Interview mit Thomas Strunz

veröffentlicht am 09.04.2009 um 20:05 Uhr

Thomas Strunz ist nun ein ganzes Jahr Geschäftsführer unseres Vereins. In dieser Zeit hat sich viel bewegt und auch wenn es sportlich noch nicht rund läuft, so produziert Rot-Weiss Essen erstmals seit langer Zeit wieder positive Schlagzeilen. Zuletzt wurden die Kölmelverträge abgelöst, der Beschluss ein Stadion zu bauen, wurde offiziell verabschiedet und wie es scheint, wird den Mitgliedern im Mai verkündet, dass der Verein schuldenfrei sei. Grund genug, dass der Geschäftsführer Sport auf Jawattdenn.de über sein turbulentes Jahr an der Hafenstraße berichtet und Auskunft darüber gibt, wie es mit Rot-Weiss Essen in Zukunft weitergeht.

Jawattdenn.de:

Am 19. April sind Sie ein Jahr Geschäftsführer für den sportlichen Bereich bei Rot-Weiss Essen. Wie sieht Ihr Fazit für diese Zeit aus?

Thomas StrunzThomas Strunz:
Es ist sehr viel passiert in dieser kurzen Zeit. Als ich anfing, stand der Verein schon mit beiden Beinen in der Regionalliga, doch fast hätten wir noch die Sensation in der Rückrunde geschafft. Danach trat der Präsident zurück, wir hatten keine Mannschaft, wirtschaftlich waren wir schwer angeschlagen, das für uns überlebenswichtige Stadion lag auf Eis und von einer Lösung der Kölmel-Verträge mit den erst darauf möglichen neuen Strukturen waren wir weit entfernt. Wir haben dann alle gemeinsam die Ärmel aufgekrempelt und uns an die Arbeit gemacht. So ist es uns in den letzten Monaten gelungen viele dieser Probleme zu bearbeiten und bei der Kompliziertheit der Zusammenhänge Schritt für Schritt nach vorne zu kommen.

Der Baubeschluss für das neue Essener Stadion wurde gefasst, wir haben Sponsorenvertrauen zurück gewinnen können, die Trennung von MK-Medien und dem damit freiwerdenden Weg zu neuen, modernen Strukturen ist vollzogen und die Einladungen zu einer Mitgliederversammlung, die diese Strukturen beschließt ist in Arbeit. Damit ist es gelungen unserem RWE endlich eine wirkliche und dauerhafte Perspektive zu geben, die Grundvoraussetzung für den sportlichen Erfolg ist.

Dennoch stehen mit dieser Entwicklung noch am Anfang. Ich habe immer betont, dass es ein langer und schwieriger Weg wird, es wird immer Rückschläge in verschiedenen Bereichen geben. Mein Gefühl sagt mir allerdings, dass wir die Weichen für die Zukunft gut gestellt haben. Jetzt konzentrieren wir uns auf die sportliche Situation, die sicherlich sehr unbefriedigend ist. Dort sind wir jetzt gefordert den strukturellen Entwicklungen Schritt zu halten.

Jawattdenn.de:
Würden Sie sagen, dass die Entwicklungen ihren Vorstellungen entsprechen?

Thomas Strunz:
Ja, grundsätzlich hat sich alles genauso entwickelt, wie ich mir das vorgestellt habe. Einige Dinge waren dafür Voraussetzung. Wir brauchen moderne Strukturen, die wir intern schon abgebildet und mit dem DFB besprochen haben. Einen elementaren Bestandteil der Zukunft von Rot-Weiss Essen - das Stadionprojekt- haben wir zeitintensiv im Hintergrund vorangetrieben, wie man am Beschluss der Ratssitzung, der mit breiter Mehrheit gefasst wurde, sehen kann. Wir haben sehr zielorientiert gearbeitet und sind genau auf dem richtigen Weg. Dass wir sportlich aktuell nicht dort sind, wo wir uns gerne selber sehen würden - und wofür wir sicher auch die Qualität haben - ist keine Frage.

Aber wie ich schon auf der Mitgliederversammlung im Sommer sagte: es ist vielleicht die größte Phase des Umbruchs für den ganzen Verein. Wir müssen mit einem relativ kleinen Team viele Baustellen bearbeiten, so verlagern sich bestimmte Sachen auch zeitlich hintereinander. Wenn man allerdings weiß, dass die elementaren Themen für den Verein Stadionneubau, die Umstrukturierung und die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage sind, dann kann es vorkommen, dass die tagesaktuellen Dinge, auch die den sportlichen Bereich betreffenden etwas aus den Augen verloren wurden. Jetzt haben wir vieles gelöst und ab sofort wird der sportliche Bereich übergeordnete Priorität haben. Wir mussten für die Zukunft des Vereins Prioritäten setzen, daher ist es wichtig, dass wir zunächst eine zukunftsfähige Basis schaffen konnten.

Thomas Strunz
Jawattdenn.de:

Wie ist Ihr persönliches Empfinden? Sie kommen als Ex-Manager des VfL Wolfsburg, sind gestandener Bundesligaspieler gewesen und müssen sich nun - bei allem Respekt - mit Lotte und Oggersheim herumschlagen.

Thomas Strunz:
Das spielt für mich keine Rolle. Mich treibt die Aufgabe und die Herausforderung Rot-Weiss Essen an. Es ist nicht der Gegner, der uns am Samstag erwartet, sondern das, was wir mit Rot-Weiss Essen erreichen können. Wir sind noch längst nicht dort, wo wir hin möchten. Das gilt für die Fans, den Verein und einzelne Personen. Mein Ziel ist es sicher nicht, dauerhaft in der vierten Liga zu bleiben, sondern ich möchte diesen Verein mit dem gesamten Team, sei es auf dem Rasen oder außerhalb davon, dorthin bringen, wo wir hingehören. Und das ist nicht die Regionalliga, sondern deutlich höher. Mein Antrieb ist der Erfolg. Da gehört ein Sieg am Wochenende natürlich dazu. Mein größter Antrieb ist es, diesen Verein voranzubringen.


Jawattdenn.de:

Wir hatten vor kurzem auf unserer Seite einen Artikel, in dem es darum ging wie man die Marke „RWE" neben den anderen großen Revierclubs entwickeln kann? Wo sehen Sie dafür Potential?

