Interview mit Uwe Neuhaus
Vor der Abfahrt nach Bremen stand Uwe Neuhaus Jawattdenn.de Rede und Antwort zu Fragen über die derzeitige Stimmung im Stadion, Leistungen der Mannschaft und über seine Person.
Jawattdenn.de:
Guten Tag, Herr Neuhaus. Erstmal vielen Dank, dass
sie sich die Zeit nehmen, uns hier Rede und Antwort
zu stehen. Viele Fans, die seit etlichen Jahren die
Spiele an der Hafenstrasse besuchen, beklagen sich
über die derzeit miserable Stimmung im Stadion.
Kann man einzig und allein den – zu Saisonbeginn
eingeführten – Blockwechsel dafür verantwortlich
machen, oder liegt es schlicht und einfach am derzeitigen
Fußball, der den Fans geboten wird? Ihr Ansehen
bei den Fans scheint auch nicht gerade gefestigt.
Uwe Neuhaus:
Jawattdenn.de:
Wie stellte sich die Situation denn nach dem Abstieg dar, und warum verließen so viele Spieler wie nie zuvor den Verein?
Uwe Neuhaus:
Da die Spieler aus der Vorsaison - mit wenigen Ausnahmen - absolut nicht mein Vertrauen hatten, musste ich während der gesamten Sommerpause einen neuen Kader zusammenstellen. Nachdem ich über die Vorfälle vor meiner Amtszeit in Kenntnis gesetzt wurde und mir ein eigenes Bild gemacht hatte, denke ich, der Schritt war berechtigt und richtig. Es ist erst einmal sehr schwierig einen komplett neuen Kader zusammen zu stellen. Die Stimmung nach dem Abstieg war total am Boden. Dies hat sich dann aber im Sommer ein wenig verbessert. Hier hatten wir uns anfangs mit guten Leistungen in der Vorbereitung Stück für Stück das Vertrauen der Leute zurück erarbeitet, das war schon zu spüren. Aber die Enttäuschung über den Abstieg ist schon ein wichtiger Punkt.
Jawattdenn.de:
Würden sie denn auch die neue Stadionstruktur mit dem verbundenen Blockwechsel dafür verantwortlich machen?
Uwe Neuhaus:
Die Blocktrennung trägt natürlich auch ein wenig zu der schlechten Stimmung bei. Die Fans stehen jetzt nicht mehr auf ihren Stammplätzen und müssen zusehen, wie Anhänger anderer Vereine in „ihrem Wohnzimmer“ Stimmung machen. Das Hauptproblem ist aber eher, dass ein großer Teil der Besucher Angst hat, das Ziel könnte verfehlt werden.
Jawattdenn.de:
In der Vorbereitung und zu Saisonbeginn spielte die Mannschaft noch leidenschaftlicher und man konnte regelrecht spüren, die Fans nehmen die neuen Spieler auf.
Uwe Neuhaus:
Natürlich hatten wir einen guten Start erwischt. Da war zunächst das Spiel in Emden, bei dem wir hervorragenden Fußball geboten haben, dann die unglückliche Niederlage gegen Lübeck, bei der die Mannschaft gekämpft hat und man ihr absolut keinen Vorwurf machen konnte. Das wurde von den Zuschauern honoriert. Das Spiel in Düsseldorf war dann ein Paradebeispiel dafür, wie ein Publikum eine zurückliegende Mannschaft nach vorne peitschen kann. Ich denke, hier hat man 3 Punkte, gerade durch die fantastische Stimmung auf den Rängen, einfahren können.
Jawattdenn.de:
Schildern sie kurz aus ihrer Sicht den Trend, dass jetzt vermehrt gepfiffen, denn gejubelt wird?
Uwe Neuhaus:
Ich glaube hier kann man das Cottbusspiel als Wendemarke bezeichnen. Die Mannschaft schied nach hervorragendem Spiel und bedingungslosem Kampf unglücklich aus und die Fans gingen dennoch einigermaßen zufrieden nach Hause. Prekär wurde es dann nach dem Wuppertalspiel. Hier spürte ich erstmals, dass die Stimmung allmählich anfing zu kippen. Dann kamen so „attraktive“ Gegner wie Leverkusen Amateure, die der Fan natürlich gleich von vornherein unterschätzt und es immer nur eine Frage ist, wie hoch die Klatsche für den Gegner sein wird. Danach dann bei der Hertha haben wir die Möglichkeit mit einem Sieg auf Platz 2 vorzustoßen. Das Spiel in Berlin war natürlich eine Katastrophe, da brauchen wir kein Blatt vor den Mund zu nehmen, aber hier fing es dann an, richtig schlimm zu werden, die Spieler wurden mit Bierdosen beworfen und wüst beschimpft.
