Ultras Essen Kurzinterview
Die erste Saison im neuen Stadion ist gespielt, die zweite mit neuer Heimtribüne steht an. Zeit also für ein kleines Fazit und Kurzinterview mit den Ultras. Die Ultras Essen beantworteten unsere Fragen zur neuen Heimat, der ersten Saison und zur Personalie Knappmann.
Jawattdenn.de: Wie sehen die Vorbereitungen für den Umzug auf die West aus?
Ultras Essen: Die Umzugskartons sind gepackt und sie sind randvoll! Wir sind
überglücklich, bald wieder richtige Stehplätze unter unseren Füßen zu
haben! Die letzte Saison auf der Sitzplatztribüne war so grauenhaft,
dass man während dieser Spiele mal wieder gemerkt hat, was man mit der
Osttribüne des GMS für einen Schatz inne hatte. Hier gilt es sämtliche
Kräfte zu mobilisieren, dies Gefühl der ehemaligen Ost auf die neue West
zu übertragen. Es wird sicherlich ein langer Weg und man darf nicht mit
der Vorstellung die West betreten, dass sich alles bereits am ersten
Spieltag findet und die Hütte brennt. Vielmehr wird es mindestens eine
Saison dauern, bis jeder seinen Stammplatz gesucht und gefunden hat
bzw. bis sich alles halt irgendwie eingespielt hat. Genau diese Zeit
muss sich ein jeder geben, sonst wird es eine herbe Enttäuschung.
Man muss diese Tribüne aber als wirkliche Chance für die Fanszene
verstehen! Hier kann sich die rot-weisse Fanlandschaft eine neue Heimat
erschaffen. Aus diesem Grund haben wir zusammen mit anderen
stimmungsorientierten Gruppen auch das Projekt "Westtribüne" ins Leben
gerufen, welches genau diesen Ansatz verfolgt. Man konnte in der
vergangenen Saison ja schon den ein oder anderen Hinweis im Stadion
erblicken. Erste Infos zu diesem Projekt können unter www.westtribuene-essen.de abgerufen werden. Es sei jedem ans Herz gelegt, hier öfter mal vorbeizuschauen. Es wird sich in sehr naher Zukunft einiges tun!
Für unsere Gruppe steht jedenfalls fest, dass wir all unsere Energie in
diese Tribüne legen werden, um dort mit allen anderen RWE-Fanatikern
gemeinsam eine Festung auferstehen zu lassen!
Jawattdenn.de: Wie beurteilt man die baulichen Gegebenheiten auf der West? (Zäune, Blockabgrenzungen, Choreotauglichkeit)
Ultras Essen: Geht so! Sagen wir es mal so: es hätte besser kommen können, es hätte
uns aber auch wesentlich schlimmer treffen können. Wir stehen seit
geraumer Zeit mit Verein und GVE sehr eng in Kontakt, gerade Letztere
hat uns recht früh kontaktiert, um Gespräche aufnehmen zu können. Sowohl
der Kontakt zum Verein als auch zur GVE waren und sind sehr
konstruktiv, können aber leider - in 2013 ganz normal - nicht alle
fanrelevante Themen komplett befriedigen. Dass die West vor
Wellenbrechern nur so strotz und es auch Blockbegrenzungen gibt, ist nun
mal dank Versammlungsstättenverordnung und diversen anderen
Gegebenheiten unumgänglich. Auch der Zaun zum Spielfeldrand ist so eine
Sache, mit der wir nicht glücklich sind, da dieser eben nicht nur
unansehnlich, sondern auch gefährlich ist. So hart es klingt, wir warten
nur auf den ersten Verletzten im Gästeblock, da dort der baugleiche
Zaun steht und der ein oder andere Zuschauer in der Praxis halt doch mal
den Zaun besteigt. Gerade in der letzten Saison haben aber die Essener
Stehplatzbesucher auf der Sitzplatztribüne gezeigt, dass es auch ohne
Zaun geht. Schade, dass man der Fanszene also diese Chance nicht gibt,
zumal man munkelt, dass der Zaun noch viel "extremer" hätte ausfallen
sollen, wenn es nach dem Willen der Polizei ginge. Von daher hätte es
noch schlimmer kommen können. So hätte die Blockbegrenzung auf der West
zum Beispiel auch mal locker zwei Meter hoch, oder der Zaun zum
Spielfeld hin nach innen hin abgewinkelt und mit Stacheln versehen sein
können.
Generell ist natürlich auch so manche bauliche Gegebenheit zu bemängeln.