Thomas Strunz:
Ich habe den Artikel gelesen. Das Ganze ist natürlich sehr theoretisch formuliert worden. Wir als Rot-Weiss Essen sollten uns nicht mit anderen vergleichen. Das sollte grundsätzlich kein Verein machen, aber wir schon gar nicht. Wir müssen eine Nische zwischen den beiden großen Playern Dortmund und Schalke besetzen. Wir dürfen nicht den Fehler machen und sagen „eigentlich gehörten wir auch da oben hin, weil wir auch Deutscher Meister waren und Helmut Rahn hier gespielt hat". Es ist sicher wunderbar eine solche Vergangenheit zu haben, aber aktuell können wir uns dafür nichts kaufen. Wir müssen es schaffen mit diesem neuen Stadion, mit den neuen Strukturen, mit neuen Zielgruppen, die wir mit harter Arbeit erschließen, Rot-Weiss Essen so zu positionieren, dass wir sagen können: "Das ist anders als bei anderen Vereinen!". Wir sind vielleicht familiärer und verwurzelter, weil wir noch nicht so großgewachsen sind, wie andere Vereine. Aber auch hier stehen wir noch am Anfang der Schritte, die wir zu tun haben. Das ist ein häufiger Fehler im Fußball: man macht sich schon Gedanken über Dinge, die heute noch gar keine Rolle spielen.

Wir brauchen uns heute noch nicht mit dem Thema "wie kriegen wir mehr Familien, mehr Kinder, mehr Frauen zum Fußball" wie sagt man so schön „in die Werbung" zu gehen. Das ist erst ein Thema, wenn das Stadion da ist. Doch wir müssen uns auf diesen Tag gut vorbereiten. Und ich weiss, dass wir gut vorbereitet sein werden. Natürlich sehen wir hier eine potentielle Zielgruppe. Aber wir müssen auch, und das ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe, innerstädtisch eine viel höhere Akzeptanz schaffen. Wenn man Berichte über Rot-Weiss Essen in der Zeitung liest oder im Fernsehen sieht, dann gibt es stets Bilder des alten Stadions und einer Mannschaft, die aktuell in der vierten Liga spielt. Mit einem neuen Stadion habe ich automatisch viel mehr Möglichkeiten, bestimmte Dinge zu machen. Wir können diesen Verein „neu erfinden" und einer neuen Klientel zuführen. Wichtig dabei ist niemals die Identität und den Ursprung von Rot-Weiss Essen zu vergessen. Das kann man angehen, wenn der Bau begonnen hat. Dann kann man anfangen, diesen Neubeginn auch zu leben und umzusetzen und genau zu sagen: "das sind wir und das wollen wir!". Das sind im Übrigen auch Dinge, die unsere Sponsoren erwarten. So kann man den Sponsoren viel genauer sagen, wie man uns helfen kann.

Ich freue mich über jeden, der sich mit dem Thema Marke „RWE" auseinandersetzt, aber so weit sind wir noch nicht. Wir müssen erst die Details des Stadionneubaus und der Umstrukturierung klären. Wir dürfen uns nicht verheddern. Wir müssen nacheinander viele kleine Schritte machen, um das neue Rot-Weiss Essen zu gestalten. Dafür fehlen uns im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Sponsorenbetreuung usw. zum Teil auch noch Mitarbeiter. Natürlich haben wir Personen, welche diese Aufgabe momentan übernehmen. Diese Mitarbeiter erledigen ihre Arbeit im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten auch gut, aber wir haben noch nicht das Kontingent, das wir in Zukunft brauchen werden. So etwas müssen wir auch kommunizieren. Wir müssen klar sagen, was geht und was nicht geht. Das ist ein wichtiger Faktor der Vertrauensbildung. So fügen wir verschiedene Bausteine zu bestimmten Bereichen hinzu, die dann das Gesamtbild ergeben. Ich glaube hier haben wir in den letzten 10-11 Monaten viel erreicht. Wir haben auch entsprechend positive Rückmeldungen von vielen Seiten bekommen, deswegen bin ich überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Thomas Strunz
Jawattdenn.de:

In wie weit bringt es Sie bezüglich des Umbruchs aus der Ruhe, wenn der Aufstieg nicht gelingt, wovon mittlerweile auszugehen ist?

Thomas Strunz:
Mich bringt das nicht aus der Ruhe, weil ich von dem Gesamtkonzept überzeugt bin. Dennoch sollten wir von diesem Saisondenken, das ja hier in Essen aufgrund der vergangenen Erfahrungen, sehr ausgeprägt ist, wegkommen. Entweder ist man ab- oder aufgestiegen, es gab immer eine Extremerwartung. Wir mussten immer dieses oder jenes schaffen. Was dem Verein mal richtig gut tun würde, wäre eine Saison in der man durchatmet. Auch wenn das für alle Beteiligten schwer zu verstehen ist, wäre dies eine Gelegenheit sich auch in anderen Bereichen weiterzuentwickeln. Wir haben hier ein Projekt, das mittelfristig greifen wird. Dann werden wir viele Dinge haben, die andere Mannschaften oder Vereine in dieser Form nicht haben.


Jawattdenn.de:

Sie erwähnten gerade das mittelfristige Konzept, den 5-Jahresplan. Das einzige, das man als Außenstehender wirklich davon mitbekommt, ist, dass man am Ende des Plans ein Aufstieg in die 2. Liga steht. Was sieht dieser Plan konkret vor?

Thomas Strunz:
Fünf Jahre sind im Fußball ein großer Zeitraum. Damit will ich ausdrücken, dass wir nicht auf Glück hoffen dürfen oder durch Zufall gewisse Dinge erreichen. Wir müssen den Verein stattdessen Schritt für Schritt weiterentwickeln und eine Basis schaffen, die einen dauerhaften Erfolg ermöglicht. Das ist das Zauberwort, wir müssen es schaffen in Essen dauerhaften Erfolg möglich zu machen. Dazu gehören auch viele Dinge, die man gar nicht so wahrnimmt. Die strukturelle Weiterentwicklung des Vereins wird die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass man in der 2. Liga Fuß fasst und dort verbleibt. Der 5-Jahres-Plan soll ausdrücken, dass wir auch in schwierigen Phasen Ruhe bewahren und man sich vergegenwärtigt, dass man ein Ziel hat, nämlich 2013/14 in der 2. Liga zu spielen und dort auch zu bleiben. Ein erzwungener Kraftakt und die Hoffnung, dadurch die Liga zu halten, bringt nichts.

