Jawattdenn.de:
Es ist unfassbar, dass man so wichtige Ausfälle wie Kerim Avci und Suat Tokat so kompensieren kann...

Waldemar Wrobel:
Ich gehe sogar einen Schritt weiter. Es sind nicht nur Avci und Tokat ausgefallen, sondern auch Kevin Lehman, der bis dahin überragend gespielt hat. Darüber hinaus fallen Damir Ivancicevic und Philipp Kunz aus, das sind Spieler, die würden woanders in der Liga alle spielen.

Jawattdenn.de:
Ist das nicht auch ein schöner Beweis, dass der zweite Anzug auch passt? Auf einmal kommt ein Junge wie Meik Kuta auf das Feld und bringt super Leistungen. Auch die Leute im Hintergrund kann man in dieser Saison anscheinend problemlos bringen?

Michael Dier:
Auch Jan Jensen oder Sebastian Pilch, es ist egal wer von Anfang an bei uns spielt. Jan Jensen spielt auf der Sechser-Position einfach überragend. Das hat sich die ganze Saison über gezeigt. Wer in die Partie kommt, bringt in der Regel auch gute Leistungen. Es fing auf der Torhüterposition schon an. Philipp Kunz verletzte sich und dann kam Dennis Lamczyk, der eine gute Saison spielt. Oder Meik Kuta, der Kevin Lehmann ersetzen muss. Egal wen wir nachgeschmissen haben, es funktionierte trotzdem.

Waldemar Wrobel:
Der Begriff „zweiter Anzug" ist aus unserer Sicht nicht richtig. Das sind Begrifflichkeiten, die wir nicht wählen. Wir haben einen Kader und es spielen die, die aus unserer Sicht das momentan stärkste Team auf das Tableau bringen. Das kann sich immer wieder ändern. Es ist nicht der „zweite Anzug", sondern es gibt nur unterschiedliche Anlässe und unterschiedliche Mannschaften. Von daher sind alle wichtig und das haben die Verletzungen leider gezeigt, dass wir ein vernünftiges „Back-up" auf den betreffenden Positionen haben.

Jawattdenn.de:
Es gibt kaum etwas zu Meckern, aber gibt es bestimmte Schwachpunkte bei der Mannschaft, an denen Sie verstärkt mit den Jungs arbeiten?

Waldemar Wrobel:
Als verantwortlicher Trainer bist Du nie zufrieden. Wir sind in einer Liga, in der wir sehr gut zurechtkommen, aber es gibt immer Möglichkeiten, das Spiel besser zu machen, die Mannschaft besser zu machen und jeden Einzelnen besser zu machen. Das ist unsere Aufgabe. Wir haben eine extrem junge Mannschaft, die sehr viel Potential in sich trägt. Das ist der Ist-Stand und wir sind in der Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Wir können die Jungs selbst und sie auch als Kollektiv verbessern.

Michael Dier:
Wir haben Trainingsabende, wo nicht alles rund läuft und Vorbereitungsspiele, in denen nicht alles klappt. Da gibt es immer wieder Kritikpunkte.

Jawattdenn.de:
Der ehemalige Bundesligaspieler und Trainer Bernhard Dietz war auch im Profibereich tätig und sagte dann, dass es mehr Spaß macht, mit jüngeren Spielern zu arbeiten und das professionelle Geschäft nichts für ihn wäre. Uns fällt als Laien von der Tribüne auf, dass gerade die jüngeren Spieler des aktuellen Teams die Vorgaben sehr gut umsetzen. Ein Beispiel wären die Standardsituationen, die sich seit dem ersten Spieltag deutlich verbessert haben. Ist das Arbeitsfeld mit sehr jungen Spielern für einen Trainer besonders reizvoll, da man Fortschritte auch in kürzester Zeit beobachten kann?

Waldemar Wrobel:
Wir beide haben vorher sehr viel im Jugendbereich gearbeitet. Natürlich ist es so, dass man einen Jugendspieler mehr prägen kann als einen etablierten Spieler. Ältere Spieler haben Vorerfahrungen, von denen sie sich in der Regel nicht mehr distanzieren. Aber auch ein Spieler in einer anderen Altersstruktur ist lernfähig, wenn er eine gewisse Intelligenz mitbringt. Wir haben hier insgesamt eine sehr clevere Truppe und es freut uns, wenn im Wettkampf das umgesetzt wird, was wir im Training fordern; auch wenn gerade die Standardsituation aus unserer Sicht noch viel besser als im derzeitigen Training sein sollten.