Ein Mundloch direkt hinterm Tor könnte ein Stimmungsloch sein, im
wahrsten Sinne des Wortes. Da fragt man sich natürlich schon, ob man bei
der Planung / Architektur auch mal an die Praxis gedacht hat, oder
schlicht nach irgendwelchen (sinnfreien) Vorgaben gegangen ist. Ein
Mundloch gehört nicht hinters Tor, hier gehören die Fans hin!
Schlussendlich wird aber auch hier die Zeit zeigen, wie sehr uns das
alles beeinträchtigt. Wir gehen zumindest davon aus, dass wir mit Verein
und Sicherheitsdienst einen Weg finden, dass nicht alle fünf Meter ein
Ordner steht und / oder man alle zehn Meter seine Eintrittskarte
vorzeigen muss, so dass der Heimspielaufenthalt auch wirklich einer wird
und man sich wohl fühlen kann.
Was die Choreotauglichkeit betrifft, konnten wir die ausführenden Organe
für manch eine Idee gewinnen, aber auch hier ist noch nicht aller Tage
Abend. Wir haben gerade durch die letzten beiden Choreos zum
GMS-Abschied und dem 60-jährigen Pokalsieg gemerkt, dass noch sehr viel
Luft nach oben ist. Diese wollen wir auf der West ausnutzen und unsere
Vorstellungen verwirklichen. Sicherlich werden einige Aktionen den
Stempel "Experiment" bekommen, doch die Latte ist hoch gesetzt und
wartet nun auf Verwirklichung. Wichtig in diesem Kontext ist uns,
nochmals ein "Danke" an die Tribünenbesucher loszuwerden, welche gerade
die letzen beiden Choreos zu etwas ganz Besonderem gemacht haben! Wir
sind uns bewusst, dass nicht jeder Essener etwas mit solchen Aktionen
anfangen kann und Viele Unverständnis haben, wenn mal 5 Minuten das
Spielfeld verdeckt wird. Aber genau hier fängt der gegenseitige Respekt
an und dass eben dieser uns anhand diverser Mails, Gespräche oder
Spenden entgegengebracht wird, erfüllt uns mit großem Stolz. Von daher
können wir ebenso stolz auf die Entwicklung hinsichtlich "Choreos und
optischem Support" an der Hafenstraße blicken und wollen dies nun auf
der West ausbauen!
Jawattdenn.de: Geht man für organisatorischen Hinweise noch auf die Fanszene zu? (Fahnenplätze, Positionierung,...)
Ultras Essen: Ja! Wir haben bereits mit 2-3 Informationstexten auf unserer Homepage
und den bekannten Medien erste Schritte eingeleitet. Auch im Hintergrund
laufen Gespräche mit anderen Gruppen und Fans.
Unsere Gruppe wird sich zur neuen Saison im W2 hinter unserer Zaunfahne
einfinden und analog zur alten Ost den Stimmungskern wieder hinters Tor
legen. Wie bereits erwähnt, wird sicherlich der ein oder andere Spieltag
ins Land ziehen, bis sich alles findet, wobei sich soviel unserer
Meinung nach aber gar nicht im Vergleich zur alten Ost tun wird. Sowohl
Zaunfahnen, als auch der jeweilige Stammplatz, waren auf der Ost klar
definiert und so würde es uns wundern, wenn sich da nun große
Unterschiede auftun.
Dennoch wollen wir vor der Saison noch ein gemeinsames Treffen
einberufen, um genau solche Themen kurz aufzugreifen und zu besprechen,
damit es am ersten Spieltag kein "Chaos" gibt. Dieses Treffen kann
allerdings recht kurzfristig passieren, eventuell wenige Tage vor dem
ersten Spieltag, da die letzten Infos und Fakten eben sehr kurzfristig
feststehen werden. Wir wissen zum Beispiel am heutigen Tage noch nicht
genau, wo unser Info-Stand stehen wird. Auch solche Details müssen noch
geklärt werden. Aber zu all diesen Themen stehen wir mit den Offiziellen
im engen Kontakt, so dass wir alle zusammen sicher ein gutes und
langfristiges Konzept ausarbeiten können. Aktuell sondieren wir zum
Beispiel mögliche Zaunfahnenplätze und die Möglichkeit, die West so
rot-weiss wie möglich gestalten zu können. Wir sind da recht entspannt
und können nur jedem empfehlen, auch selbst nicht in Hektik zu
verfallen. Lasst uns zusehen, dass wir uns gemeinsam eine Heimat
aufbauen, welche es verdient, als Heimat bezeichnet zu werden!