Wir wollen dahinkommen, dass Rot-Weiss so stark ist, so gut strukturiert und aufgestellt, auch als Marke, dass wir sagen können: "wir sind dauerhaftes Mitglied der 2. Liga, der Top 36 Mannschaften!". Da gibt es sicher viele Vereine, die dort auch hinwollen. Das betrifft die, die nun in der 3. Liga spielen und aus der aktuellen Regionalliga Preußen Münster, Eintracht Trier, Holstein Kiel, Magdeburg usw. Damit müssen wir uns beschäftigen. Am Ende wird es auch mal den Faktor Glück geben müssen. Das kann z.B. ein Tor in der letzten Sekunde sein, aber an Glück und Zufall glaube ich nicht. Wenn wir es schaffen den Verein dauerhaft in allen Bereichen zu entwickeln, dann wird auch der sportliche Erfolg kommen. Das ist bei allen Vereinen durch die Ligen hinweg zu sehen.

Die Vereine, die oben stehen, sind auch deswegen dort, weil es von der Gesamtstruktur von der Basis her stimmt. Als Beispiel sei hier Freiburg genannt. In Freiburg werden bestehende Strukturen gelebt, dort gibt es eine Basis, die in der Vergangenheit entwickelt und aufgestellt worden ist, die auch nicht durch einen Abstieg aus der Bundesliga zerstört wurde, sondern im Gegenteil, da wurde weiter dran gearbeitet und jetzt steht man aktuell mit Vorsprung an der Tabellenspitze. Das muss unser Ziel sein. Wir haben aktuell diese Basis nicht. Wir haben einen tollen Namen, eine tolle Marke und viel Phantasie, aber nicht viel worauf wir uns sonst verlassen können. Kein Jugendleistungszentrum, keine Scouting-Abteilung etc. Das sind alles Dinge, die wir im Laufe der Jahre entwickeln müssen, um den Herausforderungen entgegen treten zu können. Da hilft uns kein Glück, kein Zufall oder kein abgefälschter Schuss, der uns am Ende den Aufstieg ermöglicht. Wir müssen dafür bereit sein.


Jawattdenn.de:

Der erste Schritt für diese Basis wäre das neue Stadion. Wie sehen ganz konkret die nächsten Schritte aus?

Thomas Strunz:
Ganz konkret steht die Lösung der Verträge mit der MK-Mediengesellschaft durch die Stadt an. Nur dann können wir die Mitgliederversammlung einberufen, vorher wird es keine geben. Wenn diese Verträge nicht unterschrieben sind, können wir nicht einladen. Es wird nicht so sein, dass diese Sache erst am Ende erledigt wird. Das war ein Fehler der Vergangenheit, es gab unterschriftsreife Verträge. Wir werden uns nicht auf die Bühne stellen und sagen „in drei Wochen wird dies und jenes gemacht", sondern wir werden ganz klar die neuen Strukturen offen legen. Die Gewinnung der Sponsoren für das Stadion ist Sache der Stadt, wobei das zurück gewonnene Vertrauen in RWE und in die handelnden Personen natürlich auch der Stadt hilft. Alles, was wir als Verein machen können, machen wir, so schnell wie möglich. Die Lizenzunterlagen für die kommende Saison haben wir bereits eingereicht.

Thomas Strunz
Jawattdenn.de:

In den Medien war von 15% der Fernsehgelder die Rede, auf die MK Medien weiter Anspruch haben wird. Wie ist das gedacht? Gilt das tatsächlich lebenslänglich oder gibt es eine wie immer geartete Begrenzung?

Thomas Strunz:
Die Verträge mit der MK Mediengruppe sind damals auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Diese 15% für die medialen Rechte bleiben so bestehen. In der aktuellen Form stellt dies kein Problem dar, weil 15% von 90.000 € in der 4. Liga und selbst 15% von einer Million in der 3. Liga, zwar bitter sind, uns aber nicht umwerfen. Wir haben mehrere Möglichkeiten, Einnahmen zu generieren als nur über das Fernsehen. Das können wir z.B. durch Zuschauer oder Sponsoren auffangen. Je höher man kommt, umso größer wird die Bedeutung des Fernsehetats.

Heute sind die Verträge von morgen noch nicht zu bewerten. Man muss erstmal sehen, ob die Zentralvermarktung bleibt, oder ob es irgendwann eine Einzelvermarktung gibt. Ich glaube, der Fußball ist momentan in einer extremen Bewegungsphase was auch Investoren, Stichwort 50+1-Regelung, betrifft. Man kann noch gar nicht absehen, ob sich der Markt öffnet, was Investoren in Zukunft möchten. Es ist heute einfach noch nicht einzuschätzen, wie der Fußball- und Fernsehmarkt in fünf Jahren aussehen wird. Deswegen können wir mit dieser Lösung gut leben und werden im Zweifelsfall im Laufe der Jahre sehen, ob es eventuell andere Lösungen gibt. Andererseits wird unsere Lösung gemeinsam getragen von der Stadt, Politik, Sponsoren und dem Verein. Das ist gut so. Alle ziehen an einem Strang.


Jawattdenn.de:

Steht nicht zu befürchten, dass die Stadt zu sehr Einfluss auf vereinsinterne Abläufe nimmt?

Thomas Strunz:
Nein. Es gibt von der Stadt berechtigte und begründete Interessen, da sie ein Investment in Form eines Stadions in die Hand nimmt und sich darüber hinaus mit der Zukunft des Vereins beschäftigt, gewisse Kontrollmechanismen auszuüben. Anders wäre das politisch auch überhaupt nicht zu vertreten. Für uns als Verein ist das kein Problem, weil wir überzeugt sind, dass die handelnden Parteien alles dem Ziel unterordnen, Rot-Weiss Essen nach vorne zu bringen. Es gab natürlich in diesen zehn Monaten, in denen ich jetzt hier bin, kontroverse Diskussionen über bestimmte Strukturen, die in Zukunft vorhanden sein sollten.