Jawattdenn.de:
Herr Wrobel, Sie erhielten von den Fans besonders viele Sympathien nach der Pressekonferenz im Anschluss an das Auswärtsspiel in Herne, in der Sie sehr souverän mit den bissigen Kommentaren des Herner Trainers und eines PK-Besuchers umgingen. Sind Sie auch insgesamt ein eher ruhigerer Trainertyp oder fallen schon mal deutliche Worte in der Kabine gegenüber Ihrer Mannschaft?

Waldemar Wrobel:
Ich würde mich im Umgang mit der Mannschaft als sehr emotional bezeichnen. In den internen Gesprächen mit der Mannschaft in der Kabine bin ich sehr direkt. Nach außen hin wird es aber über meine Jungs kein negatives Wort geben. Zur Pressekonferenz kann ich nur sagen, dass man sich unter Kollegen entweder  auf einem gewissen Niveau verkauft oder eben nicht. Jeder konnte sehen, was in Herne abgelaufen ist und soll daraus seine eigenen Schlüsse ziehen.

Michael Dier:
Ich stand weiter hinten, habe mich mit einem Freund unterhalten und bekam die Konferenz nur beiläufig mit. Man hat nicht für möglich gehalten, dass das plötzlich so ausartet. Wir hatten das Spiel klar gewonnen und die Punkte verdient mitgenommen.

Jawattdenn.de:
Der Herner Trainer warf ein, dass es bessere Mannschaften in der Liga gibt als RWE. Das mag individuell sein, wie wir es ja schon angesprochen haben, aber ein Teil des Erfolges ist die ungeheure Konstanz, die diese Mannschaft mitbringt. Man hat auf der Tribüne nicht das Gefühl, dass es stark schwankende Leistungskurven gibt. Die Mannschaft bringt konstant jede Woche ihre Leistung, oder sehen Sie das anders?

Waldemar Wrobel:
Wenn ich mir die aktuelle Tabelle der NRW-Liga anschaue und wir keine gute Mannschaft haben, müssen die anderen Mannschaften verdammt schlecht sein. Ich habe wohl richtig gelesen, dass wir mit einer sehr jungen Mannschaft immer noch Tabellenführer sind. Selbst wenn wir nicht die beste Mannschaft der Liga haben und trotzdem schon 40 Punkte haben, nehmen wir das gerne so mit.

Jawattdenn.de:
Das war jetzt auch weniger auf die Pressekonferenz in Herne gemünzt...

Waldemar Wrobel:
Nein, aber die Pressekonferenz in Herne war schon geil (lacht). Ich freue mich schon auf das Rückspiel.

Jawattdenn.de:
Aber genau diese Kontinuität wollten Sie schon vor der Saison mit der Mannschaft erreichen.

Waldemar Wrobel:
Vollkommen richtig. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir den Leuten zeigen wollen, dass hier vernünftig gearbeitet wird und wir keine Versprechungen machen, die wir nicht halten können. Das einzige was wir machen können ist den Zuschauern das Gefühl dafür geben, dass die Spieler alles tun, um ein Spiel zu gewinnen. Es wird nicht immer gelingen, aber die Fans sollen nicht sagen können, dass die Jungs sich nicht bemüht haben. Spieler, die das nicht umsetzen können, sind bei uns fehl am Platze.

Jawattdenn.de:
Wie sehr ärgert es Sie aufgrund Ihres Konzeptes, dass die A-Jugend nicht mehr in der ersten Bundesliga spielt? Momentan sieht es ganz gut aus, die Mannschaft ist Tabellenführer und kann wieder aufsteigen, aber leider fehlen aufgrund des Abstiegs Möglichkeiten zur Rekrutierung von talentierten Nachwuchsspielern.

