Nicht alles glänzt
Ein Hauch Champions League-Glamour wehte am Mittwochabend durch das
Weserstadion. Stars, Glanz und Gloria erwarteten die 36.151 Zuschauer
in der ausverkauften Baustelle. Dennoch findet die Partie zwischen den
Gastgebern aus Bremen und dem AC Mailand „nur“ im UEFA-Cup statt. Der
ganz große Glanz, der Pomp der meisterlichen Königsklasse fehlte dieser
Partie. Dennoch versprach das deutsch-italienische Duell Hochspannung.
Die Italiener, ohne ihre verletzten Superstars Pato, Kaka und Gennaro
Gattuso, reisten dennoch mit einem Ensemble an, von denen
Bundesligisten nur träumen können. So gaben sich neben einigen hundert
Fans aus Mailand unter anderem auch Ronaldinho, der nimmermüde Filippo
Inzaghi, Massimo Ambrosini, Clarence Seedorf und Andrea Pirlo ein
munteres Stelldichein oder wie es der Stadionsprecher kommentierte: „So
viel Haargel war noch nie auf diesem Rasen zu finden.“ Dabei war der am
meisten Abgelichtete an diesem Abend nicht einmal in der Startelf.
David Beckham, das balltretende Supermodel, Stil- und Werbeikone,
Gesprächsthema aller bunten Blätter dieser Welt, heißkalter Wunschtraum
verträumter Damenphantasien und im Nebenjob Fußballer, saß zunächst nur
auf der Bank. Aber auch ohne Becks wurde es ein spannendender Abend für
Freunde des gepflegten Kicks.
Schon vor Anpfiff sangen die Gäste nach Leibeskräften, während das
Werder-Publikum erst bei der eigenen Hymne auftaute und erstmals das
Stadion in eine heimische Atmosphäre tauchte. Ein vom Werder-Fan
Projekt organisiertes deutsch-italienisches Fanfest gipfelte
schließlich beim Einlaufen der Mannschaften in einer schönen Choreo der
Ostkurve. Auch im Mailänder Block wurden Banner und Doppelhalter
präsentiert, die Unterstützung der Teams war von bei beiden Fangruppen
von Beginn an nicht visuell beeindruckend.
Und so legte Werder gleich los wie die Feuerwehr: eine Ecke von Diego,
verlängerte Per Mertesacker und der Ball plumpste direkt vor den völlig
verdutzten Neuzugang Alexander Tziolis. Seinen schwachen Abschluss
konnte Keeper Dida ohne Mühe festhalten. Die Hausherren schürten das
Tempo und betrieben einen enormen läuferischen Aufwand, denen die
traditionell defensivstarken Italiener jedoch nach einigen Minuten
zusehends besser in den Griff bekamen.
Der Ball zirkulierte bei den Gästen nun weitaus flüssiger durch die
eigenen Reihen und in Ansätzen konnte man vor allem bei Clarence
Seedorf und Andrea Pirlo feine Ballkünste beobachten. Von Ronaldinho,
den vom FC Barcelona geschassten und nach Mailand verfrachteten
Edeljoker mit Auszeichnung, sah man dagegen wenig. An dem Brasilianer
lief das Spiel weitestgehend vorbei. Dass die Milanesen den Hausherren
technisch und ihrer Spielanlage weit überlegen sind, war deutlich zu
erkennen. Und so konnten die Bremer nur mit Kampf und viel Einsatz
diesen Unterschied wettmachen. Die Italiener zogen sich in die eigene
Hälfte zurück und ließen die Hausherren gewähren, die nach 20 Minuten
gegen die kompakte Abwehr kaum noch ein Durchkommen fanden.
Und so zeigten die Grün-Weißen wieder das gewohnte Bild der letzten
Wochen. Vorne mit wenig Glück und fehlender Präzision, dafür hinten
kopflos und fahrlässig agierend. Heute war es Clemens Fritz dessen
katastrophaler Fehlpass in der Nähe des eigenen Strafraums direkt
Mathieu Flamini bediente. Dieser fand in Inzaghi einen dankbaren
Abnehmer, der Stürmer schob zum 0:1 ein. So ging es dann auch in die
Pause, in der ein Torwandschießen und Adriano Celentanos
„darf-es-etwas-mehr-Klischee-sein“ „Azzuro“ für gute Laune sorgte.
Beide Mannschaften kamen ohne Wechsel aus den Kabinen und es bot sich
das gewohnte Bild. Werder agierte, Milan lauerte. Zunächst scheiterte
erneut Diego an Dida (48.), wenige Minuten später verfehlte Hugo
Almeidas Freistoß sein Ziel nur knapp. (53.) Die Werder-Fans gewannen
nun deutlich stimmliches Übergewicht und trieben ihre Mannschaft weiter
nach vorne. Für jähes Entsetzen sorgte Seedorf der den
Alleinunterhalter im Sturm Inzaghi mustergültig bediente, dessen Schuss
brachte aber nur das Lattengebälk zum Erzittern. Trainer Thomas Schaaf
reagierte und brachte Daniel Jensen für den unsichtbaren Frank Baumann,
in der Schlussviertelstunde dann Martin Harnik für den desolaten Fritz,
der in dieser Form kein Kandidat für Joachim Löws Truppe sein dürfte.
Die Einwechslungen sollten sich lohnen. Jensens Freistoß wurde durch
Almeida verlängert, Diego stoppte den Ball im Strafraum mit der Brust
und schob mit links ein. Der überfällige Ausgleich versetzte den
Zuschauern noch einmal einen Schub. Das Publikum peitschte die
Hausherren nach vorne, jetzt wollte man mehr und hätte es auch beinahe
bekommen. Erst setzte Milans Ambrosini einen Ball an den eigenen
Pfosten, dann drosch Pizarro diesen Nachschuss über das Gehäuse.
So blieb es beim letztlich gerechten Unentschieden in einem Spiel, in
dem Werder für den Mehraufwand gegen äußerst clever agierende Milanesen
nicht belohnt wurde. Nach Abpfiff verschwanden die Grün-Weißen schnell
in der Kabine, die Gäste bedankten sich ausgiebig bei den mitgereisten
Fans.
Im Rückspiel dürften die Karten neu gemischt werden. Milan kann dann
wieder auf Kaka zurückgreifen, der allein schon besser spielen dürfte,
als zwei Ronaldinhos in dieser Form. Eine
derart zurückhaltende Rossoneri-Elf werden die Rot-Schwarzen vor
heimischem Publikum nicht zu sehen bekommen. Die Grün-Weißen, die immer
noch ihrer Form hinterherhinken, erwartet keine leichte Aufgabe. Gerade
die Außenpositionen mit dem zwar bemühten aber glücklosen Boenisch und
dem überforderten Fritz machen derzeit Sorgen. Im Sturm herrscht neben
Pizarro Flaute und im Mittelfeld konnte gestern einzig Diego
internationale Klasse beweisen. Der ganz große Glanz fehlte eben an
diesem dennoch äußert unterhaltsamen UEFA-Cup Abend.
Achja, Beckham durfte auch noch ran. Drei Minuten. Da kann man
schon mal ins Schwitzen kommen. Zog sich auch gleich unter lautem
Gekreische einiger Fans das Trikot aus und warf es in die „Curva“. In
diesem Moment versagten dem Schreiber dieser Zeilen die Batterien
seiner Digitalkamera. Tut mir leid für die Damenwelt, aber es gibt doch
schon genug Fotos von Beckham oben ohne oder?