Aber es ist in einem äußerst produktiven Prozess etwas entstanden, womit alle Seiten zufrieden sind. Nur so ist eine gemeinsame Entwicklung möglich. Das wollen auch unsere Sponsoren. Sie wollen wissen, was mit ihren Investitionen geschieht. Genau dieses Vertrauen hat dazu geführt, dass wir noch bestimmte Spieler verpflichten konnten. Zu Beginn der Saison war dieses Vertrauen noch sehr gering. Wir mussten mit einem sehr eingeschränkten Etat arbeiten, was uns auch bis zu einem bestimmten Punkt gelungen ist.

Aber um dann die nächsten Schritte im sportlichen Bereich machen zu können, brauchen wir eben mehr Möglichkeiten wirtschaftlicher Art. Wir haben allerdings stets betont, dass wir kein Geld ausgeben werden, dass irgendwann mal irgendwo erscheint. Wir wollten eine klare Finanzierung durch Sponsoren, die dazu stehen und von der Richtigkeit des Weges überzeugt sind. Das ist uns gelungen. Das liegt auch an den handelnden Personen, die im Hintergrund gemeinsam daran gearbeitet haben, wie unser Aufsichtsratsvorsitzende Dietmar Bückemeyer oder unser Vorstand Stefan Meutsch beispielsweise. Als wir in die vierte Liga gestartet sind mit dem Doppelabstieg im Gepäck, war das Thema Stadion für die meisten erledigt. Aber wir haben das Thema hinter den Kulissen vorangetrieben, um deutlich zu machen, dass dies ein elementarer Baustein für die Überlebensfähigkeit des Clubs ist. Solche Dinge müssen nicht immer in der Öffentlichkeit diskutiert werden, es muss produktiv und konstruktiv an der Sache gearbeitet werden. Das ist allen gemeinsam gelungen.

Thomas Strunz
Jawattdenn.de:

Wo sehen sie aktuell noch Probleme?

Thomas Strunz:
Auf dem Rasen haben wir viel zu selten unsere Möglichkeiten ausgeschöpft. Wir hatten Schwierigkeiten gegen sehr defensiv eingestellte und kampfstarke Mannschaften. Da haben wir, insbesondere bei Auswärtsspielen, viele Punkte liegengelassen.


Jawattdenn.de:
Ist die Zukunft des Kaders gesichert?

Thomas Strunz:
Naja, wenn am Saisonende Bayern München Sascha Mölders holen möchte, wird es schwer (lacht). Diese Szenarien kann man noch nicht voraussehen. Außerdem möchte ich mich damit eigentlich noch nicht beschäftigen.

Für den Fall des Nichtaufstiegs haben wir die Verträge entsprechend gestaltet. Wenn es natürlich Anfragen von Bundesligisten gibt, müssen wir sicher mit den Spielern reden. Der Verkauf von Spielern als Wert, muss auch in Zukunft ein Bestandteil von Rot-Weiss Essen sein. Wir sind ein Ausbildungsverein. Das war auch der Grund, warum wir Arda Yavuz in die Türkei im Winter abgegeben haben. Man muss die wirtschaftlichen Überlegungen gegen die sportlichen abwägen und es gibt bei jedem Spieler eine Zahl, bei der man ins Überlegen gerät, auch wenn wir das nicht wollen. Aber da muss man einfach realistisch bleiben. Unser Ziel ist es die Mannschaft zusammenzuhalten und spätestens im nächsten Jahr aufzusteigen.


Jawattdenn.de:

Fällt es schwer, auch für Sie persönlich, sich nach einem Rückschlag, wie beim 1:2 auf Schalke, noch zu motivieren? Fragen Sie sich nicht einfach mal: "Was mach ich hier eigentlich?"

Thomas Strunz:
Nein. Diese Frage wurde mir auch nach dem Abstieg im Sommer gestellt. Da wurde gesagt, du bist jetzt in der vierten Liga. Ich bin mir aber bewusst, dass wir dort nicht bleiben. Der Verein ist jetzt 102 Jahre alt. Am Ende dieses ganzen Prozesses muss der Verein wieder dort stehen, wo er mal war. Das ist meine tägliche Motivation. Mittlerweile haben wir im Umfeld ein Team geschaffen, die alle diesem Ziel folgen. Und dies wird auch auf dem Rasen gelingen.


Jawattdenn.de:

Unter den Fans haben Sie ein sehr hohes Standing. Macht Sie das stolz oder empfinden Sie das als zusätzlichen Druck?

Thomas Strunz:
Ich empfinde das nicht als Druck. Für mich ist das eine Bestätigung der Arbeit, die wir hier geleistet haben. Ich bin sicherlich derjenige, der in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Aber ich bin sicher nicht derjenige, der diese positive Entwicklung allein zu verantworten hat. Für mich ist es wichtig, dass wir als Team hinter den Kulissen genauso funktionieren, wie ich das auch auf dem Platz erwarte. Mir ist bewusst, dass ich einen gewissen Bekanntheitsgrad habe, und dass damit eine Menge assoziiert wird. Aber ohne die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle, im Aufsichtsrat oder im Vorstand, kann ich gar nichts bewegen.

Natürlich stellt es mich zufrieden, dass die Menschen mich auch auf einer persönlichen Ebene annehmen. Mich interessiert nicht, ob die Leute mich als Trappatoni-Strunz, als arroganten Bayernspieler oder als Fernsehperson kennen, mich interessiert, dass die Leute mich so wahrnehmen, wie ich bin und warum ich bestimmte Dinge so mache, wie ich sie mache und mich in keine Schublade stecken. Die Fans sind die besten Transporteure für alles was einen Verein betrifft. Das ist die Basis für mich, aber es gibt keine One-Man-Show, sondern nur den Teamgedanken. Das entspricht in gewisser Weise auch meiner früheren Spielweise. Ich war nicht so spektakulär wie Mehmet Scholl oder Oliver Kahn, sondern immer ein Teamspieler. Das hat mich zum Erfolg geführt. Naja ein bisschen kicken konnte ich schon (lacht). Aber ich war eben nie der herausragende Spieler wie Scholl, Basler oder Matthäus. Ich war immer ein Teamplayer und habe der Sache gedient. Dass ich nun auf den Plakaten abgebildet bin, mache ich nicht, weil ich mich so gerne überall in der Stadt sehe, sondern weil es Sinn machen muss.