Waldemar Wrobel:
Der Abstieg der A-Jugend ist Vergangenheit, sich jetzt noch darüber zu ärgern lohnt sich nicht. Ich freue mich darüber, dass die Mannschaft so gut da steht. Wir spielen mit der Ersten Mannschaft „nur" NRW-Liga und unterhalten dennoch eine überragende Jugendarbeit. Was Andreas Winkler und sein Team dort leisten ist phänomenal. Die B-Jugend spielt eine überragende Saison in der Bundesliga. Wir haben hier Jahr für Jahr sehr gute Jungs, die regelmäßig zu den anderen großen Mannschaften abwandern und dort guten Fußball spielen. Mit der A-Jugend haben wir im nächsten Jahr wahrscheinlich wieder die Möglichkeit, in der Bundesliga zu spielen. Das ist eine Leistung, die nicht hoch genug anzurechnen ist. Wenn man sich die Bedingungen anschaut, die wir im Vergleich zu anderen Klubs haben, muss man einfach sämtliche Hüte vor den Beteiligten der Jugendarbeit ziehen.

Jawattdenn.de:
Hypothetisch gesehen, wäre aber eine A-Jugendmannschaft in der Bundesliga ein sehr gutes Becken für die Rekrutierung von Spielern für die erste Mannschaft?

Waldemar Wrobel:
Natürlich und zwar aus zweierlei Hinsicht: Nicht nur für uns als Erste Mannschaft wäre das sensationell, sondern auch die B-Jugendspieler aus der Bundesliga kann man dadurch halten. Warum sollte ein talentierter B-Jugendlicher den Verein verlassen, wenn er doch in der A-Jugend Bundesliga spielen kann und nicht in der Niederrheinliga spielen muss. Für die Entwicklung dieses Klubs ist das enorm wichtig und ich bin mir sicher, dass wir dort wieder eine gute Rolle spielen werden.

Jawattdenn.de:
Wir wollen nicht den sprichwörtlichen Teufel an die Wand malen, aber nehmen wir doch auch hier rein hypothetisch an, dass die erste Mannschaft im nächsten Jahr wieder in der Vierten Liga spielen würde. Wäre es dann so, dass hier wieder auf den Profibetrieb umgestellt würde?

Waldemar Wrobel:
Ein ganz klares Nein! Wir haben eine Verpflichtung gegenüber jedem einzelnen Spieler. Wir können doch nicht im Sommer die Jungs holen, die in Ausbildung und Schule stecken, um sie dann auszusortieren. Wir bleiben unserer Linie treu. Wir haben Aussagen gegenüber den Jungs getätigt, wir haben den Jungs teilweise Lehrstellen besorgt und von daher ist es unsere verdammte Aufgabe, dass diese Jungs ihren beruflichen Werdegang beenden, egal in welcher Liga Rot-Weiss Essen spielt. Sie haben uns geholfen, natürlich rein hypothetisch gesehen, den Verein in die Vierte Liga zu bringen und wir haben die Pflicht dazu, uns um diese Jungs in jeder Hinsicht zu kümmern. Von daher wird es hier nächstes Jahr kein Profitum geben! Auch finanziell ist das gar nicht möglich. Auch im nächsten Jahr wird es hier keine Ringeltauben zu verdienen geben. Das muss den Leuten bewusst sein! Wir sind hier neudeutsch gesagt „Low Budget".

Jawattdenn.de:
Die Sportfreunde aus Lotte haben gezeigt, dass es auch ohne Profitum geht. Jetzt haben sie zwar ihr System umgestellt, aber vorher wäre man auch so fast in die Dritte Liga aufgestiegen.

Waldemar Wrobel:
Lotte ist ein sehr schlechtes Beispiel! Lotte spielt nicht nur finanziell in einer ganz anderen Liga, die spielen unter klassischen Profibedingungen. Von den Spielern geht keiner arbeiten und dort werden Summen gezahlt, da träumt jeder Einzelne von uns hier.

Jawattdenn.de:
Was wäre denn mit Rot-Weiss Essen möglich, wenn man ihre Linie so weiter fahren kann, wie es bisher der Fall ist?