Jawattdenn.de:
Fehlt der Mannschaft noch ein wenig mehr Cleverness? Man bekam zu letzt auch irgendwie den Eindruck vermittelt, das Team würde nur noch ergebnisverwaltend spielen!
Uwe Neuhaus:
Natürlich müssen wir uns auf die Fahne schreiben, dass wir Spiele gegen Oberhausen, Köln oder Hamburg nicht überzeugend nach Hause gebracht haben. Hier war die Mannschaft kurz davor, Souveränität zu entwickeln, machte sich das Leben aber durch individuelle Fehler unnötig schwer. Genauso in Wattenscheid, da bekommen wir in unserer besten Phase des Spiels so ein unglückliches Tor rein und rennen einem Rückstand hinterher, obwohl es sicherlich nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, bis uns der Führungstreffer gelungen wäre.
Jawattdenn.de:
Fehlt der Mannschaft denn nicht ein Kopf auf dem Rasen? Alexander Löbe wäre sicherlich ein Typ dafür. Ali Bilgin ist zu verletzungsanfällig und was die Leute offensichtlich vermissen, sind Identifikationsfiguren á la Bjarne Goldbaek oder Erwin Koen.
Uwe Neuhaus:
Natürlich hat ein Alexander Löbe das Zeug zum Leader, spielt aber etwas zu weit vorne. Auch ein Michael Lorenz hat das Zeug durch seine Organisation vor der Abwehr, ist aber noch nicht der Spieler, der auf dem Platz laut wird.
Jawattdenn.de:
Und Erwin Koen, gibt es da Konkretes zu berichten?
Uwe Neuhaus:
Ein Erwin Koen ist immer ein interessanter Mann, aber hier hat es definitiv noch keinen Kontakt geschweige denn Gespräche gegeben. Wir halten uns aber die Option offen, in der Winterpause nachzulegen und eventuell einen Führungsspieler zu verpflichten, allerdings sind solche Spieler für die dritte Liga schwer zu gewinnen, zumal auch noch die Hälfte der Vereine aus den oberen Ligen nach solchen Spielern Ausschau hält.
Jawattdenn.de:
Inwieweit war es da richtig auf die Karte „Ali Bilgin“ zu setzen?
Uwe Neuhaus:
Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass ein Ali Bilgin im Vollbesitz seiner Kräfte der Führungsspieler auf dem Rasen sein kann, der die anderen Spieler mitreißt, allein schon durch sein körperbetontes Spiel und seine herausragende Technik. Natürlich war es Pech, dass er Teile der Vorbereitung, ebenso wie Löbe, nicht mitmachen konnte, aber eigentlich sind das die vorgesehenen Säulen unserer Mannschaft.
Jawattdenn.de:
Wie kommen eigentlich so kuriose Verbindungen zu Spielern aus der zweiten Schwedischen Liga zu Stande?
Uwe Neuhaus:
Die Saison dort ist gerade vorbei. Wir sichten die Spieler aus den deutschen Ligen. Freitags und sonntags halt die zweite oder die Regionalliga. Solche Leute werden dann von Beratern als „Granaten“ angeboten. Aber dieser Spieler hätte uns definitiv nicht weiter geholfen.
Jawattdenn.de:
Wie erklären Sie sich den Einbruch des Teams am Millerntor, insbesondere in der zweiten Halbzeit?
Uwe Neuhaus:
Jawattdenn.de:
Die, in den Spielen zuvor vereinzelten, "Neuhaus Raus" Rufe waren im Letzten unüberhörbar. Haben Sie Verständnis für die Reaktionen der Fans und wie erklären Sie sich die scheinbare Dünnhäutigkeit?
Uwe Neuhaus:
Natürlich hört man das. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht belastet. Aber mir war doch vorher klar, auf was ich mich da eingelassen hatte. Hier hat der Verein ganz klar ein Ziel ausgegeben, welches auch den Gedanken der Fans widerspiegelt und daran werden wir uns und unsere Arbeit messen lassen müssen. Es war nie unsere Ambition, von den vorderen Rängen abgeschlagen zu sein, aber ein wirklich aussagekräftiges Bild haben wir doch erst dann wieder, wenn die Hinrunde vorbei ist. Dann ist die Tabelle begradigt und wir wissen, wo wir stehen.
Jawattdenn.de:
Wie gehen Sie mit solch einer Kritik und Druck um?
Uwe Neuhaus:
Man muss damit umgehen können.
Jawattdenn.de:
Was würden Sie einem Fan sagen, der im Stadion bei einem Spielstand von 2:0 den Kopf des Trainers fordert?
Uwe Neuhaus:
Schlimm daran ist, dass sich die Verunsicherung dann auch auf die Mannschaft überträgt. Da sind 19 neue Spieler, die kennen die Situation nicht, 2:0 oder 3:1 zu führen und trotzdem die Kritiker im Nacken zu haben. Auch wenn sicherlich bislang nicht immer alles Gold war, was glänzte. Aber daran arbeiten wir und das sehen wir doch auch.