Jawattdenn.de:

Wie hat sich Ihre Arbeit hier generell verändert? Ursprünglich wollten Sie ja „nur" drei Tage in der Woche hier arbeiten...

Thomas Strunz: (lacht)
Ja das entsprach nicht der Realität. Als ich angefangen habe, war ich in erster Linie als Berater des Vereins tätig und habe mich mit der Struktur der Mannschaft beschäftigt. Ich war allerdings schon damals häufiger da, als ich das erwartet habe. Durch diese tägliche Arbeit hat sich allerdings ein Vertrauensverhältnis der handelnden Personen untereinander entwickelt und so kam es zu dem weiteren Engagement. Ich glaube das war ein guter Kennlern-Prozess. Ich konnte den Verein und er mich kennenlernen. Das ist auch der Grund warum wir nun dieses gute Verhältnis untereinander haben.


Jawattdenn.de:

Ist die öffentliche Darstellung des Vereins gegenüber dieser ursprünglichen Aufgabe ein Mehraufwand?

Thomas StrunzThomas Strunz:
Es ist ein Teil der Arbeit. Wenn man als bekannte Person eine Aufgabe dieser Größenordnung übernimmt, dann wird die Öffentlichkeit automatisch Teil dieser Arbeit. Das ist für mich nicht ungewöhnlich. Die Außendarstellung hängt nicht nur mit meiner Person, sondern generell mit dem Verein zusammen. Wie transportiere ich den Verein in die Öffentlichkeit? Wenn man heute Fotos oder Filme sieht, sieht man stets ein altes marodes Stadion mit unglaublicher Atmosphäre und Historie, aber deswegen ist es uns nicht möglich den Verein neu darzustellen, weil der Zuschauer automatisch die alten Bilder damit assoziiert und sich denkt, die leben immer noch in der Steinzeit. Alle Vereine, die ein neues Stadion bekommen haben, haben eine Transformation durchlebt. Das ist uns bisher nicht möglich. Selbst innerhalb der Stadt fällt es schwer dann ein neues Rot-Weiss Essen darzustellen. Stattdessen sehen die Leute einen alten Kasten und die vierte Liga und fragen sich warum sie zum Fußball gehen sollten. Ein neues Stadion ermöglicht uns einen ganz anderen Aktionsrahmen. Dann wird sich die Wahrnehmung des Vereins verändern und auch nicht mehr auf eine Person reduzieren.


Jawattdenn.de:

Wie sehen die Planungen für die zweite Mannschaft aus, nachdem man sich von Karlheinz Pflipsen getrennt hat?

Thomas Strunz:
Zielsetzung der zweiten Mannschaft war von vorne herein der Klassenerhalt. Leider kann man heute noch gar nicht sagen, welcher Platz dazu berechtigen wird. Was die Trainerstelle betrifft, werden das Waldemar Wrobel und Richard Sobczak bis zum Saisonende machen. Danach wird es einen neuen Cheftrainer der U23 geben.


Jawattdenn.de:

In der offiziellen Meldung von der Trennung von Michael Kulm heißt es, man hoffe ihn weiter aktiv beim Verein zu behalten. Wäre Kulm ein Kandidat für die Zweite Mannschaft?

Thomas Strunz:
Wir sind so verblieben, dass wir uns nach Ostern zusammensetzen und die Situation besprechen. Ich würde mir wünschen, dass er am Weg von Rot-Weiss Essen weiterhin teilnehmen würde.


Jawattdenn.de:

Nach dem Unentschieden gegen Trier stärkten Sie Michael Kulm demonstrativ den Rücken. Warum musste er nach der Pleite gegen Bochum doch seinen Stuhl räumen?

Thomas Strunz:
Ganz einfach deshalb, weil der positive Effekt ausblieb und die Stimmungslage rund um die Mannschaft und den Verein zu eskalieren drohte. Wir haben unter der Regie von Michael Kulm als Chef-Trainer ganz einfach zu wenig Punkte geholt und an diesem Fakt kam ich am Ende auch nicht mehr vorbei.


Jawattdenn.de:

Die Mannschaft legte nach der Winterpause eine Negativserie hin. Wie erklären Sie sich diesen Leistungseinbruch?

Thomas Strunz:
Die Abwärtsspirale begann bereits vor Weihnachten mit unserer Niederlage gegen Leverkusen II und den noch folgenden Spielen vor Weihnachten. Nach unserem Pokalsieg gegen Fortuna Düsseldorf konnten wir davon ausgehen, dass die Mannschaft zu ihrer Stärke zurück gefunden hat. Um so enttäuschender waren dann die Ergebnisse die darauf folgten, mit Ausnahme des sehr guten Spiels und des Sieges gegen Kaiserslautern II. Leider konnten zu wenige Spieler dauerhaft ihr Potential abrufen, sodass wir bis heute weit hinter unseren Möglichkeiten zurück geblieben sind.


Jawattdenn.de:

Das Tuch zwischen Mannschaft und Fans scheint zerschnitten. Die Zuschauer reagieren verärgert, pfeifen die Mannschaft aus und beschimpfen die eigenen Spieler. Die Mannschaft fühlt sich zum Teil ungerecht behandelt. Wie beurteilen Sie diese Situation?

Thomas Strunz:
Es ist völlig klar und absolut gerechtfertigt, dass Fans ihren Unmut über den Saisonverlauf oder über ein Spiel zum Ausdruck bringen. Dafür hat jeder Verständnis. ABER, es gibt Grenzen. Ich akzeptiere in keinster Weise persönliche Beleidigungen einzelner Spieler, Bierduschen, anspucken oder gar Angriffe auf Familienmitgliedern unserer Spieler und ich fordere, nein ich erwarte von jedem Fan, dass er sich von diesen Dingen distanziert. Diese Dinge müssen für uns alle inakzeptabel sein und diese Personen, egal welche es waren, haben in der RWE-Familie nichts verloren. Ganz klare Aussage meinerseits.

Thomas Strunz
Jawattdenn.de:

Wie wichtig wäre ein Klassenerhalt der U23-Mannschaft für den Verein?