Jawattdenn.de: Wie ist das Fazit der 1. Saison im neuen Stadion?
Ultras Essen: Schwierig. Am besten beschreibt es das Wort "Übergangssaison", intern
übrigens das (Un-)Wort des Jahres bei uns. Müsste man heute ein Fazit
zum neuen Stadion ziehen, würde es negativ ausfallen. Das Gute ist aber,
dass wir nun auf "unsere" Tribüne wechseln und dort einen wirklichen
Neuanfang starten können. Von daher ist es schwierig, jetzt schon ein
Fazit zu ziehen.
Generell zum Stadion ist im Endeffekt nur das zu sagen, was man überall
schon mal in irgendeiner Form gelesen hat. Es ist alles sehr steril, es
kommt bisher keine wirkliche Atmosphäre auf. Heimisch fühlt sich von uns
noch keiner und es wird sicherlich noch lange dauern, bis dies der Fall
sein wird. Gerade den Älteren unter uns, eben denen, die ihre ersten
Spiele in den 90ern an der "alten" Hafenstrasse gemacht haben, fällt es
sichtlich schwer, sich mit dem neuen Stadion anzufreunden.
Es bedarf also noch viel Zeit bis wir ein richtiges Fazit ziehen können.
Momentan wäre es durch diese erste Saison sehr negativ, deshalb lasst
uns diese Frage besser in 2-3 Jahren beantworten.
Jawattdenn.de: Generelles Fazit der letzten Saison
Ultras Essen: Wir haben erst neulich einen mehrseitigen Bericht für das überregionale Fanzine Blickfang Ultra (http://www.blickfang-ultra.de/)
verfasst, welcher genau auf die Beantwortung dieser Frage abzielt. Das
Heft kommt wohl Ende Juli / Anfang August in den Handel und ist bei uns
am Stand zu erwerben. Wer also mal tief in unser Seelenleben bzw.
unseren Alltag blicken möchte, kann sich dies gern zu Gemüte führen.
Sportlich war es die Saison, die wir erwartet haben. Der Aufstieg wäre
zuviel des Guten gewesen, hätte uns überrascht. Nichtsdestotrotz muss
dies das langfristige Ziel sein. Zwei Jahre ab jetzt sollten das Maximum
in dieser Liga sein. Dennoch ist uns ein konstantes Wachstum auf allen
Ebenen wichtiger als ein schneller Aufstieg, dies haben wir zu oft
mitgemacht und standen dann schnell vor einem Scherbenhaufen. Unnötig
hohe und blamable Niederlagen wie gegen Hüls und Mönchenglabdach II gilt
es aber in Zukunft zu vermeiden, erst Recht diese peinliche Nummer im
Niederrheinpokal. Ansonsten war es den Erwartungen entsprechend.
Für uns stand in der vergangenen Saison in erster Linie die "Arbeit" mit
dem neuen Stadion und den neuen Gegebenheiten an. Lange Gespräche mit
den Vereinsoffiziellen und die Arbeit hinter den Kulissen prägten unsere
Spielzeit. Dazu über Wochen die Arbeiten an der Pokalchoreo, ein
Einbruch in unseren Räumlichkeiten, die Proteste rund um 12:12 und und
und... Langeweile ist anders.
Jawattdenn.de: Aussichten auf die neue Saison
Ultras Essen: Heiter bis wolkig! Sportlich wäre es zu wünschen, wenn sich das Team
weiter festigt und man weiterhin an der Langfristigkeit arbeitet, zumal
diese Saison mit all den ambitionierten Vereinen sicherlich nicht
leichter wird als die letzte. Die unsympathischen Vereine aus Lotte und
Köln werden wieder alles daran setzen, den Aufstieg zu erzwingen,
während Aachen langfristig auch sicher kein Bock auf Liga 4 haben wird.
Überraschungen aus Uerdingen und Wattenscheid nicht ausgeschlossen.
Wo wir auch direkt beim Thema sind. Die Liga ist schon irgendwie
attraktiv neben all den Zweitvertretungen und Dorfvereinen. Wir gehen
jedenfalls von einigen stimmungsgeladenen Spielen aus. Die alten
Schlager gegen Uerdingen, Wattenscheid und Aachen werden sicherlich
nicht uninteressant werden, auf dem Spielfeld sowie auf den Rängen.
Neben den etablierteren Fanszenen blickt man auch gespannt auf
"Neulinge" wie Lippstadt. Mit Hinblick auf die neue Heimat "Westtribüne"
könnte es jedenfalls eine sehr interessante Saison werden. Es bleibt
letztlich an uns allen daran zu arbeiten, dass unser RWE wieder dahin
zurückkehrt, wo er hin gehört, nach ganz oben!