Michael Dier:
Damit befassen wir uns gar nicht. Für uns zählt nur das Spiel am kommenden Freitag gegen Rhynern. Und dann steht schon das nächste Meisterschaftsspiel gegen Velbert an. Es folgen dann noch wichtige Pokalspiele. Was hier möglich ist weiß doch jeder, aber mit diesen Sachen beschäftigen wir uns nicht.

Waldemar Wrobel:
Die Frage zielt doch genau in die Richtung, wie wir sie hier nicht mehr haben wollen. Wir haben in der Vergangenheit immer nur davon gesprochen, was mit RWE alles möglich ist und wo wir schon sind. Es gibt bestimmt jetzt schon wieder die Ersten, die Tickets für die Bundesliga gedruckt haben. Lasst uns doch schrittweise alles mitnehmen und den Moment genießen. Dass hier einiges möglich ist, weiß man. Wo 7.000 Zuschauer im Schnitt in der NRW-Liga hinkommen, da muss der Klub positiv bekloppt sein. Lasst uns doch die Kirche im Dorf lassen.

Wir haben gesagt, dass wir seriös, schrittweise, offen und ehrlich arbeiten wollen und dazu zählt auch zu sagen, dass wir jetzt in der NRW-Liga spielen und dann schauen, was noch weiter drin ist. Wir sind bereit für alles und werden auch alles daran setzen, die Tabelle so zu lassen wie sie momentan ist, aber das ist auch das Einzige worauf wir uns momentan hier konzentrieren. Alles andere ist noch nicht unsere Baustelle.

Jawattdenn.de:
Es liegt eine anstrengende Woche hinter der Mannschaft und es wird eine anstrengende Woche folgen. Auf dem Papier sieht es nicht ganz so schwer aus, dennoch ist es ein ganz schön heftiges Programm. Rhynern kommt am Freitag, dann folgt das Spiel am nächsten Mittwoch gegen Velbert und die englische Woche schließt mit dem Spiel in Bergisch-Gladbach ab. Schon die letzte Woche mit dem hohen Tempo im Pokalspiel gegen Wuppertal war sehr kräftezehrend, wie stellt man die Mannschaft weiter auf den Erfolgskurs ein und welche möglichen Gefahren sehen Sie in dieser Situation?

Waldemar Wrobel:
Solange die Jungs gewinnen, laufen die wie die Hasen. Die Motivation nach gewonnen Spielen kommt von selbst.

Michael Dier:
Die letzte Woche mit Köln, Wuppertal und Schermbeck war für die Jungs schon sehr anstrengend. Sie sind platt und müde. Wir müssen mehr regenerieren, als es im normalen Betrieb üblich ist. Wir wollen am Freitag wieder topfit sein. Das werden wir schon irgendwie hinkriegen.

Waldemar Wrobel:
Wir sind hundertprozentig bereit für diese Aufgaben!

Michael Dier:
Wir haben eine absolut positive Ausgangslage. Wir stehen ja nicht unten und müssen Angst haben.

Jawattdenn.de:
Gegen einen Gegner wir Rhynern wird von außen gesagt, dass man die schon schlagen wird. Rhynern hat schon gezeigt, dass sie Fußball spielen können. Wie geht man in so einer Woche vor?

Michael Dier:
Wir selbst haben auch nur 2:2 in Ahlen gegen Rhynern gespielt. Die Mannschaft kommt hier hin und wird sich auch nicht geschlagen geben. Wir müssen in dieser Liga jedes Mal 100 Prozent geben. Wenn wir nur 80 oder 90 Prozent Leistung geben, gewinnen wir nichts.

Waldemar Wrobel:
Wir schlafen ja nicht auf dem Baum. Das war schon gegen Schermbeck so. Wie stark Rhynern ist, haben wir im Hinspiel gesehen. Von daher gibt es doch gar keinen Grund, weswegen wir die auf einmal wegflexen sollten. Wir haben eine gute Chance, aber nur, wenn wir so weiterspielen wie bisher.

Jawattdenn.de:
Wir bedanken uns sehr herzlich bei ihnen beiden für dieses Gespräch und wünschen weiterhin viel Erfolg für den weiteren Saisonverlauf!


Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Pascal Druschke vor dem Spiel gegen Westfalia Rhynern