Thomas Strunz:
Sehr wichtig. Zum einen ist diese Mannschaft eine gute Möglichkeit der Ausbildung, die gegen hochklassige Zweitvertretungen der Profi-Teams wie Arminia Bielefeld, Alemannia Aachen oder vielleicht demnächst Fortuna Düsseldorf spielen können. Andererseits ist der Übergang vom Jugendbereich in den Erwachsenenfußball von großer Bedeutung. Die U19 spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im Konzert der Großen. Wir werden alles daran setzen, dass beide Teams die Klasse halten.


Jawattdenn.de:

Im Vorfeld der Ratssitzung, in der der Stadionbau beschlossen wurde, gab es eine Plakataktion, die ein nie da gewesenes Ausmaß in Essen erreichte. Haben Sie Feedback aus Politik und Wirtschaft zu dieser Aktion bekommen?

Thomas Strunz:
Selbstverständlich! Das Projekt „Kämpfen für Essen" läuft bereits seit dem letzten Jahr. Es heißt ganz bewusst so und eben nicht "Kämpfen für Rot-Weiss Essen". Unser Ansatz dabei war es zu zeigen, dass Rot-Weiss Essen ein Teil der Stadt Essen ist und wir Teil der Außendarstellung dieser Stadt sein wollen. Diese große Aktion war finanziell nur durch das große Engagement unserer Sponsoren zu stemmen. Sparkasse, Stadtwerke, EBE und RWE, die sich ebenfalls als Teil dieser Stadt betrachten, identifizierten sich mit diesem Projekt und unterstützten es deswegen. Wir konnten somit auch handelnde Personen gewinnen, wie den Vorstandschef der Sparkasse Essen, den Verantwortlichen für die Unterstützung unserer Jugend von RWE, die sich auf Plakaten haben abbilden lassen. Das zeigt mir wiederum, dass wir das Vertrauen und die Kraft, die dieser Verein hat, gut gebündelt haben. Ein Feedback aus der Politik kam auf vielen Veranstaltungen. Die Aktion war eben nicht nur lokal auf das Umfeld der Hafenstraße beschränkt, sondern erreichte Bereiche und Stadtteile, in denen Rot-Weiss Essen bisher noch nicht so eine große Rolle spielt. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.


Jawattdenn.de:

Am Ende der letzten Saison ist viel Vertrauen verspielt worden. Wie wird Rot-Weiss Essen heute in der Wirtschaftswelt angesehen?

Thomas Strunz:
Es bestehen weiterhin viele Fragezeichen. Der Verein muss auch in diese Richtung kleine Schritte machen. Ich freue mich ebenso über jeden Groß- wie Kleinsponsor, selbst wenn das Engagement „nur" der Kauf einer VIP-Karte für 500 Euro oder das Kaufen einer Dauerkarte ist. Dies ist immer ein Zeichen dafür, dass jemand dauerhaft hinter dem Verein und unserer Arbeit steht. Nach dem Ratsbeschluss gab es sogar schon Anmeldungen für Dauerkarten für das neue Stadion. (lacht) Daran sieht man mal, wie emotional dieses Thema betrachtet wird. Es ist für uns wichtig, dass diese Akzeptanz dauerhaft erreicht wird.

Hier ist es wichtig, den Unternehmen ein dauerhaftes Konzept vorzulegen und keine Luftschlösser zu bauen. Wir müssen schließlich erst einmal überzeugen, warum es sich lohnt Rot-Weiss Essen zu sponsern. Auch hier müssen wir langfristig einen Weg entwickeln, wie wir immer mehr überzeugen können. Da können wir uns weder von einer einzelnen Niederlage oder einem Sieg beeindrucken lassen. Wir müssen von nun an planbar sein für Sponsoren und auch für die Fans.


Jawattdenn.de:

Vor dem Ratsbeschluss erschien ein tendenziöser Bericht über den Neubau im Spiegel und gleichzeitig gab Evonik bekannt, dass sie sich vom Stadionbau zurückziehen. Es entstand der Eindruck, dass es Kräfte geben muss, die das Projekt torpedieren wollen. Woher kommt so etwas und wie kann es sein, dass vertrauliche Dokumente der Presse zugespielt werden?

Thomas Strunz:
Es gibt kein Projekt in dieser Größenordnung, das durchweg positiv gesehen und allgemein getragen wird. Das sieht man beispielsweise am Konjunkturpaket II, dem grundsätzlich zugestimmt wurde. Nachdem es verabschiedet wurde, hat es aber zahlreiche auseinandergehende Meinungen gegeben, wie dieses Geld nun zu verwenden sei. Es ist richtig, dass eine Diskussion in der Öffentlichkeit darüber geführt wird. Das lässt mich aber nicht unruhig werden. Es beunruhigt mich ebenso wenig, wenn ein Sponsor gewisse Ausgaben nicht tätigen kann, wenn es dem Unternehmen nicht so gut geht. Ich kenne das aus Wolfsburg, als der Konzern ebenfalls in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Wenn Mitarbeiter dort auf Weihnachtsgeld verzichten, kann ein Fußballclub nicht unbegrenzt mit Geld aus diesem Konzern jonglieren und muss den Gegebenheiten einfach Rechnung tragen.

Thomas Strunz An diesem Bericht stört mich, dass behauptet wird, dass das Projekt durch den Rückzug eines (!) Sponsors nicht mehr möglich sei. Das ist nicht richtig, da es weitere Sponsoren gibt, die sich in der Vergangenheit noch nicht dazu geäußert haben. Es wird auch den Sponsoren nicht gerecht, die den Verein aktuell begleiten. Darüber hinaus sind interne Dinge an die Öffentlichkeit gelangt. Daran erkennt man, dass persönliche Interessen hier vor Sachinteressen gestellt werden. Das muss also jemand sein, der sein persönliches Interesse vor das von Rot-Weiss Essen stellt und gleichzeitig Zugang zu den internen Berichten hat. Das akzeptiere ich nicht und werde es auch in aller Deutlichkeit verfolgen. Es kann nicht sein, dass Dinge, die nur in einem überschaubaren Kreis bekannt waren, missbraucht werden, um Stimmung zu machen.