Jawattdenn.de: Ultras Essen, Hauptsponsor 2013 / 2014 - wie kommt´s?
Ultras Essen: Wir haben seit jeher ein gutes Verhältnis zur rot-weissen
Geschäftsstelle und unterstützen Projekte die wir für sinnvoll erachten.
Dies ist bei der Mehrheit unserer Gruppe hier nach der Fall!
Hintergrund unseres Engagements ist im Endeffekt einfach die Tatsache,
dass dieses Projekt in Essen auf einem ganz anderen Level aufgebaut ist,
als die 08/15 kommerziell orientierten Sponsorings die man aus der
Bundesliga kennt. Klar geht es um Geld, klar geht es darum zu verdienen,
aber es handelt sich um eine recht innovative Idee, die es eben auch
"kleineren Unterstützern" ermöglicht sich einzubringen und den Verein so
zu sponsorn - irgendwie ehrlicher als es dem zu geben, der die meiste
Kohle locker machen kann. Generell spricht unserer Auffassung nach
nichts gegen ein Sponsoring, finanzieren muss sich schließlich jeder
irgendwie, es kommt halt nur immer auf das "wie" an.
In der Zeit rund um die Insolvenz haben wir dem Verein immer wieder
unterstützend unter die Arme gegriffen. Beispielsweise im Design von
Fanartikeln, die weg gingen wie warme Semmeln. Finanziell ist unser
Verein ja noch nicht ganz dort angelangt, wo wir sportlich gerne sein
würden. Daher betrachten wir das als Hilfe zum weiteren Schritt nach
Vorne.
Davon ab, ist es die Möglichkeit ein Stück Identität zurückzugewinnen,
wenn demnächst Trikots und Werbeflächen mit szeneinternen Inhalten statt
"Firma XY" zu sehen sind, kann da doch keiner etwas gegen haben. Würde
es tragbar sein, würden wir uns sofort die Rechte am Stadionnamen
sichern. Wer hat nicht schonmal den Traum gehabt, im Lotto zu gewinnen
und sich mit dem Geld den alten Stadionnamen zurückzuholen?
Netter Nebeneffekt ist hier noch die Tatsache, dass wir auch was für
unser Geld bekommen. Das exklusive Trikot mit unserem Logo wird unseren
Mitgliedern vorbehalten sein und ist eine Art Dank für die jahrelange
Treue und Vertrauen in unsere Gruppe, immerhin ist diese in den letzten
Jahren doch stark gewachsen. Wir gehen davon aus, dass es ein schöner
Anblick sein wird, wenn man sich das Teil in 20 Jahren nochmal anschaut.
Jawattdenn.de: Wie steht UE zur Personalie Knappmann und Koep?
Ultras Essen: Spieler kommen und gehen. Die Zeiten, als sich Spieler mit Verein und
Umfeld identifiziert haben, sind doch längst zur Seltenheit geworden.
Von daher brauchen wir da gar nicht so viele Worte zu diesem Thema
verlieren. Heute küssen sie unser Logo, morgen ein anderes. Ganz selten
ist da noch jemand dabei, dem man das abnimmt bzw. zu dem man ein
wirklich aufrichtiges Verhältnis hat. Andersrum ist es doch genauso. Für
99% der heutigen Spieler ist es doch einfach ein Job, kaum mehr.
Treffen mit den Anhängern gehören dazu und hinterlassen kaum Spuren. Man
könnte hier gut in eine Grundsatzdiskussion verfallen, welche aber
jeglichen Rahmen sprengen würde.
Klar, Knappmann polarisiert, erst Recht, weil er den RWE-Anhängern mal
den Mittelfinger gezeigt hat. So etwas vergisst man nicht. Aber wer
würde sich andersrum solche Spieler nicht in den eigenen Reihen
wünschen? Es ist also ein zweischneidiges Schwert mit solchen
Personalien. Unsere Gruppe wird ihm eine Chance geben, welche er sich
durch Aussagen und Gespräche erarbeitet hat. Dann liegt es an ihm, wie
sehr er sich für den Verein ins Zeug legt. Alles andere wird eh die Zeit
und damit die Saison zeigen, denn wenn wir ehrlich sind: lasst ihn gut
spielen und die Leute verdrängen schnell, dass er mal den "Effe" gegen
uns gemacht hat.
Vielen Dank für das Interview!