Jawattdenn.de:
Für viele Fans scheint die Mannschaft nach 16 Spieltagen immer noch nicht eingespielt zu sein und konditionelle Schwächen zu haben. Einige sehen den Hauptgrund hier im Trainingsplan, der nur eine Einheit pro Tag vorsieht. Wird bei anderen Teams aus der Regionalliga mehr trainiert oder gibt es noch Trainingseinheiten, von welchen wir nichts mit bekommen?
Uwe Neuhaus:
(lacht) Natürlich kann ich nur von meiner Erfahrung als Trainer und ehemaliger Spieler sprechen, aber das ist eigentlich Gang und Gebe, selbst in der ersten Bundesliga, wo ich als Assistenztrainer des Kaders von Borussia Dortmund immerhin lange Zeit einen Einblick hatte. Später dann unter Bert van Marwijk bspw. wurde nach einem Bundesligaspiel am Folgetag niemals trainiert und auch in der Woche gab es trainingsfreie Tage. Dies bei einem Verein, der zwischenzeitlich mal internationale Ambitionen hatte und auch schon im Uefa-Cup-Finale stand. Es ist im Profifußball normal. Und da wollen wir wieder hin.
Jawattdenn.de:
Nach dem Spiel in St. Pauli vernahm man aus der Hamburger Presse aber Spott und Hohn. Man hätte einfach nur den Trainingsplan der Essener in der Kabine ausgehangen und dies als sei der Schlüssel zum Erfolg gewesen, denn angeblich wusste man in Hamburg schon vorher um die konditionellen Schwächen der Essener.
Uwe Neuhaus:
Sorry, aber das ist Schwachsinn. Dass die Mannschaft keine konditionellen Schwächen hat, konnte man doch bei dem Pokalspiel gegen Cottbus sehen, wo die Mannschaft 120 Minuten lang einem Topteam der zweiten Liga Paroli bieten konnte und fast noch den Sieg errungen hätte. Ich denke, dass wir definitiv kein konditionelles Problem haben.
Jawattdenn.de:
Weiterer Kritikpunkt gegen Ihre Person ist ihre scheinbare Passivität am Seitenrand. Inwieweit können Sie in das Spielgeschehen eingreifen?
Uwe Neuhaus:
Nun, wenn ich am Spielfeldrand den „Hampelmann“ machen würde, und immer wieder die Linie auf und ab traben würde, dann kämen hinterher die Kritiker, die mir unterstellen würden, ich würde mit diesem Gehabe die Mannschaft verunsichern. Ich denke, dass muss jeder Trainer für sich selbst entscheiden, wie er sich am Spielfeldrand gibt. Natürlich gebe ich auch während eines Spieles, wenn ich bemerke, die Mannschaft funktioniert nicht so, wie wir uns das vorher gedacht haben, taktische Anweisungen.
Jawattdenn.de:
Bereuen Sie den Wechsel zu RWE? War es beim BVB nicht – salopp formuliert – eine Art von Lotterleben? Sie standen nicht so im Fokus und hatten da doch mehr Ruhe!
Uwe Neuhaus:
Natürlich bereue ich den Wechsel nicht, und das „Lotterleben“ hätte ich ja weiter behalten können. Ich wusste aber, durch mein eigenes Engagement hier als ehemaliger Spieler, was hier alles machbar ist und was für ein Potential der Verein hat. Das es nicht einfach werden würde, war ja klar, doch da sollten wir uns alle in die Pflicht nehmen, um die gesteckten Ziele zu realisieren.
Jawattdenn.de:
Sie haben die Möglichkeit einen besonderen Appell an die Fans zu richten. Irgendwas was Ihnen unter den Fingernägeln brennt?
Uwe Neuhaus:
Ja, ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir uns als Mannschaft und Fans wieder als geschlossene Einheit präsentieren und unser großes Ziel, den Wiederaufstieg, gemeinsam erreichen.
Jawattdenn.de:
Informieren Sie sich eigentlich über die aktuelle Stimmungslage im Internet?
Uwe Neuhaus:
Natürlich liest man hier und da und bekommt so ein Bild von den Sorgen bei den Fans, schließlich habe ich ja hier einen Computer stehen. Es ist teilweise sehr interessant zu lesen, wie der normale Fan die Lage einschätzt. Auch unsere Kiebitze am Trainingsplatz geben hier und da Tipps und fragen, warum ich bestimmten Situationen nicht so und so reagiert habe.
Jawattdenn.de:
Gut, dann bedanken wir uns für das Gespräch. Viel Erfolg morgen.
Das Interview führten Frank Schulz, Oliver Perrey und Martin Noll.