Jawattdenn.de:

Es passiert ja nicht zum ersten Mal, das interne Papiere öffentlich werden. Auch im Sommer bekam die BILD-Zeitung ein internes Papier zugestellt, in dem HochTief ein Betrag zugesichert wurde, wenn es nicht das neue Stadion bauen sollte. Damals wie heute berief man sich auf Papiere von Roland Berger. Gibt es Lücken in der Kommunikation mit dem Unternehmensberater?

Thomas Strunz:
Roland Berger ist aus meiner Sicht unverdächtig aus Gründen, die ich hier im Detail nicht nennen möchte. Es gibt immer persönliche Interessen. Sie und ich haben zum Beispiel persönliche Interessen, wenn wir hier zusammen sitzen und ein Interview führen. Dies muss aber immer einer Sache dienen und mein Interesse dient der Sache Rot-Weiss Essen. Wenn dies das Ziel ist, sind persönliche Interessen in Ordnung. Jeder Spieler hat ebenfalls eigene Interessen. Der eine will seine Familie ernähren, ein anderer erfolgreich sein, ein dritter besonders viel Geld verdienen. Das ist alles akzeptabel, wenn es der Sache dient. Ich will hier aber nicht verdächtigen, auch wenn es interessante Entwicklungen gibt, die wir als Verein verfolgen werden. Roland Berger ist ein Beratungsunternehmen, das von der Stadt beauftragt wurde. Sie sind also da, weil es dieses Stadionprojekt gibt. Es muss demzufolge jemand sein, der ein Interesse daran hat, dass das Stadion nicht kommt.


Jawattdenn.de:

Was für ein Interesse kann denn jemand daran haben, dass das Projekt scheitert?

Thomas Strunz:
Ich will diese Interessen gar nicht bewerten. Fakt ist aber, dass diese Aktion Rot-Weiss Essen geschadet hat. Der Bericht brüstet sich mit Detailkenntnissen über Heinz Rühmanns Eltern auf der einen Seite, spricht dann aber auf der anderen Seite davon, dass Kölmel zehn Millionen Euro an Rot-Weiss Essen gezahlt hat. Meiner Kenntnis nach wurde damals noch in DM bezahlt. Das zeigt ja bereits, dass hier bewusst populistisch vorgegangen wurde und dass er tendenziös war. Aber mit solchen Artikeln muss man einfach leben. Da ich die internen Vorgänge kenne, hat dieser Artikel mich nicht beunruhigt.

Thomas Strunz
Jawattdenn.de:

Das gleiche gilt dann wohl auch für die Liquiditätslücke, die in diesem Artikel aufgedeckt wurde? Diese schien ja kaum möglich, da ja noch im Winter Neueinkäufe getätigt wurden mit Geld, das der Verein hatte.

Thomas Strunz:
Diese Liquiditätslücke ist kein Thema, das uns über Nacht erreicht hat. Ein Verein, der in der zweiten, dritten oder vierten Liga spielt, startet im Normalfall nicht in die Saison und hat bereits die Finanzierung zu hundert Prozent fertig. Es gibt einfach Unwägbarkeiten, mit denen man leben muss. Man gibt vor einer Saison realistische Planungen an, wie sich bspw. Zuschauerzahlen entwickeln und erfährt erst im Laufe der Spielzeit, ob sich diese Planungen bestätigen. Rot-Weiss Essen hat in der nahen und fernen Vergangenheit stets die Planungen und Forderungen des DFBs im Bezug auf Sponsoring übererfüllt. Wir sind also auch in diese Saison mit dem Wissen gestartet, dass wir bestimmte Mittel noch benötigen. Mit unseren Sponsoren ist es gelungen, dieses Thema nicht zu einer Problematik werden zu lassen und es ist damit für mich erledigt. Wenn man böswillig ist, könnte man es allerdings so darstellen, dass es einen Bedarf gegeben hätte, der über Nacht aufgetaucht ist. So war es aber nicht.


Jawattdenn.de:

Wird man noch auf Wünsche der Fans bezüglich des Stadions eingehen?

Thomas Strunz:
Selbstverständlich! Das hat der Stadtdirektor in der Ratssitzung auch zum Ausdruck gebracht. Es gibt bis jetzt den Grundsatzbeschluss, ein Stadion mit vier Tribünen, einer Kapazität von 20.000 und Ausbaumöglichkeiten zu bauen. Des Weiteren muss das für Rot-Weiss Essen notwendige Anforderungsprofil diskutiert werden. Wie viele Stehplätze brauchen wir und wo sollen die sein? Was gibt es für Wünsche von Fans? Was gibt es für Auflagen durch den DFB? Was benötigt der Verein Rot-Weiss Essen? Dies und mehr wird in der kommenden Zeit diskutiert und schließlich auch beantwortet. Man muss sich auch jetzt schon Gedanken darüber machen, welche Bedürfnisse der Verein in einer Liga hat, in die wir noch kommen wollen, wie die Zweite Liga. Diesen Ansprüchen muss ein neues Stadion schon jetzt gerecht werden. Da müssen die Ideen der Stadt und die Planungen des Vereins abgeglichen werden.


Jawattdenn.de:

Es hat vor zwei Jahren Pläne gegeben, die über den Bau eines Stadions hinausgehen. Ein Trainingszentrum sowie ein Jugendinternat sollten entstehen. Spielen solche Überlegungen aktuell eine Rolle oder ist das erst einmal vertagt?

Thomas Strunz:
Ich habe ja bereits auf dem Fantreffen im November angedeutet, dass die Trainingsflächen hinter dem Stadion nicht mehr da sein werden, wenn der Neubau kommt. Die neuen Planungen sehen nun vor, dass der Willi-Lippens-Platz erhalten bleibt. Dies wird dann der Trainingsplatz der Ersten Mannschaft sein. Die Hafenstraße wird also die Heimat der Ersten Mannschaft bleiben. Alle anderen Mannschaften müssen dann ausweichen. Da müssen wir auch heute schon überlegen, wie wir Anforderungen, die der DFB für diese Teams vorgibt, erfüllen können. So viele Plätze stehen hier nicht zur Verfügung. Es ist aber kein Geheimnis und durch den Stadtdirektor bestätigt, dass die Bezirkssportanlage Mitte II an der Seumannstr. mit ausreichenden Kunstrasen- und Trainingsplätzen ausgestattet werden soll. Dort könnten die Jugendmannschaften und die U23 dann trainieren und ihre Spiele austragen. Dort sind Räumlichkeiten und Umkleidekabinen vorhanden, sodass die Nachwuchsabteilung dort ihre neue Heimat finden kann. Das ist nicht ungewöhnlich. In vielen Vereinen wird die Erste Mannschaft räumlich vom Nachwuchs getrennt, wenn es räumlich nicht anders geht. In Wolfsburg war es ähnlich. Dort war der Nachwuchs drei Kilometer entfernt untergebracht, so wie es hier auch der Fall wäre.


