSG, Auxerre und Feyenoord unter Vertrag, fasste sich aus halblinker Position von der Strafraumgrenze ein Herz und der Ball flog in einem Bogen unter freundlicher Mithilfe des ADO-Schnappers, der den Ball offenbar vollkommen unterschätzte, zur Freude der Handvoll Gästefans ins lange Eck. Dies war natürlich die Entscheidung. Zur Belohnung wurde der Torschütze, wie während der gesamten Partie mit menschenunwürdigen Urwald-Lauten bedacht. Auch eine Bananenschale fand den Weg in seine Richtung.

Zumindest auf diese Weise hat der heimische Mob seinen Ruf bestätigt. Der ADO-Anhang feierte sein Team nach dem Schlusspfiff trotzdem und hofft nach der vierten Pleite in Folge weiter auf die Wende. Das Stadion leerte sich wieder sehr schnell. Beim Abwandern fiel unser Blick auf den Sonder-Eingangsbereich der Gästefans. Hier hat man im Vergleich zu den anderen Stadien noch mal eins drauf gesetzt und meterhohe Sichtschutzwände aufgebaut, damit die heimtückischen ADO-Buben den Gästen keine bösen Blicke zuwerfen können.

Nun fuhren wir vom Hunger getrieben noch kurz in die Stadt, fanden glücklicherweise schnell eine äußerst ansprechende Imbiss-Bude und nahmen noch einmal eine ordentliche Ladung Frietjes, Frikandel, Bami und Kibbeling zu uns, um uns für die Rückfahrt zu stärken. Diese verlief völlig ohne Probleme und um 21:30 Uhr setze mich mein Kumpel am Krefelder Hauptbahnhof ab (er musste weiter in den Kölner Raum), von wo ich umgehend direkten Anschluss in unsere heiß geliebte Heimatstadt fand.

Rückblickend hätte man den Kick in Den Haag vielleicht sausen lassen und das Spiel in Rotterdam in Ruhe zu Ende schauen sollen. Eine halbe Stunde für den Transfer einzuplanen war schlicht zu blauäugig. Aber nachher ist man immer klüger und so weiß man, dass man es im gegebenen Fall zukünftig anders machen muss. Letztlich ist ein Ausritt nach Holland immer zu empfehlen, wenn man Interesse am Hopping hat und bereit ist sich den Stress der Ticketbeschaffung anzutun. Eigentlich ist jeder Eredivisie-Spielort in maximal zwei Stunden erreicht und fast jedes Stadion eine Reise wert.

Bilder gibt es hier


Michael vorm Walde