Jawattdenn.de:

Gibt es Überlegungen mit der SG Schönebeck zu kooperieren?

Thomas StrunzThomas Strunz:
Da hat es bereits vor meiner Zeit Gespräche gegeben. Das war damals schon eine gute Idee und es ist heute eine sehr bedeutende Idee. Es wird auf den Frauenfußball einiges hinzukommen. Die Anforderungen des Verbandes für die Frauenbundesliga werden immer höher. Außerdem fokussieren sich Herrenvereine aus der Bundesliga auf Damenmannschaften. Aktuell gibt es schon den HSV, den SC Freiburg, Bayern München und den VfL Wolfsburg. Sindelfingen kooperiert mit dem VfB Stuttgart und Schalke 04 arbeitet mit einer Recklinghauser Mannschaft zusammen. Turbine Potsdam oder eine Berliner Mannschaft wird mit Hertha kooperieren. Das wird der Weg im Frauenfußball sein. Es wird in Zukunft keinen Einzelverein geben, der nicht mit einem Herrenverein zusammen arbeitet, weil der Spielbetrieb einfach Geld kostet.

 Wenn Hamburg nach Freiburg fahren muss, entstehen Kosten, die eingespielt werden müssen. Das ist für einen Verein wie die SG Schönebeck dauerhaft nicht möglich, weil sie nicht mit einem Verein kooperieren. Gäbe es einen Zusammenschluss dieser Vereine, könnten Sponsoren das Produkt Fußball in Essen unterstützen. Es gibt dann eine Herren- und eine Damenabteilung, die beide von Sponsoren unterstützt werden, weil beide Teams Sympathieträger über die Stadtgrenzen hinaus sind.

Der Frauenfußball wird 2011, wenn die WM hier in Deutschland stattfindet, erneut einen enormen Schub bekommen. DFB-Präsident Theo Zwanziger wird das richtig in die Öffentlichkeit bringen. Das wird auch für den Fußball insgesamt ein bedeutender Faktor werden. Deswegen halte ich eine Kooperation zunächst für sinnvoll, um erst einmal eine Gemeinschaft herauszubilden. Das Stadion sollte ebenfalls von der Bundesligamannschaft genutzt werden. Die Gespräche werden in Zukunft wieder aufgenommen. Wir wissen allerdings heute noch nicht im Detail, ob die SG Schönebeck an so einer Kooperation überhaupt interessiert ist.


Jawattdenn.de:

Der alte Stadionentwurf wurde viele Jahre lang geplant. Konnte man Teile dieser Planungen für den neuen Entwurf übernehmen, oder waren die nicht mehr von Interesse?

Thomas Strunz:
Das sind zwei unterschiedliche paar Schuhe. Der alte Entwurf geschah unter Federführung des Vereins. Da gab es von vielen Leuten Planungen. Heute ist es so, dass der Verein ein Stadion nutzt, das gebaut wird. Wir haben der Stadt jetzt unsere grundsätzlichen Anforderungen mitgeteilt. Es gibt zum Beispiel Planungen des Vereins, was nötig ist, um ein Spiel aus Essen im Fernsehen zu zeigen. Dies teilen wir der Stadt natürlich mit. Derjenige, der das Stadion baut, muss am Ende entscheiden, was er davon umsetzt. Ich bin aber überzeugt, dass wir am Ende eine Lösung finden, die allen Beteiligten gerecht wird.


Jawattdenn.de:

Sie haben nach Abschluss der Personalplanungen im Sommer gesagt, dass sie grundsätzlich gegen Verpflichtungen im Winter sind. RWE hat nun gleich drei Mal zugeschlagen. Woher kommt dieser Sinneswandel?

Thomas StrunzThomas Strunz:
Es hat sich in der Hinrunde gezeigt, dass die Anforderungen, die wir an einzelne Positionen haben, nicht so umgesetzt wurden, wie wir uns das vorgestellt haben. Ich bleibe weiterhin dabei, dass Neuzugänge im Winter häufig problematisch sind. Da gibt es in Essen aber auch bei anderen Vereinen genügend Beispiele für. Das liegt daran, dass zumeist aus einer Paniksituation heraus entschieden wird, weil der äußere Druck da ist. Wir haben aber schon im Oktober beispielsweise mit Mike Wunderlich zusammengesessen, da wir gemerkt haben, dass uns Kreativität im Mittelfeld fehlt. Es war da schon klar, dass wir diesen Spieler holen wollen.

Wir haben darüber hinaus festgestellt, dass uns ein linksfüßiger Innenverteidiger fehlt, da wir Probleme hatten, das Spiel aus der Abwehr heraus aufzubauen. Das hat nichts damit zu tun, dass andere das nicht können. Wir suchen aber nach Optimierungsmöglichkeiten über diese Saison hinaus. Zur Winterpause waren wir elf Punkte hintendran und wir mussten uns mit zwei möglichen Szenarien auseinandersetzen. Es ist dabei wichtig, dass eine Mannschaft zusammenwächst und Strukturen sich ausbilden. Die Rückrunde ist deswegen für alle Beteiligten wichtig. Sie sollen wissen, dass, selbst wenn es in diesem Jahr nicht klappt, wir eine Mannschaft haben, die es im nächsten Jahr schafft. Die Verträge sind dementsprechend gestaltet und deswegen haben wir mit Sascha Mölders ebenfalls den Vertrag verlängert. Die Neuzugänge sind gemäß diesen Überlegungen auch perspektivisch verpflichtet worden.


Jawattdenn.de:

Herr Strunz, wir danken Ihnen für das Interview.


Das Interview führte Hendrik Stürznickel und Sebastian Brandt